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Freitag 14




Die Ost-West-W Schöne neue Welt Kurz mal etwas Stolz Rachel Vogt über Tom Mustroph über Die Schriftstellerin »Second Life« und das das Schutzkorsett für Luo Lingyuan über Reichtum richtige Leben im falschen Anti-Mafia-Zeugen und Nationalgefühl Konrad Ege Stehaufmännchenim Dämmerlicht NOCH 21 MONATE GEORGE BUSH IM WEISSEN HAUS ■ Doch schonjetzt werden die Karten neu gemischt Bei ehemaligen Präsidenten gehört es sönliche Daten ausspioniert, ohne die erfor- zum guten Ton: Im Ruhestand baut derlichen Genehmigungen einzuholen.
man Präsidentenbibliotheken. Die Für Unruhe sorgt weiter, dass seit Ende nach dem letzten Hubschrauberflug März bekannt ist, Justizminister Alberto schlagartig entmachteten Männer wollen we- Gonzales (Bushs Spitzname für Gonzales ist nigstens ihren Nachlass kontrollieren. Geor- »Fredo«, entnommen aus Mario Puzos Der ge W. Bush baut im imperialen Stil: Sein po- Pate) habe Bundesanwälte auf ihre Loyalität litisches Märchenland soll 500 Millionen hin überprüft und acht »nicht loyale« entlas- Dollar kosten und sechsmal größer als die Bi- sen. Das könnte dem Justizminister jetzt den bliothek seines Vaters sein. Die Historiker- Job kosten. Bushs Sprecher Dan Bartlett gibt zunft sinniert freilich bereits darüber, ob es sich allerdings zuversichtlich: Der krisener- jemals einen so schlechten Präsidenten gege- probte Gonzales sei ein »Stehaufmännchen«.
ben hat wie George Walker. Und erstmals seit Allerdings ermittelt auch der Justizausschuss den Anschlägen vom 11. September 2001 des Senats. Und hat festgestellt, dass der E- greifen Oppositionspolitiker zur Notbrem- Mail-Verkehr des Justizministeriums und des Weißen Hauses zum Thema ein 16-tägiges Mit 51 zu 47 Stimmen verband der US-Se- nat seine Bewilligung von 122 Milliarden In Bushs schöner neuer Welt des Krieges Dollar für die Kriege im Irak und in Afgha- gegen den Terror und der Konzentration von nistan mit der Auflage, in 120 Tagen mit dem Macht werden die Karten neu gemischt, auch Abzug der inzwischen 160.000 US-Soldaten wirtschaftlich: Umverteilung ist angesagt.
aus Bagdad und Umgebung zu beginnen und Nach Angaben des Economic Policy Institu- alle Kampfoperationen spätestens im März te sind allein 2005 die Einkommen der »un- 2008 abzuschließen. Bush teren« 90 Prozent gefallen.
drohte mit einem Veto, Die oberen zehn Prozent sein Vize Richard Che- haben dazu gewonnen, am Bush sieht mehr und mehr aus ney warnte vor »Chaos« meisten die 0,5 Prozent – und die demokratische wie Staatsoberhäupter vor ihm, ganz oben mit Jahresein- Sprecherin des Repräsen- kommen von mehr als 1,8 die noch im Bunker nichts tantenhauses, Nancy Pe- Millionen Dollar: Sie ver- Sabine Kebir losi, setzte noch einen dienten Ende 2005 16 Pro- drauf und reiste zu Ge- zent mehr als zwölf Mo- sprächen nach Damaskus nate zuvor. Verantwort- – ohne die Syrer sei regionale Entspannung lich für diese Umverteilung sind Bushs Steu- nicht denkbar.
ergesetze und eine unternehmerfreundliche Mehr Rebell als Vasall Aus Sicht des Weißen Hauses wird es zu- Arbeitspolitik. Der Elektronikhändler Cir- nehmend schwieriger, eine fortgesetzte Prä- cuit City hat in diesem Jahr bereits zehn Pro- senz im Irak zu begründen. Man kann höch- zent seiner Arbeiter entlassen – die zehn Pro- stens geltend machen, dass der Amerikaner zent mit den höchsten Stundenlöhnen. Der ARABISCHER GIPFEL ■ Der saudische König brüskiert die Amerikaner und macht den Israelis ein Angebot »Missionen« nicht unvollendet abbricht. Will Konzern wolle sparen, sagte die Firmenlei- Bush die Irak-Operation als Teil des »welt- tung, Entlassene könnten sich um frei ge- ze aufzuheben, die Mitglieder der ehemaligen Exil in anderen arabischen Staaten gebeten weiten Krieges gegen den Terrorismus« wordene Stellen bewerben.
Baath-Partei (Saddam Husseins) von öffent- rechtfertigen, wird ihm sofort vorgehalten, Immer mehr gesteht man in Washington zu, Abdallah Ibn Abdelaziz wartet mit einer Überraschung auf, als er am 28. Märzin Riad den 19. Gipfel der Arabischen lichen Ämtern ausschließen. Wie Saudi-Ara- Auf jeden Fall täte man im Westen wie in Is- dieses Land sei erst durch die US-Invasion dass George W. Bush einen Scherbenhaufen Liga eröffnet. Erstmals kritisiert der bien seine neue diplomatische Mission als rael gut daran, das Signal aus Riad als notwen- zum Nährboden des Terrorismus geworden.
hinterlässt – und dass viele Politiker, Republi- saudische König öffentlich die westliche Irak- Sprecher der arabischen Welt wahrnimmt, dige und derzeit wohl einzig mögliche Form In den Vereinigten Staaten ist die Stimmung kaner wie Demokraten, die dafür verantwort- Politik: »Im Schatten einer illegitimen auslän- zeigt sich besonders beim palästinensisch-is- einer symbolischen Politik der arabischen gekippt, und Bush sieht mehr und mehr aus liche Politik lange mitgetragen haben.
dischen Besatzung fließt im geliebten Irak das raelischen Konflikt. Außenminister Prinz Al Welt zu betrachten, die es verdient, ernst ge- wie Staatsoberhäupter vor ihm, die noch im Schließlich kam sie besonders der wirtschaft- Blut von Brüdern und die religiösen Konflik- Faisal bietet den Israelis ein Junktim an, wie nommen zu werden. Allein schon deshalb, Bunker ihre Niederlange nicht einsehen lichen Elite gerade recht – nun aber seilt sich te drohen, in einen Bürgerkrieg zu münden.« das schon einmal ein Arabischer Gipfel vor weil die saudische Regierung dringend als ein konnten und wollten.
ab, wer kann. Man muss einräumen: Vielleicht Von unrechtmäßiger Okkupation zu spre- fünf Jahren tat: Zieht euch aus allen 1967 be- Moderator gebraucht wird, sollte der Konflikt Genau genommen ist es für den Präsidenten hat George Bush doch kein goldenes Zeitalter chen, ist ein gegen die USA gerichteter Af- setzten Gebieten zurück, findet euch mit zwischen Washington und Teheran eskalieren.
auch kaum möglich, eine Niederlage zuzuge- für sich und die Seinen eingeleitet. Wie der front wie ihn saudische Regierungen bisher Ostjerusalem als Hauptstadt eines palästi- Dass König Abdallah eine Militärintervention ben. Die Irak-Politik ist viel zu direkt mit sei- Fernsehsender NBC am Wochenende berich- vermieden haben. Während des Gipfels nensischen Staates ab – und alle arabischen gegen den Iran ablehnt – obwohl er davon nem gesamten Programm verbunden. Mit tet, haben führende republikanische Senato- äußert sich kein anderer arabischer Führer mit Länder werden euch anerkennen. Diese For- profitieren könnte, würde der schiitische Ri- dem Feldzug gegen Saddam Hussein und dem ren den Kommandierenden im Irak, General ähnlicher Deutlichkeit. Auffallend ist die mel schließt die Anerkennung Israels durch vale in Teheran geschwächt – deutet gleichfalls nie eindeutig definierten »Krieg gegen den David Petraeus, wissen lassen, dass er nur bis Zurückhaltung Ägyptens, offenbar kann sich die palästinensische Regierung ein, die einen darauf hin, dass Saudi-Arabien strategische Terrorismus« sollte der Welt eine globale August Zeit habe, »wirklichen Fortschritt« ein zusehends geschwächter Hosni Mubarak solchen Schritt nicht – wie bisher stets ver- Verantwortung im Interesse der Araber über- Führungsrolle der USA und den Amerikanern nachzuweisen. Sonst gingen sie auf Distanz. den Spagat zwischen lauer Kritik am Westen langt – als einseitige Vorleistung erbringen nehmen will. Warum sonst wurde auf diesem eine eingeschränkte Demokratie mit weniger Aber so sehr die symbolträchtigen Kon- und wachsender Empörung unter seinen Arabischen Gipfel ein Ausweg aus dem Rechtsstaat aufgezwungen werden. Letzteres gressabstimmungen auch aufhorchen lassen: Landsleuten über die US-Politik nicht mehr So wichtig ein derartiges Angebot auch sein Atomkonflikt beschworen, der einen Verzicht scheint nun ebenfalls zu scheitern. Selbst sei- Eine grundsätzliche Kehrtwende ist nicht zu leisten. Auch Algeriens Staatschef Bouteflika mag – immerhin hat Israels Premier Olmert auf alle Kernwaffen in der Region als einzig nen konservativen Anhängern wird es mul- erwarten. Die Demokraten fordern ja ganz – einst Protagonist der Blockfreien-Bewe- mit dem Vorschlag zu einer arabisch-israeli- denkbare Lösung bezeichnet? Damit sind die mig, wenn der Präsident Staatsbürger bei Ter- bewusst nur den Abzug der Kampftruppen gung – exponiert sich kaum. Wegen der bis schen Friedenskonferenz reagiert –, so skep- israelischen Potenziale gemeint, über die im rorismusverdacht ohne Prozess unbegrenzt aus dem Irak. Da bleibt viel Platz für »Aus- heute nicht eingedämmten islamistischen Ge- tisch wird es in den besetzten Gebieten selbst Westen niemand reden will.
einsperren will, und das FBI abhört sowie per- bilder« und Soldaten in US-Basen, die gera- walt im eigenen Land wähnt er sich mit den aufgenommen. Menschen aus Ramallah, be- Alle 32 Resolutionen dieses Arabischen de gebaut werden. Nur etwa die Hälfte des USA im »Bündnis gegen den Terrorismus«. fragt durch den katarischen Sender al-Djazi- Gipfels wurden im Übrigen zum ersten Mal derzeit im Irak stehenden US-Korps gilt im Um so bemerkenswerter erscheint der Um- ra, erklären unumwunden, von materieller nicht nur mündlich verlautbart, sondern auch Potsdamer Straße 89 engeren Sinne als »Kampftruppe«. Und bis stand, dass die Arabische Liga die Regierung Hilfe aus Saudi-Arabien spürten sie kaum veröffentlicht. Ein Novum bei einem Treffen die irgendwann abzieht, darf weiter gekämpft des Irak geschlossen ermahnt, die neue Ver- mehr etwas. Außerdem sei in Riad noch nicht dieser Art und ein Indikator dafür, wie sich PVSt A 04188, Entgelt bezahlt werden. Gar nicht so einfach, ein Imperium fassung dort zu ändern, wo sie nationale Ver- einmal der Notruf im Irak lebender Palästi- mit den Zeiten auch die Gepflogenheiten än- E 2,90 / CHF 5,50 / PLN 15,00
CZK 110,00 / SKK 140,00 in der Abenddämmerung zu managen.
söhnung blockiert, und zugleich jene Geset- nenser erhört worden, die um ein sicheres



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Das Abkommen, für den Irak seinerzeit Torsten Wöhlert Warum will die Genossin durch den Vize-Premier Saddam Hussein un- Katja Kipping die Männer- terzeichnet, hielt ganze fünf Jahre. Dann war wirtschaft in der neuen Lin- der Schah gestürzt und Iran in postrevolu- ken erst 2008 abschaffen, tionäre Machtkämpfe verstrickt, so dass Sad- Eine Affäre mit dem Zeug wie sie jüngst der Berliner dam Hussein – inzwischen Alleinherrscher – Zeitung anver traut hat? die Gunst der Stunde nutzte und das Algier- Weshalb übernimmt sie Abkommen am 17. September 1980 vor lau- den Laden nicht gleich? fenden Kameras zerriss. Fünf Tage später be- TIMO Unwillkürlich würde einem gann auf einer 600 Kilometer breiten Front das Lied durch den Kopf der erste Golfkrieg, der keinen Sieger hatte, schießen: »Die Heimat hat acht Jahre dauerte, Hunderttausende das Le- sich schön gemacht und ben kostete und die Wirtschaft beider Länder UL Tau blitzt ihr im Haar« oder: kollabieren ließ.
»Holde Gär tnersfrau, deine Für die USA war 1979 mit dem Sturz des IRAN ■ Noch sind die gefangenen britischen Soldaten eher für einen Nebenkriegsschauplatz Augen sind so taubengrau«. – Die Frage Schah-Regimes der nach Israel wichtigste interessant. Das kann sich ändern ist, wessen Lebenswerk wird die Genossin Partner im Nahen Osten verloren gegangen, K. K. vollenden. Dient sie als Par teivorsit- also stieg Saddam Hussein zum kleineren zende dem Vermächtnis der einstigen Po- gehörte. Der eigentliche Grenzkonflikt be- gern »Arabistan« genannt – und der mehr- litbüro-Amazone Inge Lange? (»Dem Klas- gann, als die Osmanen 1638 den heutigen Irak heitlich von Schiiten besiedelten irakischen senfeind wird angst und bange, sieht er Eigentlich ist es völlig gleichgültig, an welcher Stelle des Schatt al Arab diebritischen Soldaten von ihren irani- eroberten und bis zu ihrem geschichtlichen Provinz Basra. Die ethnische und religiöse Mühelos lässt sich erkennen, dass Irans die Lockenpracht von Inge Lange«, wollte schen Kollegen aufgebracht wurden.
Abgang 1918 beherrschten. Für diese Epoche Gemengelage allein sorgte für reichlich Kon- Führung das amerikanische Desaster im der Oktoberklub immer singen, entdeckte Abgesehen von der Peinlichkeit des Vorgangs regelten mehrere Abkommen mit Persien den aber seine Widerständigkeit erst nach – jedenfalls aus Londoner Sicht: Teheran Grenzverlauf sowie Seefahrt und Handel auf Solange die Grenze am iranischen Ufer ver- Irak nutzt, um alte Rechnungen zu '89). Oder sieht sich die Genossin K. K.
suchte ganz offenbar einen solchen Konflikt dem 193 Kilometer langen Wasserweg. lief, mussten die Perser für ihre Öl- und mehr in einer Blutbahn mit jener Dame und hätte wenn nicht diese, dann eine andere Dass nun ausgerechnet britische Einheiten Frachtschiffe eine »Maut« bezahlen und zu- aus dem bekannten Drei-Groschen-Stück, Gelegenheit gefunden. Genügend Zündstoff seit dem Irak-Krieg 2003 die Zufahrt zum dem irakische Lotsen an Bord nehmen. Für der stets ein »Hoppla« über die Lippen rie- bietet die iranisch-irakische Grenzregion alle- Persischen Golf kontrollieren, dürfte Tehe- den letzten Schah von Persien ein unhaltba- Übel amerikanischer Realpolitik in der Regi- selte, wenn ein Männerkopf vom Stiel fiel? mal. Wechselseitige Gebietsansprüche lassen ran schon deshalb als brüskierend empfin- rer Zustand, schließlich hatte Rezah Pahlevi on auf. Das änderte sich erst, als der irakische Die Frauenquote würde übrigens 1932 in sich historisch fast nach Belieben herleiten den, weil Großbritannien das einst mächtige seinem Land in den siebziger Jahren eine Mo- Diktator im August 1990 den Überfall auf Berlin auf der 3. Reichspar teikonferenz und finden nicht zuletzt in unterschiedlichen Persien im 19. und 20. Jahrhundert als Öllie- dernisierungs-Rosskur verpasst, um dank Kuwait befahl, um sich durch einen zweiten der KPD eingeführ t: »Bis ein Drittel der geografischen Bezeichnungen Ausdruck. ferant zur Halbkolonie degradiert und nach tatkräftiger US-Hilfe auch militärisch eine Golfkrieg beim reichen Nachbarn für die Mitglieder von Bezirksleitungen müssen Wer den Zusammenfluss von Euphrat und dem Ersten Weltkrieg eine Grenzziehung Vormachtstellung in der Region zu sichern.
Kriegsverluste des ersten zu entschädigen.
Genossinnen sein«, so der Beschluss da- Tigris »Schatt al Arab« nennt, folgt interna- durchgesetzt hatte, die den Schatt al Arab bis Als die Zentralregierung in Bagdad 1975 Auch für diesen Feldzug mussten histori- mals. Ist die Genossin K. K. altkommuni- tionaler Gepflogenheit. Die persische Be- ans iranische Ufer als Teil des Irak auswies.
durch kurdische Aufstände, denen es an ira- sche Grenzstreitigkeiten zwischen Kuwait zeichnung »Anwar Rud« (wörtlich: Tigris- Öl war und blieb der wichtigste Schmierstoff nischem Beistand nicht fehlte, geschwächt und Irak als Begründung herhalten. Nahezu Jedenfalls ist es schön, dass nach dem Strom) hingegen ignoriert den Euphrat und für den Dauerkonflikt am Schatt al Arab, der war, erzwang Teheran 1975 im Abkommen zeitgleich erkannte Saddam jedoch die einst Zusammenbruch des Realsozialismus we- damit den »arabischeren« der beiden großen zwischen zwei wichtigen Fördergebieten lag: von Algier eine Korrektur der Grenze am in Algier vereinbarte Grenze in der Flussmit- nigstens eine monokausale Heilslehre Wasserarme des Zweistromlandes, das bis dem iranischen Chuzistan – von arabischen Schatt al Arab. Sie wurde nun in der Fluss- te des Schatt al Arab wieder an, um den Iran überlebt hat: Männer führen Kriege / Män- zum Aufstieg des Osmanischen Reiches im Nationalisten wegen eines nennenswerten mitte entlang der so genannten »Talweglinie« ruhig zu stellen und einen Zwei-Fronten- ner wollen immer Par teiführer sein / Män- 17. Jahrhundert größtenteils zu Persien Krieg zu vermeiden. Seither gilt dieses Agre- ner sind Unterdrücker / Männer sind Ma- chos / Männer sind Vergewaltiger / Män- Dass Russland jetzt untersucht haben will, ner sind keine Frauen! – Viele GenossEN wo genau die britischen Soldaten festgenom- sollten sich fragen, ob sie in der Morgen- men wurden, ist diplomatisches Geplänkel in röte des heraufdämmernden Matriarchats einem Konflikt, der sich tatsächlich auf ganz der neuen Linken einen ehrenvollen Frei- anderen Ebenen abspielt. Um Grenzverläufe tod wählen, sich chirurgisch ein anderes geht es dabei am allerwenigsten, wiewohl sich Setting verpassen lassen oder doch lieber diese nach wie vor trefflich instrumentalisie- als Quoten-Männe unter der Genossin K.
ren lassen. Mühelos lässt sich erkennen, dass K. sowie der unvergleichlichen Katina die iranische Führung das amerikanische Schuber t in einem Par teivorstand vor sich Desaster im Irak nutzt, um alte Rechnungen hin dämmern wollen.
zu begleichen, von inneren Problemen abzu- Sicher würde die neue Linke mit der Ge- lenken und regionalen Einfluss auszubauen.
nossin K. K. an der Spitze einen fetten Bat- Mehr noch: Teheran wäre töricht, würde es zen DDR-Vergangenheit los. Denn K. K. ist auf den durch die US-Invasion bedingten ein so junges Rotgardistenblut, dass man Zerfall des Irak nicht offensiv reagieren. Das sie nicht verantwor tlich machen kann für heißt in diesem Fall natürlich, dort mit eige- die »Parade des Soldatenliedes« bei Radio nen Kräften präsent zu sein, was sich durch- DDR I, für Schlager-Süßtafeln mit Kakao- aus als außenpolitische Vorwärtsverteidigung Zusatz oder das Pionier-Manöver Schnee- verstehen lässt. flocke. Auch hat sie ihre ausgefallenen So gesehen, wären die britischen Soldaten Pirouettchen nicht bei Ingo Steuer gelernt.
ein Faustpfand in einem »Geiseldrama« um Und noch was: Berlins knackfrischer Eh- Einflussagenten, von denen Teheran zuletzt renbürger, der Dichter Biermann, könnte hochrangige Spieler an die Gegenseite verlo- über die Genossin K. K. nicht dichten, was ren hat, darunter einen General, der in Istan- er einst über den GenossEN Gysi dichtete: bul spurlos verschwunden (oder desertiert?) »Aber was nützt die populistische Berliner ist. – Und das iranische Atomprogramm? Schnauze, wenn unter der gepuder ten Wer hier Verbindungen sucht, wird fündig, Glatze im abgerichteten Kader-Gehirn der aber auch erkennen, dass dieser Konflikt in alte doktrinäre Quark schimmelt«. Erstens einer anderen Liga ausgetragen wird, die we- kommt die Genossin K. K. aus Sachsen, nig mit einem Grenzstreit und gefangenen und zweitens puder t sie, wenn überhaupt, Briten zu tun hat. Denen ist vorerst die Rol- nur die Nase.
le auf einem Nebenkriegsschauplatz zuge-dacht. Doch das kann sich schnell ändern. ■ Windhundrennen um Mindestlöhne VIELE JÄGER SIND DES HASEN TOD Es sind doch immer wieder die The- Lange gehör ten Mindestlöhne zu jenen Konflikt- Gewerkschaften nicht zu beenden sein. Auch Bekämpfung von Armut trotz Arbeit ein men, die zunächst ganz unverfänglich, themen, die von den Par teien der großen Koali- die Initiativen der Christlichen und der Linken unverzichtbares Essential einer solidari- in ihrem Streitwert beschränkt wirken, tion nur mit spitzen Fingern angepackt wurden.
sind nicht weniger von par teitaktischen schen Sozialstaatsreform. Wo sich die dann die großen Debatten entfa- Und nun das: Der SPD-Par teivorstand star tet Kalkülen geprägt.
Chancen ergeben, verbindliche Mindest- chen. Besonders heftig fiel die Reakti- beherzt eine Unterschriften-Kampagne für ein Was ist nun unter diesen Bedingungen zu löhne zu erreichen, müssen sie genutzt on auf den im Freitag von vergangener Verbot von Lohndumping und für Mindestlöhne.
er war ten? Ein politischer Kompromiss innerhalb werden – gleichgültig, welche Süppchen Woche erschienenen Text von Martin Gewerkschafter der CDU kontern mit einem der großen Koalition scheint möglich. Demnach auf dieser Flamme sonst noch gekocht Krauß, Die Kraft des Tresens aus. Po- eigenen Unterschriftsbegehren gegen Armuts- könnten das Entsendegesetz auf Branchen wie sitionen für und wider das Rauchen in löhne und fordern gar den Gesetzgeber auf, den Einzelhandel, die Forstwir tschaft, das Doch eine so begründete Kooperationsbereit- Kneipen und die Kraußsche Argu- Lohnuntergrenzen festzulegen. Und die Galions- Frisörhandwerk und die Postdienste ausge- schaft kann nur für Mindestlohnregelungen mentation ergießen sich seither in figuren der neuen Linken, Gregor Gysi und weitet und zugleich sittenwidrige Löhne gesetz- gelten, die ihren Namen auch verdienen.
Form von Leserbriefen in die Redak- Oskar Lafontaine, tragen sich mit spitzbübi- lich verboten werden. Die Ausdehnung des Diese sind leicht zu erkennen. Sie sollten tion und die entfachte Debatte wird schem Lächeln und großer Medienaufmerksam- Entsendegesetzes würde es ermöglichen, existierenden Tarifver trägen Vorrang ihren Abdruck in den nächsten Wo- keit in die SPD-Liste ein und kündigen einen vorhandene tarifliche Untergrenzen für allge- einräumen, gesetzlich aber eine Untergrenze chen auf dem für diese Art der Kom- inhaltsgleichen Antrag im Bundestag an.
meinverbindlich zu erklären. Und das Verbot für tariffreie Zonen und unzureichende Tarif- munikation reservierten Platz auf Sei- Warum auf einmal dieses politische Windhund- sittenwidriger Löhne würde Einkommen, die 20 standards definieren und verbindlich te zehn finden. An dieser Stelle sei je- rennen? Und welchem Hasen jagen die Kontra- oder 30 Prozent unter der or tsüblichen oder festlegen. Und diese Untergrenze doch schon mal vorausgeschickt, dass henten da nach? Sicher: Fast drei Millionen Voll- tariflichen Bezahlung liegen, für rechtswidrig dar f, wie vergleichbare Rege- es in diesen Zeiten kein harmloses Ge- zeitbeschäftigte in Deutschland arbeiten für erklären. Soweit, so gut.
lungen in europäischen spräch übers Rauchen mehr gibt – es Armutslöhne, die nicht einmal die Hälfte des Doch durch das Fernglas wird dieser Mindest- geht zugleich immer ums große Durchschnittslohnes betragen. Dunkelziffer lohn-Hase schnell als Attrappe erkennbar. Denn nicht unter einem Stun- Ganze: um nichts weniger als den Frei- nicht berücksichtigt! Stundenlöhne von zwei, wo keine tariflichen Mindestnormen existieren, denlohn von acht Euro heitsbegriff an und für sich und den drei oder vier Euro sind keine Seltenheit, nicht läuft das Entsendegesetz leer, und das wäre in liegen. Darunter dar f symbolischen, beziehungsweise öko- nur in Ostdeutschland und nicht nur im Dienst- den eigentlichen Problembranchen oftmals der nichts gehen! Stünde nomischen Sinn des Rauchens; um leistungssektor. Und über 900.000 Er werbs- Fall. Und ein Verbot sittenwidriger Löhne würde dies am Ende, könnten nichts weniger als die entscheidende tätige erhalten Aufstockungszahlungen, weil ihre auch bedeuten, Armutslöhne von etwa 2,10 auch Betroffene und Frage, ob das Zigaretten-Rauchen Einkommen noch unterhalb der Bedar fsgrenzen Euro im sächsischen Frisörhandwerk, 3,50 Euro (beim Zigarrenrauchen ist das eh klar) von Har tz IV liegen. Das alles ist ein Skandal – im Berliner Bewachungsgewerbe und 4,40 Euro Gefallen an diesem nun dem Kapital hilft oder der Eck- aber es ist auch seit langem bekannt.
im Hamburger Hotel- und Gaststättengewerbe kneipe oder beidem, aber beidem nicht Warum erregt es auf einmal die Gemüter der für rechtskonform zu erklären. Denn die rele- zu helfen ist. Der Autor selbst, das sei politischen Klasse? Kein Zweifel: Die politi- vanten tariflichen Bezugsgrößen liegen eben nur hier nachgetragen, ist übrigens seit schen Akteure treibt – vorsichtig formulier t – 20 bis 30 Prozent darüber. Das alles liefe letzt- neun Jahren Nichtraucher.
nicht ausschließlich die Sorge um das Schicksal lich auf die Karikatur eines Mindestlohns und – Schöne, nach Wunsch auch rauch- der von Armutslöhnen Betroffenen. Hinter der absurder Weise – einen Akzeptanzbeschaffer für freie Feiertage wünscht die Schlussre- SPD-Initiative dür fte sich weniger das neuer- den Niedriglohnsektor hinaus! dakteurin dieser Ausgabe, wachte soziale Gewissen als vielmehr die Mach- Was also tun? Das Rennen wegen unspor tli- terhaltungslogik der Par teistrategen verbergen.
chem Verhalten der Kontrahenten abblasen? Ohne eine Konturierung des sozialen Profils Nein! Die Gewerkschaften haben in den vergan- wird der Sturzflug der SPD in der Wählergunst genen Monaten erheblichen Druck auf die kaum zu stoppen und das Zer wür fnis mit den Bundesregierung ausgeübt. Für sie ist die




Freitag 14
Rachel Vogt Das richtige Leben im falschen »SECOND LIFE« ■ Im virtuellen Raum der US-Betreiberfirma »Linden Lab« tummeln sich fiktive Figuren und reale Konzerne. Es wird viel gehandelt, manchmal auch etwas verdient Hier sieht jeder 15 Jahre jünger aus als Dollars verkauft und sie später wieder in ech- ein US-Doller kostete auf dem Tiefpunkt 291 ber selbst zur ersten Dollarmillionärin bei Se- Was kostet wie viel bei »Second Life«? in Wirklichkeit. Die Frauen haben te Dollars umtauscht, zieht das Unternehmen Linden-Dollar. Erst nachdem Linden Lab die cond Life erklärte und es damit als erste Spiel- Kugelbrüste und lange Haare, die in der Wechselstube Lindex eine Gebühr ab.
Software gesperrt hatte, beruhigte sich der figur auf die Titelblätter renommierter Wirt- 55 Linden-Dollar Männer muskulöse Brustkästen, Die tatsächliche Macht von Linden Lab be- schaftsmagazine wie Business Week und Zwei obszöne Gesten schwere Kiefer und manchmal einen Penis.
steht jedoch auch in der neuesten aller Welten Fortune schaffte. Die Großgrundbesitzerin, 100 Linden-Dollar Die meisten sind leicht bekleidet, einige tra- darin, worin sie in der alten Welt ebenfalls be- Schwebende rosa Penisse die von Linden-Chef Philip Rosedale »die Pistole mit Schalldämpfer gen Flügel, Tiergesichter, Tangas. Wer eine steht: im Besitz von Land. Dass es dieses Regierung« genannt wird, weil sie in ihrem 200 Linden-Dollar besonders feine Haut zeigt, der hat dafür ex- Land nicht wirklich gibt, macht keinen Un- Störaktionen passieren regelmäßig. Als An- Reich eigene Gesetze erlassen hat, kauft uner- 20 Gesichtsausdrücke tra bezahlt.
terschied. Der Wert von Dingen ist ebenso she Chung (mit richtigem Namen Ailin schlossenes Land (also Speicherkapazität auf In der virtuellen Online-Welt Second Life groß wie die Sehnsucht danach.
Graef, eine Deutsch-Chinesin, die mit virtu- den 1.750 Linden-Servern) und lässt von ihren 225 Linden-Dollar bewegen sich die Spielfiguren, so genannte In Second Life gibt es Festland und 4.000 ellen Immobilien wohl als einziger Mensch in Mitarbeitern Landschaften anlegen, bevor sie 40 naturgetreue US-Straßenschilder Avatare, als gingen sie auf Eis. Sie wandern Inseln mit einer Gesamtfläche von 360 Qua- Second Life wirklich reich geworden ist) im diese weiterverkauft. In ihren in China domi- 300 Linden-Dollar mechanisch durch Städte, durch Landschaf- dratkilometern – ein Gebiet etwas größer als Dezember ein Interview geben wollte, wur- zilierten Anshe Chung Studios arbeiten in- Fünf Tiergruppen (Kühe, Schafe, Enten, ten mit fließendem Wasser und Wälder, sie die bayerische Landeshauptstadt München.
de sie mit gigantischen, schwebenden, rosa zwischen rund 30 Programmierer, die luxu- Schweine, Frösche) fliegen oder teleportieren sich in Sekunden an Kaufen darf allerdings nur, wer eine Premi- Penissen zugedeckt, während ein klassisches riöse Orte erschaffen, an denen sich später 300 Linden-Dollar einen anderen Ort, auf einen anderen Konti- um-Mitgliedschaft für zehn Dollar pro Mo- Crescendo ertönte. Selbst Mafia-Clans stei- hübsche und reiche Avatare verlustieren.
Animier te Missionarsstellung nent. Der Begriff Avatar kommt aus dem nat besitzt. Ein Quadratmeter Land kostete gen ein und ruinieren Geschäfte, indem sie Sanskrit und bezeichnet das Herabsteigen ei- im November 6,7 Linden-Dollar – bis Janu- virtuellen Abfall abladen oder Programme Nike, Schwab und Le Pen 450 Linden-Dollar ner Gottheit auf die Erde. Und der Gott hin- ar hatte sich wegen der erhöhten Nachfrage installieren, damit ein Ort von den jeweiligen Kur venreicher Frauenkörper mit Schmoll- ter jedem Avatar ist ein Spieler oder eine Spie- der Preis verdoppelt. Um eine Preisexplosion Rechnern langsamer geladen wird.
Second Life ist mit der Weltwirtschaft ver- mund von Flesh Inc.
lerin. Doch wozu treiben die Götter ihre mit zu verhindern, programmierte Linden Lab Neben solchen Aktionen und Verletzungen bunden. Unzählige Firmen – die Zahlen vari- 500 Linden-Dollar Fantasie-Namen getauften Figuren von über- flugs 800 neue Inseln – bald schon soll ein von Urheberrechten gibt es Markenfälschun- ieren stark – haben bereits ihre eigenen Nie- Set mit 22 Bewegungen (Rennen, Sitzen, all her in diese unübersichtliche Welt? Was weiterer Kontinent auf den Markt kommen.
gen (auch in Second Life herrscht eine uner- derlassungen in dieser Zweiten Welt etabliert: Kriechen, Schwimmen, Fallen, Fliegen ect.) sollen die Figuren in diesem Universum, in Die Betreiberfirma braucht natürlich eine klärliche Lust auf Gucci) und Fälle von Geld- Nike verkauft virtuelle Turnschuhe, Nissan dem es – anders als bei anderen Multiplayer- stabile Währung, um den Kunden gegenüber wäscherei: Second Life kennt die Schatten- hat auf einer eigenen Insel einen Fahrpar- 800 Linden-Dollar Games wie World of Warcraft – keine Unge- vertrauenswürdig auszusehen. Das Unter- spiele einer modernen Wirtschaft besonders cours eingerichtet, Toyota lanciert ein exklu- Hochklassige asiatische Frauenhaut Chihiro, heuer zu schlachten oder magische Schwerter nehmen bestimmt deshalb die Menge von gut. Die Ginko-Bank etwa lockt Avatare mit sives Modell, IBM lässt seine Mitarbeiter zu finden gibt? Die Erklärung lautet: Sie sol- Linden-Land und Linden-Dollar (etwa durch gigantischen Versprechen auf Renditen. Vor- konferieren, American Apparel hat einen vir- 8.500 Linden-Dollar len genau das Gleiche tun wie ihre Lenker in die Erhöhung von Gebühren), um eine Infla- würfe, dass sie diese auszahlt, indem sie sich tuellen Shop mit seinem Online-Shopping- Baum mit drei Baumhaus-Appar tments (mit der realen Welt. Sich unterhalten via SMS, Sex tion zu verhindern. »Unser Ziel ist es, den bei den Einlagen anderer Kunden bedient – Portal verlinkt. Seit Herbst berichtet ein je einer Eingangshalle, zwei Zimmern und ei- haben, sich beschimpfen, um die Ecken zie- Kurs so konstant wie möglich zu halten – ge- ein klassisches kriminelles Schneeballsystem Londoner Korrespondent der Nachrichtena- hen – und Geld in die Hand nehmen. Denn nauso wie es die meisten Länder im globalen praktiziert –, konnten noch nie wirklich ent- gentur Reuters unter dem Namen Adam 9500 Linden-Dollar Second Life ist keine gesellschaftliche Uto- Markt auch versuchen«, meint Linden-Grün- kräftet werden. Was Second Life allerdings Reuters aus Second Life – er hat anlässlich des Hochhaus, 350 Meter hoch pie, sondern ein Markt.
der und -Chef Philip Rosedale. Der Kalifor- nicht kennt, das sind Steuerbehörden. Doch Weltwirtschaftsforums in Davos beispiels- nier hat mit Linden Lab eine Zentralbank ge- die werden allmählich aufgeschreckt vom me- weise den Avatar von dessen Begründer 81.500 Linden-Dollar Virtuelle Dollars – und echte schaffen. Ein wichtiges Instrument der Geld- dialen Hype, der momentan um Second Life Klaus Schwab interviewt, der aussieht wie Monatliche Nutzungsgebühr für rund 66.000 politik freilich fehlt – der Leitzins. Denn Lin- tobt und der über traumhafte dreieinhalb Mil- derjenige Mensch, den Schwab wohl mor- Quadratmeter Land Als die Betreiberfirma, die kalifornische Lin- den Lab verleiht kein Geld. Noch nicht, sagt lionen Spieler schwadroniert. (Linden Lab hat gens im Spiegel gerne sieht: Mäusezähnig wie 465.278 Linden-Dollar den Lab, im Sommer 2003 die Idee einer in- Rosedale und träumt von einer raschen Ein- diese Zahl inzwischen inoffiziell nach unten immer, aber 30 Jahre jünger. Seit Dezember Kaufpreis für rund 66.000 Quadratmeter teraktiven, dreidimensionalen Welt hatte, führung. »Dann hätten wir die traditionelle korrigiert auf knapp zwei Millionen – eine bringt der Springer-Konzern wöchentlich fand sie zwar Geldgeber wie den Ebay- Kontrolle, wie sie Regierungen haben.« – Ed- Angabe, bei der auch jeder einmalige Besu- die englischsprachige Boulevardzeitung The Gründer Pierre Omidyar oder den Amazon- ward Castronova, Professor an der Univer- cher erfasst wird.) Man kann davon ausgehen, Avastar heraus, in der es allerhand zu berich- Erfinder Jeff Bezos – aber keine Spieler. Nach sität von Indiana und einer der wenigen Öko- dass etwa 300.000 Personen regelmäßig im Se- ten gibt: Vom virtuellen Sundance Film Festi- fünf Monaten hielten sich gerade einmal tau- nomen, der sich mit Avataren-Welten aus- cond Life unterwegs sind, davon jeweils rund val etwa, über die Harvard Law School, die send Menschen regelmäßig in der kahlen, lee- kennt, nennt dies eine klassische Geldpolitik: 15.000 gleichzeitig. (Zum Vergleich: Acht diplomatische Niederlassung Schwedens ren Welt auf. Denn in Second Life gab es »Alle Standard-Theorien der Mikro- und Ma- Millionen Leute spielen das Online-Spiel oder über die Attacken auf den Avatar des nichts außer Software und Speicherplatz. Die kroökonomie sind in der virtuellen Welt ge- World of Warcraft.) Die Behörden jedenfalls französischen Rechtspopulisten Jean-Marie Welt sollte von den Usern erfunden werden, nauso anwendbar wie im echten Leben.« schalten sich bisher eher zögernd ein. In den Le Pen, der vor der Präsidentenwahl poten- wie sie auch sich selbst erfanden. Die Grün- Doch bei einem – gemäß Linden Lab – mo- USA, in Großbritannien und Australien wird ziellen Wählern auflauerte.
der dachten schon daran, das Experiment ab- natlichen Wachstum von zehn bis fünfzehn augenblicklich debattiert, ob Gewinne und Als Ziele der mitspielenden Unternehmen zubrechen, entschieden sich aber, weiter zu Prozent können die Dinge schon einmal ins Einkommen, die in der virtuellen Welt erzielt gelten Mitarbeiter-Training, Marktforschung machen, nachdem sie wieder eine Idee hatten.
Schleudern geraten, da es in dieser »Neuen wurden und auch dort verbleiben, versteuert und Publizität. Selbst die PR-Firmen, welche Sie anerkannten geistiges Eigentum. Das be- Welt« keine Richtlinien, Regulationen oder werden sollen oder nicht.
die virtuellen Auftritte begleiten, wollen in deutete fortan, dass alles, was programmiert Kontrollen gibt. Ein allgemeiner Kodex for- Bei den Spielfiguren von Second Life han- erster Linie experimentieren. Sie wollen be- wurde, den Spielenden selbst gehörte. Und dert lediglich artiges Benehmen: »Verhalte delt es sich vorzugsweise um Bodyguards, reit sein, wenn die dreidimensionalen Uni- damit wurde alles käuflich. Der virtuelle dich nicht abfällig!« – »Verhalte dich gesit- Nachtclubbesitzer, Modedesigner, Architek- versen einmal größer sind als eine eingangs Markt war geboren – und er war sehr real.
tet!« – »Störe nicht den öffentlichen Frie- ten, Tänzer, Glücksspielbetreiber und Cam- erwähnte Stadt in Bayern.
Wie also funktioniert dieses Wirtschaftssy- den!« und so weiter. Mehr als die Macht von per (die herumstehen, um andere Leute an- stem? Indem die Betreiberfirma Linden Lab Linden Lab fürchten die Bewohner von Se- zulocken), Prostituierte und Spekulanten.
siehe: http://secondlife.com/ http://secondlife.com /world/de/http://getafirstlife.com / http://secondlife.reu- zwar die User untereinander Handel treiben cond Life denn auch die Gesetzlosigkeit und Verdienen tun sie nicht sonderlich viel. Gera- ters.com / http://www.the-avastar.com. lässt, aber schlussendlich über alle Macht ver- die eigene Verletzlichkeit, die im November de einmal 17.000 Spieler erwirtschaften einen Und als Literatur Michael Rymaszewski et al.: Second Life. fügt: Sie hat eine virtuelle Währung einge- durch eine Hackerattacke offenkundig wur- Gewinn – mehr als die Hälfte davon weniger The Official Guide. Wiley & Sons, 2006. 342 Seiten. Ab Mai führt – den Linden-Dollar – und diesen an de. Die Software Copybot hatte Avatare und als zehn US-Dollar pro Monat. 90 Leute ver- den US-Dollar gekoppelt (1 US-Dollar ent- Objekte kopiert – Second Life-Geschäftsleu- dienen im gleichen Zeitraum über 5.000 Rachel Vogt (35) ist im ersten Leben Journalistin. Sie arbei-tet in Zürich als Redakteurin der WochenZeitung WOZ für spricht rund 270 Linden-Dollar). Wenn Lin- te schlossen aus Protest ihre virtuellen Ge- Dollar. Einzige Ausnahme blieb bislang die die Ressorts Politik und Wirtschaft. Daneben schreibt sie an den Lab den hübschen Avataren virtuelle schäfte und lösten dadurch eine Inflation aus, erwähnte Anshe Chung, die sich im Novem- einem abenteuerlichen Buch über Polarliteratur.
Freitag 14
Körperlich und geistig behinderte Birgit Borsutzky me wie zu Hause. Mit schlechten Erinnerun- Menschen im Rentenalter gab es gen an die Nazi-Zeit habe das nichts zu tun.
Susi müsse rund um die Uhr betreut werden.
in Deutschland bisher kaum. Die »Bleibt sie sich selbst überlassen, dann ver- Jahrgänge vor 1945 waren der kümmert sie«, ist die Mutter überzeugt. Zwar hat Susi eine Schule für geistig behinderteMenschen besucht. Lesen und schreiben »Euthanasie« zum Opfer gefallen.
Nur für den Notfall bleibt kann sie freilich nicht.
Doch werden – nicht zuletzt dank In der 84 Quadratmeter großen Wohnung des medizinischen Fortschritts – hat die Tochter ihr eigenes Zimmer. Auf demTisch neben der Tür steht ein Kassettenre- behinderte Menschen heute älter korder, Bänder mit Volks- und Musical-Mu- als früher. Kinder sollen ihre Eltern sik liegen auf der Fensterbank. Nur das Bett überleben. Ist das Kind im Schrank war noch nie ausgeklappt. Immer pflegebedürftig, müssen Eltern IN DER OBHUT DER FAMILIE BIS ZUM SCHLUSS ■ Seit 51 Jahren betreuen Anna und Horst Radeck ihre schon übernachtet Susi im Schlafzimmer derEltern. »Allein im Dunkeln fürchtet sie sich«, manchmal anders denken. behinderte Tochter und konnten es sich nie anders vorstellen erklärt die Mutter. Und was vor Jahrzehnteneine Möglichkeit schien, dass sich nämlich die Es ist eine gute Geschichte, solange sie Tochter hätte abnabeln und mit Freunden nicht aufhört und Anna Radeck tut, oder Kollegen aus ihrer Werkstatt in eine be- was zu tun ist. An das Ende ihrer Auf- treute Wohngemeinschaft ziehen können – gabe denkt sie nicht. Oder fast nicht.
das sei aus Sicht der Eltern undenkbar gewe- Weil es auch das Ende der Geschichte wäre.
sen. »Damals war das Angebot für Behinder- Keine Zukunft, allein Vergangenheit und Ge- te noch nicht so wie heute.« Und Susi jetzt genwart füllen das Wohnzimmer mit Regeln noch ins kalte Wasser zu stoßen, wäre grau- und Geboten. »Bloß nicht siezen«, sagt die 82-Jährige sofort. Ihre Tochter Susanne ist 51Jahre alt. Wer mit ihr reden will, der sollte sie Das ist die kleine Hoffnung am besten mit »Susi« ansprechen, rät dieMutter.
Das Wohnzimmer der Radecks ließe sich Susi hat das Down-Syndrom. Sie sitzt im ohne weiteres als ein Domizil älterer Men- Schottenrock und rotweiß gestreiften Pul- schen empfinden, würden nicht Kuscheltiere lover auf dem Sofa und freut sich offenbar auf Sofalehne und Tisch liegen. Als Erwach- über den Besuch. Ihre Nägel sind rot lackiert, sene könnte sie ihre Tochter beim besten Wil- sie hört zu, nickt manchmal und lacht. Sie len nicht sehen, meint die Mutter. Entschluss- versteht, was gesprochen wird, und wer län- fähigkeit und Urteilsvermögen fehlten gänz- ger mit ihr redet, versteht auch ihre Antwor- lich. Auf die Frage, ob beides eine notwendi- ten. »Keine Lust zum Malen«, sagt sie und ge Bedingung fürs Erwachsensein sei, zuckt schiebt auf Papier gezeichnete Elefanten von sie mit den Schultern. »Sie ist doch immer sich, als hätte ihr das Malen noch nie Spaß ge- noch ein Kind.« macht. Lieber zeigt sie das Foto ihrer Der Vater zeigt ein Dokument aus dem Jahr Schwimmgruppe. Einmal in der Woche fährt 1995, in dem ein Arzt der Tochter eine aus- die Mutter mit ihr zum Training und gesprochen kindliche Persönlichkeitsstruk- schwimmt gleich mit. Susi spielt auch Tisch- tur attestiert. »Sie muss aus eigenem Willen tennis, übt Gymnastik oder trifft sich mit Ar- ausziehen wollen«, sagt die Mutter. Wie Susi beitskollegen aus der Behindertenwerkstatt.
das ohne eigene Entschlussfähigkeit bewerk- Auf die Frage, ob sie die Behinderung ihrer stelligen soll, bleibt offen.
Tochter schon einmal als Last empfunden Dass sie und ihr Mann selbst zum Pflege- habe, schüttelt die Mutter den Kopf. Statt fall werden oder plötzlich sterben könnten, dass sich alles um Susi drehe, sagt sie, sei die- weiß Anna Radeck. Beim Bruder oder bei se in den Alltag der Familie integriert. Susi der Schwester, die beide mit Anfang 20 aus- wäscht sich morgens allein, zieht sich an und gezogen sind, könnte Susi nicht wohnen.
schmiert das Brot, das die Mutter geschnitten »Die haben ihre Arbeit und nicht die Zeit, sie hat, bevor sie der Minibus in die Werkstatt rund um die Uhr zu betreuen«, weiß die fährt. Manchmal hilft sie auch im Haushalt, Mutter. Die Eltern haben Susi deshalb vor fegt die Küche oder trägt die Tüten vom zehn Jahren für einen Wohnheimplatz ange- Markt nach Hause. Schließlich ist sie kräfti- meldet. Für den Notfall. Damals haben sie ger als die Mutter. Wenn Radecks in den Ur- das erste Mal daran gedacht, dass sie irgend- laub fahren, kommt Susi natürlich mit.
wann vielleicht nicht mehr für ihre Tochtersorgen könnten. Ein Gedanke, der von denRadecks verständlicherweise schnell wieder verbannt wird, über den sie nicht weiter re- Allein im Dunkeln den wollen. »Solange es noch geht, bleibt siebei uns«, sagt die Mutter. Sie selbst sei noch »Ich habe noch Vater und Mutter«, sagt Susi ohne weiteres in der Lage, die Tochter zu be- auf die Frage, ob sie nicht lieber mit Freun- treuen. Vieles gehe nur langsamer als früher.
den oder Arbeitskollegen aus der Werkstatt »Aber bei Susi auch« – und es klingt wie ein zusammen leben würde. Und der Vater, Horst Radeck, meint: »Uns geht es doch gut.
Möglicherweise müssten sie bald damit Warum sollten wir klagen?« Wie seiner Frau rechnen, dass die Tochter an Alzheimer lei- ist dem 82-Jährigen sein Alter nicht anzuse- den werde, denn diese Krankheit treffe Men- hen. Auch finanziell bräuchten sie sich nicht schen mit Down-Syndrom oft sehr viel zu sorgen. Als ehemaliger Postbeamter be- früher als gesunde. Auch alterten sie schnel- komme er eine gute Pension. Außerdem gäbe ler. Unwahrscheinlich sei es nicht, dass die es noch das Pflegegeld und Susis Erwerbsun- Tochter vor den Eltern sterbe. Die Mutter AUS KLEINEN GESTEN WERDEN OFT DIE GRÖSSTEN TATEN.
senkt den Blick, zögert, und dann sagt sie es Anna Radeck glaubt nicht, dass ihre Toch- doch: »Das ist die kleine Hoffnung, die uns ter in einem Heim die gleiche Fürsorge bekä- Wir suchen Menschen, die nach den Sternen Geistig behinderte Menschen im Alter greifen oder anderen dabei helfen. Heldinnen und Helden des Alltags, die mit Mut Der Bundesverein Lebenshilfe schätzt, dass in Deutschland von den etwa 250.000 und Engagement die Welt ein kleines Stück geistig behinderten Erwachsenen, die in Werkstätten arbeiten, 60 bis 70 Prozent verbessern. Leute, die nicht mit dem, was ist, in der Familie, meist bei ihren Eltern leben. »Der Anteil älterer Menschen, die in Kür- zufrieden sind und es auch zu ändern vermögen.
ze das Rentenalter erreichen, ist besonders hoch«, sagt die stellvertretende Bun- desvorsitzende Maren Müller-Erichsen. Viele Eltern, deren geistig behinderte Kin- der bald nach 1945 geboren wurden, seien maßgeblich davon beeinflusst gewesen, dass nach dem Ende der Nazi-Zeit der Gedanke des Gnadentods in vielen Köpfen Helfen Sie uns, diese besonderen Menschen zu noch präsent war und zuweilen auch geäußert wurde. »Die Eltern konnten das kaum finden. Die taz zeichnet ehrenamtliches verarbeiten und fühlen sich nun für ihre – erwachsenen – Kinder allein verantwort- Engagement aus und vergibt zusammen mit einer prominent besetzten Jury jährlich Oft bleiben geistig behinderte Erwachsene für die Eltern ein Leben lang das be- den Panterpreis. Der Preis ist mit 2 x 5 000 Euro treuungsbedürftige Kleinkind. »Die Angehörigen sehen sich dann mehr als bei einer körperlichen Behinderung in der Pflicht, möglichst lange für ihr Kind zu sorgen«, sagt Dr. Stephan Faust, Rechtsanwalt und Berater beim Allgemeinen Behindertenver- Bewerbungsschluss ist der 5. Mai 2007 band Land Brandenburg.
Ob ihr erwachsenes Kind in eine Wohnstätte für Behinderte zieht oder nicht, ent- scheiden die Eltern freilich nicht immer allein. Wer die Heimkosten nicht selbst zah- len kann, beantragt Sozialhilfe. Der Sozialhilfeträger prüft dann, ob eine stationäre Betreuung notwendig ist oder ambulante Hilfen reichen. Dabei steht die Behinder- tenpolitik der stationären Betreuung grundsätzlich kritisch gegenüber. Das Sozial- gesetzbuch (SGB) IX hat 2001 einen Paradigmenwechsel eingeleitet: Das Streben nach Selbstbestimmung und Teilhabe hat den reinen Fürsorgegedanken abgelöst.
So plädiert die Bundesinitiative Daheim statt des Heimauenthalts für mehr ambu- lante Versorgungsstrukturen und den Aufbau kleiner Wohngruppen, um behinder- ten Menschen ein selbst bestimmtes Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.
Ungeachtet dessen bleibt die Frage, was mit geistig behinderten Menschen im Greisenalter passiert, die rund um die Uhr betreut werden müssen. Altenheime sind Der Preis für HeldInnen des Alltags in der Regel dazu nicht in der Lage. Selbsthilfe- und Wohlfahrtsvereine prüfen da- her neue Konzepte, die ein würdevolles Altern für geistig behinderte Menschen er- möglichen. Dass andere Länder Deutschland in dieser Hinsicht voraus sind, hat hi- Mehr Informationen: www.taz.de/panter
storische Gründe: Die NS-Diktatur hat frühere Generationen behinderter Menschen Bewerbungen: die tageszeitung „Panterpreis" Kochstr. 18 10969 Berlin [email protected]
nahezu ausgelöscht. Freitag 14
FREITAG: Derzeit wird in Deutschland stufe festzustellen. Die wäre dann nur das wieder lebhaft über Patientenverfü- »Abfallprodukt« eines solchen Verfahrens.
gungen diskutiert, während die Debat- Die Ausweitung des Pflegebegriffs, das muss te um die anstehende Reform der Pfle- man deutlich sagen, führt aber nicht automa- geversicherung nur schleppend in Gang tisch zu einer Leistungsausweitung und darf kommt. Sehen Sie Bezugspunkte und glauben dies auch nicht.
Sie, dass über Patientenverfügungen disku-tiert wird, weil man über die Pflege nicht Der Druck auf die Pflegekasse entsteht auch, sprechen will? weil Demenzkranke in das Sicherungssystem THOMAS KLIE: Die beiden Gesetzes- der Pflegekasse einbezogen werden sollen. Sie initiativen haben zwar eine thematische Ver- werben seit Jahren dafür, dass das Leben mit bindung, werden aber doch in sehr unter- Demenzkranken nicht nur Last, sondern schiedlichen Kontexten diskutiert. Während auch Gewinn sein kann. es im einen Fall darum geht, wie wir den so- Wir wissen dank unserer Göttinger Kolle- zialstaatlichen Beitrag zur Pflege ausgestalten gen um Andreas Kruse, dass wir in absehba- können, geht es im anderen um die Selbstbe- rer Zeit keine Therapien für Demenzkranke stimmung und Autonomie des Patienten an- haben werden und es in diesem Bereich Hilfe- gesichts von dramatisiert kommunizierten bedarf nicht-pflegerischer Art gibt. Men- Lebensende-Konstellationen – etwa bei schen mit Demenz geben viele Anzeichen für Zufriedenheit, wenn sie unter verträglichenBedingungen und eingebettet in helfende Be- Diese Diskussion wird derzeit in vielen eu- ziehungen leben. Man darf das nicht ver- ropäischen Ländern geführt. klären, aber ihr Leben gelingt offenbar in an- Ja, denken Sie nur an die kürzliche Er- derer Weise, als wir uns mit unserem selbst klärung von 2.000 Ärzten in Frankreich, die kontrollierten Konzept von Zufriedenheit einräumen, sie hätten Menschen zu Tode ge- annehmen. Für uns besteht die kulturelle bracht und sich wünschen, dass dies entkri- Herausforderung darin, dass wir nicht nur minalisiert wird. Ich bin ein entschiedener allen Menschen ein Lebensrecht zusprechen, Gegner einer gesetzlichen Regelung von Pa- sondern auch Lebensqualität und Zugehörig- tientenverfügungen – zumindest zu diesem keit. Das hängt nicht nur von sozialen Siche- Zeitpunkt –, weil Sekundärwirkungen auf ei- rungssystemen ab, sondern von der Grund- ner ganz anderen Ebene zu befürchten sind.
haltung der Gesellschaft. Wir können viel Die Sorge um menschenwürdige Bedingun- dazu beitragen, dass Menschen mit Demenz gen am Lebensende könnte Menschen dazu gewürdigte Menschen sind und sich als sol- bringen, eine Patientenverfügung zu unter- che empfinden.
schreiben. Gerade das wäre dann nicht Aus-druck von Selbstbestimmung. Wir sollten Aber wir pflegen doch gerade unser Bild von also zuerst für Rahmenbedingungen in der Selbstbestimmung und Autonomie? Pflege sorgen, um Menschen nicht aus Angst Der Zivilisationsprozess unserer Gesell- vor einem unwürdigen Lebensende zu ver- Die Erfahrung mit Pflege schaft zielt immer stärker auf die Kontrolle anlassen, in Patientenverfügungen Auswege zwischenmenschlicher Beziehungen und auf Selbstkontrolle ab. Wir bräuchten eine Zivi-lisation zweiter Ordnung, die unsere Gesell- Ende 2005 zählte die Statistik 2,13 Millionen schaft an den kulturellen Wert erinnert, jeden Pflegebedürftige, bis 2040 werden es rund verändert unsere Prioritäten Menschen, unabhängig von dem, was er ist vier Millionen sein. Gleichzeitig verändern und kann und unabhängig von unseren Kon- sich die Lebensumstände, wir müssen mobiler ventionen, als lebenswert und lebendig zu se- und flexibler sein, was sich mit langfristiger hen. Dieser Aspekt ist gerade auch im Kon- Betreuungsarbeit nicht verträgt. Und die IM GESPRÄCH ■ Der Rechtswissenschaftler Thomas Klie über die Reform der Pflegekasse, eine text von Patientenverfügung und Sterbehilfe Pflegekasse steht früher oder später vor dem von großer Bedeutung. Wir dürfen nicht pro- Exodus. Wo sehen Sie Handlungsbedarf? ultimative Familienpolitik und die Notwendigkeit, eine »Zivilisation zweiter Ordnung« zu schaffen vozieren, dass pflegebedürftige oder de- Die Sicherung der Pflege ist auf Dauer über menzkranke Menschen ihr Leben als lebens- die Pflegeversicherung nicht möglich, sie ist Marktflexibilisierung sein. Die Pflegeversi- unwert betrachten. Und denken Sie daran, auf die Solidaritätsbereitschaft in Familien Nachdem am 1. April der erste Teil der Ge- Um ein Szenario wie bei der Gesundheits- cherung ist primär für die Betroffenen da und dass viele Menschen, wenn sie über 40 sind – und in der Partnerschaft angewiesen, aber sundheitsreform in Kraft getreten ist und reform zu vermeiden, wollte Gesund- keine Versicherung der Dienste.
und ich gehöre dazu – Erfahrung mit Pflege eben auch auf die Solidarität zwischen den das Gesundheitsministerium in einer heitsministerin Schmidt ursprünglich ge- haben und sagen, das hat die Prioritäten in Generationen. Mit der innerfamiliären Pfle- großangelegten Anzeigenkampagne verba- meinsam mit ihren Kollegen Horst Seeho- Derzeit werden zwei Drittel aller Pflegebe- meinem Leben verändert.
gebereitschaft in dem tatsächlichen Ausmaß le Beruhigungspillen verabreicht, ist die fer und Ursula von der Leyen bis Frühjahr dürftigen zuhause versorgt, rund 670.000 im hat der Gesetzgeber 1994 bei der Einführung nächste Sozialbaustelle, die Reform der ein Konzept vorlegen. Doch die exklusiv ta- Heim. Obwohl das Heim aber erheblich teu- Das Gespräch führte Ulrike Baureithel der Pflegeversicherung nicht gerechnet. Die Pflegekasse, schon weiträumig abge- gende Runde wurde im März durch einen rer ist, hat man den Eindruck, dass das Prin- Pflegekasse wäre schon um die Jahrhundert- steckt. Die 1995 eingeführte und im Ge- Querschuss aus Bayern aufgeschreckt: zip »ambulant vor stationär« von der Politik Professor Dr. Thomas Klie lehrt öffent-liches Recht und Verwaltungswissen- wende finanziell am Ende gewesen, wenn die gensatz zu den übrigen Sozialkassen von Sozialministerin Christa Stewens schlug gar nicht erwünscht ist, denn je nach Pflege- schaften an der Fachhochschule Frei- damals angenommenen Bedingungen einge- den Versicherten alleine finanzierte Pflege- vor, die Pflegekasse durch die Einführung stufe wird die stationäre Unterbringung stär- burg und ist unter anderem Experte für treten wären. Schon da war bereits absehbar, versicherung wird weder die Schwankun- von pauschal sechs Euro pro Versicher ten ker subventioniert als die ambulante. Wie er- soziale Gerontologie und zivilgesell- dass ein umlagefinanziertes System langfri- gen auf dem Arbeitsmarkt noch die demo- finanziell zu stabilisieren. Diese »kleine« klären Sie sich das? stig keine Zukunft hat. Das war durchsetzbar, grafischen Veränderungen der kommenden Kopfpauschale wurde seitens der SPD, Die Abwägungen ob Heim oder nicht weil die Bevölkerung an das System der So- Jahrzehnte auffangen können. Zwar ist die die lieber auf eine moderate Beitragsan- Heim sind bei den Betroffenen meist ökono- zialversicherung glaubt und hofft, dass es Sta- Pflegekasse keine Rundum-Versicherung, hebung setzt, schon aus ideologischen mischer Art: Es wird überlegt, was das Heim bilität schafft. Wir werden aber ein solches Si- sondern gewähr t nur eine Grundversor- Gründen ver wor fen. Der im Hinblick auf kostet, weil durch die Zuzahlung möglicher- cherungsniveau, wie wir es heute haben, für gung. Doch seit ihrer Einführung wurde der die Gesundheitsreform beigelegte Streit weise ein Erbe verloren geht oder die Kinder nachfolgende Generationen nicht erhalten Beitragssatz von 1,7 Prozent – abgesehen Kopfpauschale versus Bürger versiche- zuzahlen müssen. Oder es wird abgewogen, vom so genannten Kinderlosen-Zuschlag – rung droht sich im »Pflegefall« zu wieder- welche Nachteile mit der Pflege verbunden nie erhöht, und auch die Pflegesätze wur- sind, für den Beruf oder für den Urlaub, und Plädieren Sie stattdessen eher für kapitalge- den seither nicht angepasst. Inzwischen Die Sozialdemokraten wollen dieses Mal wie sie die Familie belastet. Auch das sind müssen 28 Prozent aller Pflegebedür ftigen auch die Privatversicher ten mit ins Boot letztlich ökonomische Erwägungen, die viel Ich würde für eine Mischfinanzierung plä- und mehr als die Hälfte der Heimbewohner holen, weil sie das derzeitige System für stärker wirken als moralische. Dies und das dieren – aus Umlage, Kapital und Steuer – (in Pflegestufe III) aus eigener Tasche drauf- ungerecht halten. Diese zahlen bisher generell schlechte Image von Heimen führen und schauen, wie die Mittel effektiv einzu- zahlen oder bei Bedür ftigkeit Sozialhilfe in zwar weniger ein, erhalten aber die glei- zu einer deutlichen Begrenzung der Heim- setzen sind. Pflege bleibt eine sozialstaatli- Anspruch nehmen. chen Leistungen aus der Kasse. Dieser unterbringungen Zusätzlich wird mancher- Die Flaschenpost für
che Aufgabe. Sie wird überwiegend in Netz- Doch nicht nur der finanzielle Rahmen der Vorstoß findet auch Unterstützung in der orts geprüft, ob bei Pflegestufe I überhaupt werken geleistet – traditionell in Familien, Kasse soll überdacht werden, sondern Opposition. In einem bereits Ende ver- eine Heimbedürftigkeit vorliegt, wenn die Herausgegeben vom Bund gegen Anpassung künftig vielleicht auch in anderen Netzwer- auch die Rahmenbedingungen der Pflege.
gangenen Jahres vorgestellten Reformpa- Sozialhilfe zuzahlen müsste. Sie haben aber ken. Wenn man will, dass dies so bleibt – So sind heute demenzkranke Menschen pier drängen die Grünen auf eine solidari- insofern recht, als sehr viel Geld aus dem Wollen Sie sie nicht doch mal lesen? trotz rückläufiger Kinderzahlen, einer immer noch erheblich schlechter versorgt, sche Finanzierung der Pflege, zumindest Topf der Pflegeversicherung in die Heime höheren Frauenerwerbstätigkeit und zuneh- weil sich die Pflegebedür ftigkeit vor wie- aber auf die Einführung eines Finanzaus- geht und das Leistungsrecht mit dem Grund- mender Mobilität – dann muss man inves- gend an ihrer körperlichen Ver fassung ori- gleichs zwischen privater und gesetzlicher satz ambulant vor stationär nicht Ernst tieren in die Pflegebereitschaft der Men- entier t, ihr Pflegebedar f unter Umständen Versicherung und auf den Aufbau einer schen und entsprechende Rahmenbedin- aber größer ist als bei körperlich Einge- Demographiereser ve. gungen schaffen. Pflegepolitik ist vor allem schränkten. Ein wichtiger Neuansatz könn- Die unionsregier ten Länder reagier ten auf auch Familienpolitik. Nicht nur Kinderer- te auch die Einführung des persönlichen den bayrischen Alleingang eher verhalten, Für uns besteht die kulturelle Heraus- ziehung und Berufstätigkeit sollten zu ver- Pflegebudgets sein, das seit 2004 bereits vor allem, weil mit sechs zusätzlichen forderung darin, dass wir nicht nur allen einbaren sein, sondern wir müssen auch die im Behinder tenbereich getestet wird.
Euro keine Pflege zu machen ist, auch Pflegearbeit und die Transferleistungen dar- Statt an die Dienstleister oder Heime zahlt wenn sie über zwanzig Jahre angespar t Menschen ein Lebensrecht zusprechen, auf ausrichten.
die Pflegekasse unmittelbar an die Be- und verzinst werden. sondern auch Lebensqualität und troffenen, die eigenständig Leistungen Bemerkenswer t ist, dass in den letzten auf dem Markt einkaufen. Zur Disposition Wochen zwar viel über das individuell be- stehen auch die starren Pflegestufen, die stimmte und geplante Lebensende dis- Wenn die Familien kleiner werden, wird es dazu führen, dass gute Pflege – etwa wenn kutier t wird, aber nicht über würdiges sich ein Patient so gut erholt, dass er in Leben im Alter. Die Reform der Pflege- wichtiger, dass man Netzwerke mit einem Seit Jahren gibt es eine Diskussion, dass dem die jeweils niedrigere Stufe kommt – be- kasse könnte hierzu endlich ein Anlass Leistungsrecht ein unzulänglicher Pflegebe- gemeinsamen Wertehintergrund pflegt straft wird.
griff zugrunde liegt, weil er einseitig am kör-perlichen Befinden orientiert ist. Das Mini-sterium hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um Aber nimmt die Pflegebereitschaft in den Fa- ein Leitbild der geteilten Verantwortung set- Alle Beteiligten beklagen, dass seit 1995 die den Pflegebegriff zu überarbeiten. Wie be- milien nicht generell ab? Wie haben wir uns zen: Familienangehörige, Freunde und auch Pflegesätze nicht mehr angehoben wurden. werten Sie diese Debatte und auf welche Wei- die von Ihnen genannten Netzwerke vorzu- bürgerschaftlich Engagierte teilen sich die Was müsste hier passieren? se würden Sie sich den Pflegebegriff ausge- Aufgaben mit den Fachkräften und andern Durch eine stärkere Flexibilisierung der dehnt wünschen? Nach wie vor gelingt es vielen Familien im- Berufstätigen, die bei der Assistenz Aufgaben Leistung und des Marktes ließe sich eine Pflege dient ja der Sicherung der Lebens- mer noch – bei allen Belastungen, die das mit deutlich höhere Bedarfsdeckung erzielen, das qualität, und mir erscheint bei der Überar- 86 S., 7 Abb., € 4.50 (Abo: 6 Hefte, € 30.50 inkl. Versand) / ISSN 0930-0503 sich bringt – die Pflege ihrer Angehörigen zu zeigen die Erfahrungen mit dem personenbe- beitung des Pflegebegriffs wichtig, dass künf- Aus der neuesten Ausgabe: Fritz Erik Hoevels: .
sichern. Dennoch gibt es regionale und mi- Das heißt, wir brauchen neue Unterstüt- zogenen Pflegebudget, das wir aus dem Be- tig alle relevanten Bedarfe erhoben werden, oder ein Nationalsozialist . • Kurt Tucholsky: Der lieuspezifische Unterschiede. Die Bereit- zungsmodelle, die die Last der Angehörigen hindertenbereich kennen. Unter der Voraus- auch die, die über das hinausgehen, was die Exodus • Kurt Tucholsky: Der Reichstagsbericht • Aus schaft, allein und ohne professionelle Unter- setzung, dass nicht alles geleistet werden Pflegeversicherung bisher zu leisten in der der Welt der Ideologeme (V): Was ich schon immermal kapieren wollte • Angela Virjat: Verräterischer US- stützung zu pflegen, ist im bürgerlichen Mi- Die Last muss verteilt werden, würde ich kann, überlässt man es dem Betroffenen, der Lage ist. Notwendig sind auch Maßnahmen, Hang zur Symbolik • Hetze gegen Leipziger Stadtschü- lieu sehr viel weniger ausgeprägt als in der sagen. Alleinpflegende Angehörige sind oft fachlich beraten darüber entscheidet, was um die Pflegebedürftigkeit zu verhindern lersprecher • Kerstin Steinbach: Obermaier und traditionellen Unterschicht, insbesondere im überfordert, und Depressionen sind in dieser ihm besonders wichtig ist. Man könnte aber und es pflegebedürftigen Menschen ermögli- Schwarzer – und das soll alles gewesen sein? • Der Migrantenmilieu oder in Haushalten, die auf Gruppe besonders verbreitet. Das Leitbild auch die Leistungserbringer einladen, flexible chen, an der Gesellschaft teilhaben zu kön- unterschlagene Fall José Maria Sison: EU entrechtetauf US-Befehl heimlich Oppositionelle das Pflegegeld angewiesen sind. Wenn aber »Heldin der Pflege« ist einfach nicht mehr Leistungspakete anzubieten, die sich von den nen. Sie müssten zusammen mit Fachkräften die Familien kleiner werden, wird es wichti- zeitgemäß und gefährlich für sie selbst und aushandeln können, was geboten und was in- ger, dass man Netzwerke mit einem gemein- die Pflegebedürftigen, weil die Isolation und lösen. Dagegen wehren sich die Pflegedien- dividuell erwünscht wird, so etwa wie das in samen Wertehintergrund pflegt. Wir brau- die auf zwei Personen konzentrierte Pflege- ste, die Einkommensverluste befürchten und den Niederlanden der Fall ist. Das hätte eine Postfach 6569, 79041 Freiburg, Tel: 0761/502303, Fax: 502247 Bestellungen per e-mail: [email protected] oder über Warenkorb auf chen solche modernen leistungsfähigen situation überfordert. Unter Umständen die bisherigen Tarife nicht verlieren wollen.
Veränderung der Begutachtung zur Folge, Netzwerke, und wir sollten viel stärker auf kann das in einer Gewaltspirale münden.
Das kann aber kein Argument gegen eine weil es ja nicht nur darum ginge, eine Pflege- Freitag 14
Die Polizei steht derzeit nicht gut da: In Jalloh in Polizeigewahrsam 2005 verantwor- Berlin äußern sich Polizeischüler an- ten müssen, wäre ohne den zähen Kampf von tisemitisch und wollen nichts über Flüchtlingsgruppen und antirassistischen den Holocaust wissen. In Frank- Initiativen nicht zustande gekommen.
furt/Main tauscht Michel Friedmans ehema- »Die gängige Praxis, Verfahren einzustellen, liger Personenschützer nach Dienstschluss schwächt das Unrechtsbewusstsein in der Po- symbolisch die grüne gegen die braune Uni- lizei und ist für die Opfer psychisch verhee- form. In Dessau stehen zwei Polizisten vor rend«, meint Helga Seyb, Mitarbeiterin der Gericht, weil in ihrem Gewahrsam ein gefes- Beratungsstelle Reach Out in Berlin. »Gera- selter Asylbewerber zu Tode kam. Sind Poli- de Migranten haben oft ein großes Vertrauen zisten notorisch rechts, rassistisch und ge- in die deutsche Demokratie. Werden sie Op- fer rassistisch motivierter Polizeigewalt und In regelmäßigen Abständen kommen Fälle ihnen wird nicht geglaubt, weil Aussage gegen an die Öffentlichkeit, die Anlass zur Sorge ge- Aussage steht und die der Beamten schwerer ben, und genauso regelmäßig wird von Ver- gewichtet wird, sind sie doppelt traumatisiert waltung und Politik beteuert, es handle sich und aus der Bahn geworfen.« um Einzelfälle, um »schwarze Schafe«. Die In seinem letzten Länderbericht fordert der Polizei könne nur Spiegelbild der Gesellschaft UN-Menschenrechtsausschuss die deut- sein, heißt es abwehrend, eine Perspektive, die schen Ermittlungsbehörden auf, alle Miss- angesichts des wachsenden Neonazismus und handlungsvorwürfe vor Gericht zu klären, der weiten Verbreitung von Fremdenfeind- und rügt abschreckende Gegenanzeigen we- lichkeit und Rassismus wenig beruhigend ist, gen »Widerstands gegen die Staatsgewalt« vor allem für die potenziellen Opfer polizei- oder »Verleumdung« durch die beschuldig- licher Übergriffe. In der Regel sind es linke ten Beamten. Wie abschreckend die Wirkung Demonstranten und Angehörige von Min- solcher Anzeigen vor allem für Ausländerin- derheiten mit »geringer Beschwerdemacht«, nen und Ausländer ist, lässt sich daran er- wie es im Fachjargon heißt. Deutlich über- messen, dass eine Verurteilung bedeuten proportional betroffen sind Asylbewerberin- kann, die Aufenthaltsgenehmigung zu verlie- nen und -bewerber und Migranten und unter ren. Angst vor Gegenanzeigen und hohen ihnen wiederum Menschen afrikanischerHerkunft. Je dunkler die Haut, umso größerdas Risiko, Polizeiopfer zu werden.
Seit Jahren wird die Bundesregierung In Zahlen ist das Ausmaß des Problems angemahnt, unabhängige Kontroll- nicht bekannt, denn eine systematische Er-fassung von Beschwerden und Anzeigen ge- instanzen einzurichten, aber die deutsche gen Polizeibeamte findet trotz mehrfacher Polizei wehrt sich massiv dagegen Aufforderung durch Amnesty International bis heute nicht statt. Die Menschenrechtsor- Demonstration vor dem Landgericht in Dessau im Gedenken an Oury Jalloh, der 2005 im Polizeigewahrsam ums Leben kam ganisation dokumentierte von 1993 bis 2003 Verfahrenskosten, die Gewöhnung an Schi- annähernd 200 Berichte über Willkür, Mis- kanen und fehlende Rechtskenntnisse lassen Beate Selders shandlungen und unrechtmäßigen Gewalt- eine hohe Dunkelziffer vermuten.
einsatz durch Polizeibeamte bei Personen- Reinhard Mokros, Dozent an der Polizei- kontrollen, Festnahmen oder in Polizeige- Fachhochschule Nordrhein-Westfalen und wahrsam. Fälle, die in die Presse gelangten ehemaliger Vorsitzender der Humanistischen oder bei Amnesty gemeldet wurden. Einige Union, sieht die Ursachen für unrechtmäßi- Je dunkler die Haut, übernahm der UN-Sonderberichterstatter ge Polizeigewalt in strukturellen Problemen für Folter. Auch die Menschenrechtsgremien des Apparates und in Diskursen wie der res- des Europarates äußerten sich mehrmals be- sentimentgeladenen Asyl- und Integrati- sorgt über Misshandlungen und Todesfälle onsdebatte der vergangenen zwei Jahrzehnte.
insbesondere bei Abschiebungen.
»Außerdem entstehen strukturelle Probleme umso größer das Risiko Seit Jahren wird die Bundesregierung auf durch die Gesetzeslage«, meint der erfahrene europäischer wie auf UN-Ebene angemahnt, Polizeioberrat. »Die Residenzpflicht, die unabhängige Beschwerdestellen und Kon- Asylbewerbern und Geduldeten verbietet, trollinstanzen einzurichten, um ihre Ver- den zugewiesenen Landkreis zu verlassen, POLIZEI UND RASSISMUS ■ Wenn es in Fällen von Polizeigewalt gegen Migranten überhaupt zu pflichtungen aus internationalen Menschen- und Fahndungen nach ›Illegalen‹ lenken die rechtsabkommen einzuhalten. Aber die Lan- Ermittlungen kommt, werden die Verfahren meist frühzeitig eingestellt polizeiliche Aufmerksamkeit zwangsläufig desdienstherren der deutschen Polizei weh- auf ethnische Merkmale.« ren sich massiv dagegen. Einzige Ausnahme setzung der Kommission. Auch die CDU Gewaltmonopols, die in den meisten eu- en, so die Argumentation auch von SPD-Po- Ein fremdländisches Aussehen stellt Men- war bisher Hamburg. Nach einer unüberseh- hatte von Anfang an Front gemacht gegen ropäischen Nachbarländern bereits seit eini- litikern wie dem Berliner Innensenator Kör- schen bereits wegen ihrer bloßen Anwesen- baren Häufung von Misshandlungsfällen eine vermeintliche Unterhöhlung der Auto- gen Jahren Standard ist.
ting. Das allerdings sehen sowohl Bürger- heit unter Kriminalitätsverdacht. Wo es mehr wurde auf Initiative der regierungsbeteiligten rität der Staatsgewalt durch das Gremium, Immer wieder wird in Polizeikreisen rechtsorganisationen als auch EU- und UN- Kontrollen gibt, wird auch mehr gefunden – Grün-Alternativen Liste 1998 eine unabhän- unterstützt von der Gewerkschaft der Poli- schlicht behauptet, es bestehe kein Bedarf an Menschenrechtsgremien völlig anders. Sie Verdachtsmomente, die sich in Anzeigen und gige Polizeikommission eingerichtet. Nur zei. Deren Vorsitzender Konrad Freiberg ist Kontrollinstanzen. Beweisen sollen dies aus- werten die häufige Einstellung von Ermitt- in der Polizeistatistik als Ausländerkrimina- drei Jahre konnte sie als Beschwerdestelle für bis heute der Meinung, externe Kontroll- gerechnet die hohe Einstellungsquote von lungsverfahren als Indiz für die geringe Be- lität niederschlagen. Ein Teufelskreis, denn Bürgerinnen und Bürger wie auch für Mit- instanzen würden die Unabhängigkeit der Ermittlungsverfahren gegen die Polizei und reitschaft der Polizei, gegen die eigenen Leu- ihre Voreingenommenheit und rassistischen glieder des Polizeidienstes arbeiten, mit dem Justiz in Frage stellen und ein zersetzendes die wenigen Verurteilungen von Polizisten.
te zu ermitteln. Staatsanwaltschaften könn- Ressentiments begründen Polizeibedienstete Ziel, strukturelle Mängel aufzuspüren und Misstrauen gegen die Institution Polizei eta- So wurden zum Beispiel 2004 in Berlin von ten wiederum durch ihre institutionelle Nähe mit dieser vermeintlich hohen Ausländerkri- Veränderungsvorschläge zu machen. Die er- blieren. Erstaunlich, handelt es sich doch um 766 Ermittlungsverfahren 759 eingestellt.
zur Polizei befangen sein. Auch der Prozess minalität, so das Ergebnis von Befragungen ste Amtshandlung des Innensenators »Rich- eine sehr naheliegende, demokratische Kon- Nur ein Prozent kam vor Gericht. Daran gegen zwei Polizeibeamte aus Dessau, die im Rahmen verschiedener wissenschaftlicher ter Gnadenlos«, Ronald Schill, war die Ab- trolle des wichtigsten Teils des staatlichen sähe man doch, dass die Vorwürfe haltlos sei- sich für den Tod des Asylbewerbers Oury Rassistische Motive? Wie schätzen Sie den Prozessverlauf ein? Ausgang des Verfahrens haben deshalb für tigen. Wie realistisch ist das im laufenden Ver- Die Nebenklage kann bereits einen wichti- alle davon Betroffenen eine große Bedeu- gen Erfolg verbuchen: Gegen den ursprüng- tung. Die verzögerte Reaktion auf die Alarm- Das ist ein schwieriges Unterfangen, denn in lichen Willen des Vorsitzenden Richters wird zeichen aus der Gewahrsamszelle, wie sie ei- Strafprozessen werden die gesellschaftlichen künftig auch jener Todesfall in dem Prozess nem der Angeklagten zum Vorwurf gemacht Implikationen und Hintergründe solcher Fäl- verhandelt, der sich bereits 2002 in derselben wird, könnte auch rassistisch motiviert sein – le systematisch »kleingearbeitet«. Hier pro- IM GESPRÄCH ■ Der Rechtsanwalt und Menschenrechtsexperte Rolf Zelle des Dessauer Polizeireviers ereignete.
wenn man etwa die zynischen Redensarten zessual gegenzusteuern, ist die schwierige Gössner über den in Dessau verhandelten Fall des Asylbewerbers Damals starb ein 36-jähriger Obdachloser im über den Gefangenen bei den beiden Tele- Aufgabe der Nebenklage. Zu den Aufgaben Oury Jalloh, der im Januar 2005 in einer Polizeizelle verbrannte Gewahrsam – und Dienst tat einer der jetzt fongesprächen entsprechend deutet, die der der Prozessbeobachter gehört es, diesen Kon- anklagten Polizeibeamten, dem schon damals Angeklagte mit dem Arzt führte, der Jahllos text in der Öffentlichkeit deutlich zu machen.
Nachlässigkeit vorgeworfen wurde. Die bis- Gewahrsamstauglichkeit festgestellt hatte.
Das Gespräch führte Beate Selders Seit voriger Woche findet vor dem Landgericht Normalbürger und anders als Migranten oh- herigen Zeugenvernehmungen ergeben im Spendenkonto für Prozesskosten: Antirassistische Initiati- Dessau ein Strafverfahren gegen zwei Polizei- Übrigen ein teilweise erschreckendes Bild Die internationale Beobachtergruppe fordert, ve e.V. Kto. 3039600, BLZ: 10020500, Bank für Sozialwirt- beamte statt, die mutmaßlich für den tragischen von einer Sicherheitsbehörde, in der »Sicher- den gesellschaftlichen Kontext zu berücksich- schaft, Stichwort: Dessau Verbrennungstod des Asylbewerbers Oury Jalloh Ist in dem Fall besonders schlampig ermittelt heit« offenbar über Menschenwürde und verantwortlich sind. Die Anklage lautet auf Kör- Bürgerrecht gestellt wird, in der Kontroll- perverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen Bisher kann meines Erachtens nicht davon gänge nachlässig absolviert werden, in der es und auf fahrlässige Tötung. Der Bürgerkriegs- gesprochen werden – abgesehen von der kaum Schulungen gibt, geschweige denn aus- flüchtling aus Sierra Leone war Anfang 2005 in mutmaßlichen Verschleppung des Verfah- reichende Brandschutzmaßnahmen. Am betrunkenem Zustand in Polizeigewahrsam ge- rens, das sich schon über zwei Jahre hinzieht.
Ende verwandelte sich der Sicherheitsge- raten. Die Polizisten fesselten ihn an Händen Die Staatsanwaltschaft hat aber gravierende wahrsam in eine Todesfalle.
und Füßen und ließen ihn an seine Matratze fi- Widersprüche des Geschehens ignoriert und xiert allein zurück. In dieser Sicherheitszelle frühzeitig die Version der angeklagten Poli- Spüren Sie eine Auswirkung der internatio- verbrannte er am 7. Januar 2005, weil die Be- zeibeamten übernommen. Danach habe das nalen Beobachtung auf den Prozessverlauf? antem trotz Alarmzeichen nicht rechtzeitig rea- Opfer die schwer entflammbare Matratze, Das ist schwer zu sagen. Es ist sicherlich trotz Fesselung an allen Gliedmaßen, selbst wichtig, dass diese internationale Prozessbe- Eine internationale Delegation beobachtet angezündet – mit einem Feuerzeug, das bei obachtergruppe vor Ort ist. Sie drängt auf diesen Aufsehen erregenden Prozess vor dem der intensiven Personenkontrolle übersehen eine rückhaltlose Aufklärung des Falles und Landgericht. Der Rechtsanwalt Rolf Gössner, worden sein soll und nach dem Brand erst bei auf Entschädigung der Familie des Toten.
Präsident der Internationalen Liga für Men- einer zweiten Zellen-Durchsuchung gefun- schenrechte, ist Mitglied der Delegation.
den wurde. Es sind auch gänzlich andere Ge- Wie begründet die Beobachtergruppe ihren schehensabläufe denkbar, die im Laufe des FREITAG: Was wäre ohne den öffentli- Prozesses untersucht werden müssen. Noch ist der Rassismusvorwurf nicht zu chen Druck aus dem Vorfall geworden? beweisen, auch wenn manche schon heute ROLF GÖSSNER: Eine hypotheti- Halten Sie die These, es handele sich um einen von »Mord aus rassistischen Motiven« spre- sche Frage – aber es ist schon als Erfolg Mord zur Vertuschung von Misshandlungen chen. Aber es gibt Anzeichen dafür, dass das zu werten, dass das Verfahren nicht sang- und auf der Polizeiwache, für wahrscheinlich? Verhalten der Angeklagten rassistisch ge- klanglos eingestellt worden ist, wie so häufig Nach dem bisherigen Verlauf der Haupt- prägt sein könnte. Das betrifft bereits die Per- bei Todesfällen auf Polizeirevieren und durch verhandlung gibt es hierfür keine Anhalts- sonenkontrolle, die zur Festnahme führte.
punkte. Es ist zwar richtig, dass Oury Jalloh Jalloh hatte einen gültigen Ausweis bei sich vor seinem Tod Verletzungen erlitten haben und erst wenige Monate zuvor war auf dem- Halten Sie das Gericht für befangen? muss – etwa einen Nasenbeinbruch, der erst selben Revier seine Identität überprüft wor- Mitunter kommen Zweifel an der Unvor- in einer zweiten, von seinen Freunden initi- den, was einer der Angeklagten wusste. Sol- eingenommenheit des Vorsitzenden Richters ierten Obduktion zu Tage getreten ist. Doch che wiederholten, oft schikanösen Prozedu- auf, wenn er einen afrikanischen Zeugen her- ein Kausalzusammenhang zwischen diesen ren erleben Flüchtlinge und besonders ablassend behandelt, während er Polizeizeu- Vorverletzungen und dem gewaltsamen Tod Schwarzafrikaner hierzulande täglich. Man gen, und seien sie noch so dreist, öfter hilf- lässt sich bislang nicht nachweisen. Aller- hat es im Gerichtssaal, wo viele Schwarze reich zur Seite springt. Hier scheint das no- dings muss im Prozess mit Nachdruck dieser dem Prozess folgen, förmlich gespürt, dass in torische Muster auf, demzufolge Beamte vor Möglichkeit nachgegangen werden, auch diesem Verfahren auch ihre demütigenden Gericht oft anders behandelt werden als wenn sie noch so unglaublich scheint.
Alltagserfahrungen Thema sind. Verlauf und Freitag 14
Hugo Velarde Eine »Neugründung Boliviens« Der berühmteste Bolivianer aller Zei- ten« – so artikuliert sich der Stolz lin-ker Bolivianer, aber auch der Miss-mut ihrer rassistischen rechten Kon- trahenten, die dieses Lob mit zynischem Un-terton versehen – der 47-jährige indigenePräsident Evo Morales sorgt wieder für Auf- Zwischen Reform Als Evo Morales im Januar 2006 für das höchste Staatsamt Boliviens vereidigt wurde, er- klärte er, dieser Triumph gehöre ihm nicht allein, sondern gelte zugleich all denen, die von der Geschichte diskriminiert und marginalisiert worden seien – und nie in das politische Geschehen des Landes integriert waren. Sein bald darauf verkündetes Projekt eines »Neu- sehen. Mit dem für ihn typischen Pathos der en Boliviens« reichte von der Legalisierung des Koka-Anbaus bis hin zur Verfügungsgewalt Bescheidenheit kündigt er vorgezogene Wah-len für 2008 an, bei denen er selbst nicht mehrkandidieren will. So präsentiert sich ein De-mokrat wie aus dem Bilderbuch. HugoChávez, so das venezolanische Fernsehen, und Katastrophe des Staates über seine natürlichen Ressourcen und zwar ohne Abstriche. Einen mit hi- storischen Symbolen versetzten Patriotismus vor Augen, der die »Neugründung Boliviens« zum Ziel erklärte, setzte die Regierung Morales deshalb für den 2. Juli 2006 Wahlen zu einer Verfassunggebenden Versammlung an. Ein Votum, das zwar von der Bewegung zum Sozialismus (MAS) klar gewonnen wurde, aber nicht die erhoffte Zwei-Drittel-Mehrheit von soll den Kopf geschüttelt haben.
255 Sitze bescherte. Damit stand außer Zweifel, dass der Regierung erhebliche Kom- Es war zweifellos eine Sensation, als der BOLIVIEN ■ Evo Morales' linker Verfassungspatriotismus promisse nicht eingespart bleiben würden.
einstige Kokabauer aus dem verschlafenenDorf Orinoca in der Minenprovinz Oruro und die Sackgasse von Sucre mit seiner Bewegung zum Sozialismus (MAS)am 18. Dezember 2005 mit 54 Prozent derStimmen die Wahlen gewann und als ersterIndigener Boliviens am 22. Januar 2006 die (bestenfalls könnte ihn Vizepräsident Alvaro gelt die immer wieder aufflammende Gefahr Staatsgeschäfte übernehmen konnte. Am 1.
García ersetzen). Um so mehr sind seine An- eines Bürgerkrieges, der eine Katastrophe für Mai 2006 schon erfüllte Morales eines seiner hänger überrascht und entrüstet, während die das ganze Land bedeuten würde. Versprechen, indem er die Öl- und Gasindu- Opposition von einem »cleverem Manöver« Sollte freilich die überfällige Verfassungsre- strie verstaatlichte und weitere Reformen in spricht, um von augenblicklichen Krisen – form vollends scheitern, dann will Evo Mo- der Landwirtschaft und im Bergbau einleite- etwa einer Korruptionsaffäre, in die MAS- rales dafür offenkundig nicht verantwortlich te. All dies verlief nach Plan und konnte nach Mitglieder verwickelt sind – abzulenken.
sein und kündigt deshalb eine möglicherwei- der anfänglichen Hysterie, die von den mul- Ob es sich um ein »Manöver« oder eher ei- se vorzeitige Demission an. Das hat wenig tinationalen Konzernen wie von rechten Kri- nen klugen Schachzug handelt, ist schwer zu mit »Manövern« oder »Machtspielen«, son- tikern geschürt wurde, mit »Rationalität und beurteilen. Unwiderruflich jedenfalls scheint dern mit dem Willen zu tun, die Integrität des Augenmaß«, so die argentinische Zeitung Pá- Morales' Erklärung nicht zu sein, wie sich ei- Landes zu wahren.
gina 12, ins Werk werden. Die Welt war ver- nen Tag später herausstellt, als Regierungs- Morales' wahrlich historisches Verdienst blüfft über das politische Talent des ebenso sprecher Alex Contreras mitteilt: »Evo Mo- besteht darin, dass seine Regierung, die lange revolutionären wie pragmatischen indigenen rales wird eine Kandidatur für eine vorgezo- – koloniale und republikanische – Geschich- gene Wahl nur akzeptieren, wenn es die te Boliviens an die Gegenwart herangeführt Volksbewegungen fordert«. Die Kandidatur hat. Wo sich eine Jahrhunderte währende werde jedoch vom Votum der Verfassungsge- Ausbeutung durch die Oligarchie mit der Durch die unnachgiebige Blockade der benden Versammlung abhängen, die entge- heutigen Zeit kreuzt, steht Morales für Opposition droht Evo Morales eine gen der derzeitigen Rechtslage eine Wieder- Emanzipation und die Ablösung neokolo- wahl des Staatsoberhauptes für zwei oder nialer Politik neoliberalen Zuschnitts. Allein Niederlage, die zum Zusammenbruch des mehrere Legislaturperioden beschließen die Aprilrevolution von 1952, die das Militär gesamten linken Projektes führen könnte könne. Das aber steht in den Sternen. Regulär entmachtete und die radikalste Bodenreform wäre die Amtszeit von Morales erst 2011 be- Lateinamerikas auslöste, ist mit dem ver- Gerade noch von der weißen Oligarchie gleichbar, was im Augenblick geschieht. Mo- seines Landes als »politischer Tölpel« und Kein Zweifel, das Verhalten der Verfas- rales versucht zu vollenden, was vor 55 Jah- »Indio ohne Sinn und Verstand« diffamiert, sungsgebenden Versammlung wird zur ren schon einmal auf der Tagesordnung handelte Morales mit den multinationalen Schicksalsfrage für den Präsidenten. Durch stand: ein Umbau des Staates, die Verstaatli- Unternehmen neue Konzessionsverträge aus, die unnachgiebige Blockade der Opposition chung der Minen und Ölwirtschaft, eine die 2006 1,26 Milliarden Dollar in die Staats- – offenbar ihre einzig erfolgversprechende Agrarreform und die Gleichstellung der Ge- kasse brachten – 653 Millionen mehr als 2005.
Strategie – droht Morales und seiner MAS schlechter. Dazu muss freilich mit einem oli- Der so erwirtschaftete Haushaltsüberschuss eine folgenschwere Niederlage, die zum Zu- garchischen Staat gebrochen werden, dessen von etwa fünf Prozent (einmalig seit 37 Jah- sammenbruch des gesamten linken Projektes Ursprünge bis in den Pazifikkrieg (1879 – ren) kam vorrangig den Kleinbauern zugute, führen könnte, auch wenn noch Möglichkei- 1884) zurückreichen, bei dem einst Chile die 40 Prozent der Bevölkerung ausmachen.
vanna der von Kuba und Venezuela ausge- boykottieren. Und das mit einiger Wirkung, ten bleiben, die Verfassungsreform auf den über Bolivien und Peru triumphierte.
Wirtschaftspolitisch ging die Rechnung da- henden »Bolivarianischen Alternative für da bisher keinerlei Einigung über auch nur ei- Weg zu bringen. Morales könnte die für eine Ob Evo Morales selbst diese Mission in mit schneller auf als Morales-Kritiker denken Amerika« (ALBA) bei, die sich als Gegen- nen einzigen Paragraphen der Verfassung ei- Mehrheit der Verfassungsdelegierten unstrit- toto lösen kann, ist nicht ausgemacht. Wie konnten, was die rechte Opposition, ange- entwurf zum US-Projekt einer gesamtameri- nes »Neuen Boliviens« erzielt werden konn- tigen Punkte eines neues Grundgesetzes be- auch immer das Tauziehen um die Verfas- führt von Ex-Präsident Quiroga, nicht daran kanischen Freihandelszone (ALCA) ver- te. Da ein solches Grundgesetz nur mit Zwei- schließen oder per Referendum über die an- sungsreform endet, der einstige Kokabauern- hinderte, weiter einen an »Hugo Chávez und Drittel-Mehrheit verabschiedet werden kann deren – die umstrittenen – Artikel abstim- führer hat nicht mehr und nicht weniger ge- Fidel Castro angelehnten totalitären und au- Dieser Präsident, den die Bourgeoisie in und dazu Stimmen aus der Opposition ge- men lassen. Das klingt rational, folgt einer tan, als die Kardinalfragen künftiger Genera- toritären Führungsstil« anzuprangern.
Bolivien (wie auch in Argentinien oder Bra- braucht werden, steckt die Regierung in einer grundlegenden demokratischen Überzeu- tionen schon jetzt zu stellen. Seine politische Doch mit Totalitarismus hat die Morales- silien) inzwischen am liebsten nur noch als Sackgasse, die Morales mehr und mehr als gung und hätte gute Chancen auf Erfolg.
Basis steht nicht zur Disposition – die sozia- Regierung nichts zu tun. Keine demokrati- Lamatreiber sehen würde, ist wahrlich eine Verhängnis zu empfinden scheint.
Insofern könnte die Ankündigung von Mo- len Bewegungen, die mehrere korrupte Prä- sche Institution wird in Frage gestellt. Im In- Ausnahme an republikanischer Gesinnung in Über seine Absicht, die Wahlen vorzuzie- rales, nicht mehr kandidieren zu wollen, der sidenten stürzten, den Ausverkauf des Lan- teresse des Landes zielt die Verstaatlichung der Geschichte seines Landes seit der Unab- hen und selbst nicht mehr zu kandidieren, Versuch sein, die eigenen Anhänger auf einen des verhinderten, Bolivien neu entwarfen der Gas- und Erölvorkommen darauf, eine hängigkeit von 1825.
sprach er erstmals am 19. März in der Stadt Kompromiss mit der bürgerlichen Minder- und für eine soziale Demokratie stehen, die moderne, wettbewerbsfähige Industrie auf- Trotz – oder eher wegen – dieser unstritti- Sucre, in der über die künftige Verfassung heit einzustimmen. Schließlich ist das Land auch in Lateinamerika einzigartig ist, bleiben zubauen. Zudem hat Morales Handelsverträ- gen Erfolge bleibt die rechte Opposition bei entschieden werden soll: »Ich denke, ich habe mit Abspaltungstendenzen konfrontiert, die der Rückhalt des Präsidenten. Dieser Sieg ist ge mit Argentinien, Brasilien, Venezuela und ihrem Crashkurs und versucht mit allen Mit- meinen kleinen Teil zum Wandel Boliviens das Projekt einer »Neugründung Boliviens« Morales und seiner MAS nicht mehr zu neh- Kuba geschlossen, die entgegen allen Be- teln, die von der MAS 2006 initiierte Verfas- beigetragen«, erklärt der Präsident an diesem zerstören würden, so dass großzügige Kon- men, trotz der Sabotage einer rechten Olig- fürchtungen bereits jetzt fassbare Resultate sungsgebende Versammlung, die einer Mehr- Ort – und muss sich darüber im Klaren sein, zessionen unumgänglich sind. Diese pragma- archie, die in Bolivien – folgt man dem be- zeitigen. Am 29. April 2006, zwei Tage vor heit des Landes mehr Rechte, vor allem mehr dass es zu ihm als dem charismatischen Füh- tisch abwägende Vernunft eines Präsidenten, deutenden Soziologen René Zavaleta Merca- seinem Verstaatlichungsdekret, trat er in Ha- politische Partizipation garantieren soll, zu rer des linken Lagers keine Alternative gibt der Fundamentalistisches nicht zulässt, zü- do – schon immer »antinational« war.
Jürgen Elsässer Koalition der Unwilligen KOSOVO ■ In der EU haben sich Staaten formiert, die eine weitere Zerstückelung Serbiens ablehnenIn der Vergangenheit galten die Fronten erneur geführt, der die einheimische Regie- vor der magyarischen Irridenta motiviert auf dem Balkan als übersichtlich: 1992 rung jederzeit nach Gusto kontrollieren auch das Nein aus Bukarest.
waren sämtliche Mitgliedsstaaten der Eu- könnte. Zu diesem Zweck stünden ihm 1.500 Nach dem Scheitern der über einjährigen ropäischen Union auf den anti-jugoslawi- eigene Polizisten und Beamten zur Verfü- Wiener Verhandlungen zwischen Serbien schen und anti-serbischen Kurs der Regierung gung – zusätzlich zu den bereits stationierten und den Kosovo-Albanern wird der Ahtisaa- Kohl/Genscher eingeschwenkt und hatten die 16.000 NATO-Soldaten der so genannten ri-Plan seit dieser Woche im UN-Sicher- Sezessionsrepubliken Kroatien, Slowenien Schutztruppe KFOR, die nicht abgezogen heitsrat debattiert. Der russische Präsident und Bosnien-Herzegowina völkerrechtlich werden sollen.
hat mehrfach erklärt, eine Verabschiedung anerkannt. 1995 – und nicht erst 1999, wie vie- Die Nein-Sager der EU argumentieren vor- per Veto blockieren zu wollen. Damit bliebe le denken – kam es zum ersten Kampfeinsatz rangig mit dem Völkerrecht und damit ähnlich die UN-Resolution 1244 in Kraft, die nach Breslau – Krakau – Tatra – Prag des NATO-Bündnisses: 14 Tage lang feuerten wie Russland: Eine Abspaltung des Kosovo Kriegsende 1999 beschlossen wurde und die Flugzeuge des Brüsseler Paktes unter Teilnah- sei ein gefährlicher Präzedenzfall. Erstmals er- Zugehörigkeit der Provinz zu Jugosla- Eine beeindruckende Schienenkreuzfahrt im nostalgischen Sonderzug me von deutschen Tornados auf Stellungen der langte nicht eine frühere Teilrepublik aus einer wien/Serbien festschrieb. Es wird allgemein Erleben Sie einige der prunkvollsten Preise pro Person: bosnischen Serben. Vier Jahre später, im Früh- Föderalunion die Unabhängigkeit, wie das zu befürchtet, dass daraufhin Regierung und und traditionsreichen Metropolen Doppelzimmer: 1.120,00 Euro jahr 1999, wurden Belgrad, Novi Sad, Nisˇ und Beginn der neunziger Jahre bei neuen Staaten Parlament in Prisˇtina ohne UN-Segen die EZ/Zuschlag: 195,00 Euro Prisˇtina über elf Wochen lang bombardiert, der Fall war, die aus der Konkursmasse der Unabhängigkeit proklamieren und die USA Osteuropas, eindrucksvolle Stätten Aufpreis für Club-Abteil (p.P.): 88,00 Euro eine weitere Gemeinschaftsaktion der transat- UdSSR oder Jugoslawiens entstanden, son- und ihre engsten Verbündeten den neuen des Weltkulturerbes und die un- Enthaltene Leistungen: lantischen Allianz. In all diesen Konfrontatio- dern eine untergeordnete Verwaltungseinheit.
Staat einseitig anerkennen. Mögliche Folgen berühr te Naturlandschaft der Hohen Fahr t im Sonderzug (1. Klasse od. Club- nen stand in Europa nur Russland auf der Sei- Mit Verweis auf das Kosovo könnten sich beschrieb der FDP-Bundestagsabgeordnete Tatra auf ungewöhnliche Weise per Abteil) ab/bis gebuchtem Zustiegsor t / te der Serben, dies aber oft unentschlossen und künftig nicht nur Abchasien (bisher Georgien) Rainer Stinner bereits Mitte Dezember 2006: und Transnistrien (bisher Moldawien) selbst- »Eine einseitige Unabhängigkeitserklärung Sonderzug! Der Sonderzug besteht 6x Übernachtungen in Hotels der gehobe-nen ör tlichen Mittelklasse / Halbpension Kurz vor Ostern 2007 geschieht nun etwas ständig machen, sondern auch Minderheitsre- durch kosovarische Institutionen wäre ein aus gepflegten Schnellzug-Wagen der (Frühstück, Abendessen) / Schiffsfahr t Unerwartetes: Zum ersten Mal seit 16 Jahren gionen in der EU wie Korsika und das Bas- klarer Bruch der UN-Resolution 1244. Da- 60er bis 80er Jahre, die neben in Prag / ständige Chefreiseleitung / zeigen sich offene Widersprüche in der Bal- kenland. Letzteres erklärt den Widerstand gegen müsste die KFOR eigentlich vorgehen, ihrem nostalgischen Ambiente ein deutschsprachige Gruppen-Reiseleiter / kanpolitik der Westmächte. Auf der EU- Spaniens – sehr zum Verdruss von Javier Sola- etwa indem sie die führenden Politiker des Außenministertagung in Bremen haben die na übrigens, der in dieser Frage nicht die Po- Kosovo festnimmt. Gleichzeitig würde diese komfor tables Fahrgefühl bieten. Die Ausflüge, Eintritte und Führungen lautProgramm / Transfers mit ör tlichen Bus- Vertreter von mindestens sechs Mitglieds- sition der Regierung in Madrid vertritt. Resolution jedoch auch von den Staaten ge- Übernachtungen er folgen in ausge- sen / ör tlicher Gepäckser vice, Gepäck- staaten den Mut, der mit dem Ahtisaari-Plan Boris Zala, Vorsitzender des außenpoliti- brochen, die das Kosovo anerkennen. Da sich suchten Hotels der guten ör tlichen transpor t von Hotel zu Hotel in Polen / anvisierten Abspaltung des Kosovo von Ser- schen Ausschusses im Slowakischen Natio- darunter vermutlich auch bedeutende Sicherungsschein und Infomaterial bien ihr Plazet zu versagen: Griechenland, nalrat und Mitglied der sozialdemokrati- KFOR-Truppensteller befinden, wäre KFOR Zypern, Spanien, Italien, Rumänien und die schen Smer-Partei von Premier Fico, fürchtet als Machtfaktor zerrissen.« Slowakei. Dabei sollte – so die Vorstellung gar um den Bestand des eigenen Staates. So Sind die USA bereit, unter Umständen die 13.07. bis 19.07.2007 Zeitungsverlag FREITAG des UN-Beauftragten für das Kosovo, des könne sich die ungarische Minderheit, »die KFOR und damit auch NATO und EU zu ab/bis Köln, Duisburg, Dor tmund, Berlin Potsdamer Str. 89, 10785 Berlin Finnen Martti Ahtisaari – das umstrittene immer schon eine Tendenz zu separatisti- spalten? Offensichtlich genügt Washington, 18.09. bis 24.09.2007 Tel.: 030/250087-32 Gebiet künftig eine Art Protektorat der EU schen Bewegungen hatte«, das Kosovo-Mo- wie im Irak-Krieg 2003, eine »Koalition der ab/bis Bremen, Hamburg, Hannover, Fax.: 030/250087-10 werden, das erste seiner Art: Der nur formell dell zum Vorbild nehmen und einen eigenen Willigen«. Die spannende Frage wird sein, ob selbstständige Staat würde von einem Gouv- Staat im Süden der Slowakei anstreben. Angst Deutschland dieses Mal dazugehört.
Freitag 14
Abschied von Piroschka Von Martin Leidenfrost Es ist müßig, an dieser Stelle wie gewohnt andie letzte Osteuropa-Kolumne erinnern zu wol-len, sie liegt schon einige Ausgaben und damitWochen zurück. Aber Martin Leidenfrost war inder Zwischenzeit nicht untätig, sondern viel un-terwegs, um an dieser Stelle den Erzählfadenweiterspinnen zu können. Diesmal führt ihn seinWeg nach Levél in Ungarn, einer Ortschaft ander Grenze zu Österreich, über die oft im Inter-net schwadroniert wird. Zumeist sind es Freier,die sich darüber austauschen, ob es sich auchgelohnt hat, nach Levél zu fahren und Pirosch-ka oder andere Frauen vom Straßenstrich zu treffen. Sonstige West-Ost-Begegnungen kom-men in dieser Gegend kaum vor.
Der Mensch ist im Zeitalter des Inter- nicht alle Beteiligten deutscher Mutterspra- ersehe ich, das Dorf war einmal deutsch be- »Ist Piroschka da?«, frage ich verlegen. Sie reicher, Türken, auch Ungarn. Es gebe insge- nets durchsichtig geworden. Einige siedelt: Levél/Kaltenstein. Es gibt eine katho- reagiert kein bisschen überrascht: »Warum samt nur noch drei Prostituierte in der Berufsgruppen trifft das besonders, Die Heldin unter den beschriebenen Pro- lische Kirche, eine evangelische Kirche und alle wollen Piroschka?« Sie macht mir ein EXPO-City, außer ihr noch Piroschka und zum Beispiel Autoren oder Prostitu- stituierten war »Piroschka«. Einig waren sich drei Tankstellen.
Angebot für 30 Euro und reduziert es mit eine vierfache Mutter. Sie selbst sei aus der ierte. Wer Texte publiziert, konnte noch vor die zahlreichen Erzähler nur darin, dass die In der Umgebung, welche die Ungarndeut- dem nächsten Atemzug auf 20, plus fünf nahen Großstadt Györ, allein und kinderlos.
wenigen Jahren hoffen, dass sich die misslun- junge Ungarin ungern den BH ablegt. An- schen Heideboden nannten, stehen zwei Euro für das Zimmer. »Ich will nur reden«, Sie wolle dorthin, wohin schon einige ihrer genen Sachen rasch verlieren; heute findet sonsten gingen die Meinungen der Männer, Windparks. Es bläst ein kräftiger Wind, und erkläre ich. Auch das hat sie nicht überrascht: Kolleginnen verschwunden seien, nach Wien, sich der letzte Dreck im Netz.
die nacheinander Piroschkas Kunden waren, die Windräder des einen Windparks rotieren »Warum alle sagen: nur reden?« auf den Straßenstrich der Äußeren Mariahil- Auch Prostituierte sind unfreiwillig glä- auseinander. »Nach einer halben Stunde wur- munter. Die zwölf Windräder hinter der Piroschka sei nicht da. Die achtjährige fer Straße. Dort könne sie 200 bis 300 Euro sern. Was noch vor wenigen Jahren auf pri- de sie ganz nervös und hat aufs Beenden ge- Schnellstraße stehen hingegen unbewegt, Tochter der Chefin habe Geburtstag und täglich machen.
vate Runden beschränkt war, erweitert und drängt«, schimpfte einer »und das, obwohl gleichsam mit angezogenen Handbremsen da.
Piroschka feiere mit. »Wo ist dein Auto?« Nach dem Gespräch führt sie mich hin- vervielfältigt sich nun im virtuellen Raum: ich 100 gelöhnt hatte.« Die anatomischen Be- Der gesuchten Hüttensiedlung ist eine abgeta- fragt sie. »Ich bin mit dem Zug da.« Jetzt ist aus. Ich frage nach dem Briefkasten am das Gespräch von Freiern, die sich über Pro- schreibungen will ich nicht wiedergeben. Sie kelte Tankstelle vorgelagert. Ein Österreicher sie überrascht. Ich habe Angst, sie könnte Haus. Ja, der Briefträger bringe ihr die Post stituierte austauschen. Die Freier tun das in waren sehr genau.
Ende 50, Typ ländlicher Heimwerker, stoppt ihren Preis noch einmal unterbieten, und sage hierher, zu dem Haus, das zweisprachig an- elektronischen Sexforen. Dort bleiben sie Neulich bin ich nach Levél gefahren. Ob es dort seinen VW-Bus. Er fährt eine Runde zu ihr: »Können wir für 25 Euro reden?« Sie geschrieben ist: »Unter dem Linden«. Die anonym, entsprechend freimütig äußern sie uns gefällt oder nicht: Das Bild, das männli- durch die Siedlung, ganz langsam, in Schritt- führt mich in eines der Häuser.
anderen Häuser seien Motels, meint sie, che Westler von den östlichen Nachbarn ha- geschwindigkeit. Dann verschwindet er wie- Im Erdgeschoss war wohl ein Schankraum, doch scheint mir die Wäsche auf einigen Einmal las ich im Internet einen solchen ben, setzt sich oft allein aus solchen Begeg- der in seine Richtung, laut Autokennzeichen Tische und ein Tresen aus billig überzogenen Balkonen nicht ins Bild zu passen. Erobert Chat nach, einen Sexkunden-Dialog, der im nungen zusammen. Die meisten Sexdestina- in den grenznahen Bezirk Neusiedl am See.
Spanplatten sind übrig geblieben, noch nicht sich das normale Leben den Puffbezirk zu- Jahr 2004 begonnen hatte und längst ausge- tionen liegen im Grenzsaum der Tsche- Ich bin zu Fuß und muss mich zum Betre- einmal abgenutzt, und doch atmet der leere laufen war. Was vor meinen Augen abrollte, chischen Republik – aber auch Ungarn stand ten der so genannten EXPO-City zwingen.
ungeheizte Raum Verfall.
Wir verabschiedeten uns schließlich, und war eine vielstimmige Erzählung von Dut- einmal im Ruf eines solchen Milieus. Ich Die ersten Hütten waren einmal Schuh- und Wir gehen nach oben, unter die Dach- ich ging essen. Eine Stunde später standen die zenden Seiten, mal roh und verächtlich, mal wollte wissen, wie still es inzwischen um das Modeläden, winzig und längst leergeräumt.
schräge. Die Tür zu ihrem Schlafzimmer Windräder hinter der Schnellstraße immer sachlich und berechnend, mal prahlerisch ungarische Gewerbe geworden ist. Ich woll- Die folgenden Häuser sind größer, mit Holz- steht offen. Eine winzige Kammer mit einem noch still, und lautlos glitten die Sattelschlep- und naiv. Ort der Handlung war eine Hüt- te sehen, ob es den Zielort der verstummten balkonen, ein paar vielleicht bewohnt. Ein schmalen Futon. Kaum ist die Tür zugezo- per im Gegenlicht der untergehenden Früh- tensiedlung in Levél, einem nordwest- Freier überhaupt noch gibt. Ich wollte ein In- paar Schilder künden von Zimmervermie- gen, hat sie schon den Pullover ausgezogen lingssonne dahin.
ungarischen Dorf nahe der österreichischen terview mit Piroschka.
tung, aber die Bars und Clubs sind geschlos- und fragt: »Mit oder ohne Gummi?« Das Auto der Chefin stand noch an der Grenze. Die Erzähler, sie stammten wohl aus Levél liegt zwischen einer Autobahn, einer sen. Alles totenstill.
Ich gebe ihr das Geld, lasse sie den Pullover Tankstelle, auch beide Frauen waren noch da.
dem Großraum Wien, nannten sich Priapos, Bahnlinie und aufwändig aufgeschütteten Ich bin schon fast durch, da kommt beim wieder überziehen, und es ist ihr auch egal.
Mag sein, vielleicht hat nicht alles gestimmt, Netspezi, Mörty, Stefan_39 oder Onkel Schnellstraßen für den Schwerverkehr. Die »Franz-Turm«, dem Aussichtsturm der Sied- Dann reden wir, einmal hupt draußen ein was mir erzählt wurde. Oder lässt die Chefin Dagobert. Der Grundton war lässig, alle ver- verschiedenen Quellen des Verkehrslärms lung, eine Frau auf mich zu. Sie macht einen Wagen. »Chefin«, murmelt sie und läuft hin- ihr Töchterchen mit Piroschka allein? Ich glichen die Preise, und Verbformen wie verschmelzen zu einem einzigen Grund- ungesunden, abgekämpften Eindruck. Sie be- unter. »Zwei, drei Business« habe sie nur ging zum Zug, sie winkten mir heftig, und die »waschte« und »blaste« ließen erahnen, dass rauschen. An der zweisprachigen Ortstafel deutet mir mitzukommen.
noch pro Woche. Die Kunden seien Öster- Chefin wieherte vor Lachen.
Als sich die EU 2004 erweiterte, schrieen viele Volker Schmidt Alarm: Scharen polnischer Klempner und letti- scher Prostituierter, tschechischer Autodiebe und ungarischer Bandenkrimineller scharrten angeblich am Schlagbaum mit den Füßen, um in den Goldenen Westen zu reisen. Fragt man die Menschen in den Beitrittsländern heute, Exodus der blau-weißen Riesentaschen winken viele ab: Den Westen haben sie abge- schrieben, der Osten ist interessanter.
GEBREMSTER TRANSFER ■ Die Auswanderungswelle aus Mittel- und Osteuropa hat ihren Zenit längst überschritten Noch sind die Zahlen einigermaßen Freizügigkeit herrsche, also alle EU-Bürger zu verlassen. Slowaken und Esten lagen – Doch fragt man mittelosteuropäische Mi- siert, kulturelle Hingabe und Gastfreund- eindeutig: Der Osten verliert an Be- überall leben und arbeiten dürften, werde ähnlich wie die Deutschen – mit rund 35 granten und solche, die es werden könnten, schaft erfahren. Und ein anderer Diplomat völkerung – zwar nimmt die Lebens- letzten Endes höchstens ein Prozent der ge- Prozent eher im EU-Durchschnitt, Tsche- im Detail nach ihren Motiven und Plänen, aus dem Baltikum deutet an: »Nach Berlin erwartung zu, doch gehen die Ge- samten arbeitsfähigen Bevölkerung Mittel- chen und Ungarn mit knapp 30 Prozent dar- dann entsteht ein anderer Eindruck: Die mei- will keiner, begehrt sind die Nachbarländer, burten zurück und die Jungen wandern aus.
und Osteuropas den Exodus wagen. Diese sten wollen sich – beispielsweise als Überset- auch Warschau und Minsk, weil von dort der In den Ländern des ehemaligen Ostblocks Freizügigkeit jedoch gibt es bis heute nicht, zer in Brüssel oder Schwarzarbeiter in Frank- Weg nach Hause kurz ist. Aber auch Kiew, und der früheren Sowjetunion könnte sich gerade wegen der Angst im Westen vor einer Kulturlos und psychopathisch furt/Main – nur vorübergehend im Westen Tiflis oder Moskau kommen in Frage, weil es bis 2050 die Relation von Rentnern zu Er- Massenmigration – folglich hält sich die Wan- aufhalten, sehen ihn mit zynisch-verächtli- in diesen Metropolen noch etwas aufzubau- werbstätigen nach jüngsten Schätzungen der derung in Grenzen. Zumal die Wirtschaft in Eva Feldmann-Wojtachnia aus der For- chem Blick und halten Distanz. Auf Dauer in Vereinten Nationen gravierend verändern, in vielen Beitrittsländern wächst, und die Ar- schungsgruppe Jugend und Europa am Zen- Frankreich oder Deutschland leben? Nie! So wird das Osteuropa der EU zur Ein- Polen und Ungarn etwa von heute 25 Rent- trum für angewandte Politikforschung der Eine Mehrheit empfindet diesen Teil Europas wanderungsregion, wie das einst für Westeu- nern pro 100 Erwerbstätigen auf ein Verhält- Einer Anfang 2006 zum »Europäischen Universität München zieht aus der Studie als hektisch, unfreundlich, kulturlos und ropa in den frühen neunziger Jahren galt: nis von 70 zu 100. Die US-Entwicklungshil- Jahr der Mobilität« veröffentlichten Studie den Schluss, Mobilität als Migration und per- psychopathisch oder verweist auf die oft lieb- Akademiker aus den postsowjetischen Repu- feagentur USAID bescheinigt den Transfor- der EU-Kommission zufolge sahen zwar die manenter Ortswechsel würden »mit indivi- losen Beziehungen in den Familien.
bliken arbeiten in Ungarn, Polen oder Tsche- mationsländern Mittelosteuropas seit dem Menschen in allen (damals) 25 Mitgliedsstaa- duellen und sozialen Deklassierungsprozes- 17 Jahre nach der Wende strömen die Mit- chien. Und während polnische Frauen in Zerfall des Ostblocks 1990/91 allerdings nur ten der EU die Mobilität mehrheitlich posi- sen« assoziiert und daher negativ besetzt. Da- telosteuropäer längst nicht mehr mit ihren Deutschland das marode System der Alten- einen Bevölkerungsrückgang um 0,1 Prozent tiv. Ausgerechnet in den mittelosteuropäi- gegen käme Mobilität als temporärer Wech- blau-weißen Riesenplastiktaschen aus den pflege am Leben erhalten, putzen Ukraine- – in der gleichen Zeit wuchs die Bevölkerung schen Staaten jedoch fiel das Votum eher sel in ein anderes Land, quasi als »Ausweich- Reisebussen – sie kommen vielmehr mit rinnen in Warschau. Laut der EU-Stati- Westeuropas um 0,7 Prozent. Allerdings skeptisch aus: Mit Ausnahme der Slowaken lösung«, für viele in Betracht, vorzugsweise leichtem Gepäck und tanken immer wieder stikbehörde Eurostat stellen Ukrainer in messen die Statistiken den Trend nur bis zir- waren dort weniger als die Hälfte der Men- für junge, gut ausgebildete Menschen, wie per Billigflug Heimat auf. Selbst ihren Urlaub Tschechien die größte Ausländergruppe (29 ka 2002; so langsam sind Volkszähler.
schen überzeugt, dass Mobilität grundsätz- nicht zuletzt Zahlen des britischen Innenmi- verbringen sie wieder lieber am Schwarzen Prozent), in Ungarn sind es die gerade erst lich gut sei; in Polen, Litauen und Estland nisters belegen. Großbritannien gilt als be- Meer, in der Hohen Tatra oder am Balaton als EU-Bürger gewordenen Rumänen (43 Pro- 50 Prozent der Polen nur knapp 40 Prozent. Entgegen dieses sig- vorzugtes Ziel vieler Arbeitsmigranten, im- auf Mallorca. Eine Kunsthistorikerin in Li- zent). Russland zieht trotz Fremdenfeind- nifikanten Votums war die persönliche Be- merhin bewarben sich zwischen Mai 2004 tauen, die zum Kulturattachée in der Ukrai- lichkeit Einwanderer aus Zentralasien und Zugleich erfuhren Meinungsforscher der reitschaft, vorübergehend Arbeit in einem und Juni 2006 427.000 Arbeitnehmer aus ne berufen wurde, meint dazu: »Ich hätte dem Kaukasus an. Um die demografische UNO, zwischen zehn und 30 Prozent der anderen EU-Staat aufzunehmen, in einigen Ländern Mittelosteuropas erfolgreich um auch nach Berlin oder Madrid gehen können.
Krise zu lindern, schlug der nationalistisch Osteuropäer seien grundsätzlich bereit, nach Ländern dennoch hoch: So konnten sich Jobs auf der Insel – 62 Prozent davon aus Po- doch was soll ich da? Da interessiert sich nie- gefärbte Liberaldemokrat Wladimir Schiri- Westen zu wandern. Nur wenige freilich – so mehr als 50 Prozent der Polen, gefolgt von len, mehr als 80 Prozent waren jünger als 34 mand für die Kultur meines Landes, von dem nowski immerhin ein Ausreiseverbot für die Erhebung – würden allerdings den Wor- Litauern, Letten und Slowenen, vorstellen, und verfügten laut USAID über gute bis sehr viele nicht einmal wissen, wo es liegt.« In Tif- Russinnen vor, die weniger als zwei Kinder ten Taten folgen lassen; selbst wenn völlige auf Arbeitssuche die angestammte Heimat lis und Baku habe sie Ausstellungen organi- zur Welt gebracht haben.
Freitag 14
Giuseppe Masciari (Mitte) bei einem Gerichtstermin Tom Mustroph Mit Leib und Seele ITALIEN ■ Giuseppe Masciari lebt seit zehn Jahren nach den Auflagen des staatlichen ZeugenschutzprogrammsEr will kein Held sein. »Als Held wirst Nostra, 268 zur Camorra und 121 zur in Leipzig, Dresden und Berlin. Als er sich schüchterung durch die Mafia gesellt sich der du gefeiert, wenn du gestorben bist.
Ndrangheta gehört haben. Im Unterschied für kurze Zeit in Dessau aufhält, wird er von Boykott durch lokale Amtsträger. Masciari Dann werden dir Blumen gebracht, dazu gibt es nur 48 unbescholtene Bürger wie Landsleuten, die dort ein Restaurant betrei- hat ihnen schließlich die verlangten sechs eine Schule wird nach dir benannt und Giuseppe Masciari, die durch ihre Zeugen- ben, angesprochen: »Wenn du Geld waschen Prozent verweigert. in den Zeitungen wird über dich geschrieben.
aussagen in Gefahr gerieten, ohne je der Ma- musst, komm' zu uns. Wir haben die not- »Plötzlich musste ich feststellen, die Kom- Doch dir selbst nützt das alles gar nichts, denn fia nahe gestanden zu haben. Wer im Zeu- wendige Infrastruktur.« munalverwaltungen verzögerten die Bezah- du bist bereits tot«, meint Giuseppe Masciari, genschutzprogramm steckt, ist de facto ein lung meiner bereits geleisteten Arbeiten über der gebürtige Kalabreser, trocken. Masciari Mündel des Staates, kann nicht frei über sei- In einer Liga mit FIAT Monate hinweg. Sie brachten mich in derarti- aber will leben. Normal leben. Nur ist dem 48- nen Wohnort befinden, muss Reisen bean- ge Schwierigkeiten, dass ich Ende 1993 die Fir- Jährigen genau das verwehrt. Vor zehn Jahren tragen und Besuche genehmigen lassen. Ei- Masciari meint heute, für ihn sei dies damals ma schließen und Konkurs anmelden musste«, hat es der Bauunternehmer gewagt, Mitglieder nem Antrag auf Arbeit kann stattgegeben ein exemplarisches Erlebnis gewesen. Die erzählt Masciari. Zwar verfügt er noch über eines der gefährlichsten Mafia-Clans Italiens, werden, muss aber nichts. Vor allem dies, die vier süditalienischen Verbrechersyndikate Aufträge in einem Volumen von 25 Milliarden der Ndrangheta-Familien, anzuzeigen: beson- ökonomische Abhängigkeit, lastet auf dem Cosa Nostra, Ndrangheta, Camorra und Lire, doch erschlagen ihn die Schulden. Die ders die Vallelunga, wegen ihrer Bösartigkeit einstigen Geschäftsmann Masciari. Sacra Corona Unità seien offenbar europa- mit dem Fall befasste Richterin Patrizia Pas- auch Viperari – die Giftnattern – genannt.
»Man behandelt mich immer als Kronzeu- weit präsent.
quin bleibt hart und verfügt den Konkurs.
47 Personen wurden auf seine Anzeigen hin gen der Justiz, aber das bin ich nicht – ich bin Laut einer BND-Studie vom Herbst 2006 vor Gericht gebracht. Mörder und Erpresser, Unternehmer aus Leib und Seele!« – er nutzt vorzugsweise die Ndrangheta bestimm- Die stille Teilhaberin doch ebenso korrupte Behördenvertreter und schreit es fast aus sich heraus und tigert auf- te Regionen in Deutschland nicht mehr allein Unternehmer. Und noch immer laufen Pro- gebracht durch den Raum. Er ist verzweifelt, als Rückzugsraum, sondern ist auch ökono- Im Oktober 2000 allerdings entscheidet ein zesse, bei denen Masciari wesentliche Details dass seine Courage ihm das Leben verbaut.
misch aktiv. In Italien gilt sie inzwischen als Gericht in Catanzaro (Kalabrien), dass die beisteuern kann. Als einen der bedeutendsten Wenn er noch einmal die Wahl hätte – anders das gefährlichste der genannten vier Syndika- Pleite von der Mafia verursacht worden sei Zeugen gegen die Mafia hat ihn der ehemali- entscheiden würde er sich trotzdem nicht.
te. Im Jahr 2005 konnte die Ndrangheta 35 und Masciari deshalb das Recht auf eine an- ge oberste Antimafia-Staatsanwalt Piero Lui- Seit Oktober 2006 tritt Masciari bei Treffen Milliarden Euro umsetzen, schätzte die italie- gemessene Entschädigung habe – ein bislang gi Vigna hofiert. Dabei ist Masciari kein Pen- des Antimafia-Verbandes Libera öffentlich nische Handelskammer in ihrem Bericht SOS einmaliges Urteil für die italienische Justiz.
titi, kein reuiger Sünder, der sich nach sei- auf. Es sind, sieht man von seinen fast Impresa vom Juli 2006. 30 Milliarden Euro Masciaris Anwälte forderten 1,2 Millio- ner Festnahme zur Kooperation mit den wöchentlichen Terminen vor Gericht ab, die seien auf die Konten der Cosa Nostra geflos- nen Euro für den durch Fremdverschulden Behörden durchrang, um sich ein mildes Ur- ersten Begegnungen mit einem größeren Au- sen, 28 Milliarden auf die der Camorra.
erlittenen Konkurs, dazu eine Million pro teil und Hafterleichterungen zu verschaffen.
ditorium seit Jahren. Masciari erklärt vor Ju- Die Ndrangheta spielt damit in einer Liga Jahr für entgangene Verdienste und eine wei- Maciari ist ein Bürger, der aus eigenem An- gendlichen und Erwachsenen Norditaliens, mit dem FIAT-Konzern, der 2005 einen Jah- tere Million als Kompensation für erpresstes trieb Verbrechen angezeigt hat. Deswegen was Mafia im Alltag bedeuten kann, und er- resumsatz von 46,5 Milliarden Euro ver- muss er mit einem Attentat rechnen und lebt zählt seine Geschichte.
zeichnet, und verdankt eine solche Position Für Genugtuung sorgt bei dem in den seit 1997 mit seiner Frau und den beiden Kin- 1985 stieg der gelernte Bauingenieur in die nicht zuletzt der Dominanz im Kokainge- Bankrott getriebenen Unternehmer, dass im dern im Zeugenschutzprogramm des Staates.
Firma seines Vaters ein und bewarb sich, um schäft. Hier hat sie die Konkurrenz von Ca- November 2006 ausgerechnet die Richterin Versteckt, in einer anderen Region Italiens, ein eigenes Arbeitsfeld zu haben, auch bei öf- morra und Cosa Nostra klar an ihre Grenzen aus seinem Konkursverfahren wegen Koope- mit geändertem Namen und aus Sicherheits- fentlichen Ausschreibungen. Er gewann ein erinnert, vermerkte im Vorjahr eine Studie ration mit der Ndrangheta verhaftet wird.
gründen vom Berufsleben suspendiert. Was Straßenbauprojekt – und prompt rief die der Antimafia-Behörde des römischen In- Patrizia Pasquin soll stille Teilhaberin eines auch für seine Frau, eine Zahnärztin, gilt. Ein- Ndrangheta bei ihm an, ließ ihn jedoch nach nenministeriums. Alarmierender noch als der von der Ndrangheta betriebenen Feriendorfs zig die beiden Kinder gehen in die Schule.
einer Intervention seines Vaters in Ruhe. Der ökonomische Spitzenwert ist freilich der gewesen sein und im Gegenzug Gerichtsver- »Wir leben wie im Gulag. Wir fühlen uns hatte bereits dem Chef der Familie Vallelun- Grad der mafiosen Durchdringung der kala- fahren manipuliert haben.
eingesperrt. Wir haben keine Freunde und ga seinen Tribut gezollt und verweigerte wei- brischen Gesellschaft, immerhin beträgt das Manchmal, wenn er wieder einmal ver- keine Verwandten mehr«, klagt der vitale tere Zahlungen des Sohnes kategorisch. Im Verhältnis von Ndranghetisti zur normalen zweifelt ist über seine Lage – so fernab von Mann. Die Großfamilie – acht Geschwister Jahr 1988 starb der Firmenpatriarch, und Gi- Bevölkerung 1 : 345. Mit anderen Worten: Freunden und Verwandten – und dem Staat allein hat Masciari – ist im heimischen Serra useppe Masciari führte die Geschäfte allein Auf jeden 345. Bürger Kalabriens kommt ein dermaßen ausgeliefert, mutmaßt Masciari, San Bruno geblieben. »Die Abreise war ein weiter. Und das erfolgreich. Das Interesse der Mann der Ndrangheta (1 : 903 lautet der Ver- das Zeugenschutzprogramm sei eine subtile Alptraum. Wir hatten kaum Zeit für die Vor- Ndrangheta wuchs. »Anfangs bat man mich gleichswert für Sizilien), deren kriminelle Po- Bestrafung für den aufrechten Bürger. Denn bereitung. Wir durften keine Möbel mitneh- um kleine Gefälligkeiten, ein paar Millionen tenz dadurch gestärkt wird, dass sich ihre zu Gerichtsterminen werde er oft im Fiat men, nur was wir am Körper trugen sowie ei- Lire hier, ein paar Millionen dort. Einer sag- Netzwerke fast ausschließlich aus Blutsver- Tipo mit durchsichtigen Scheiben kutschiert, nen Koffer. Zuerst brachte man uns in ein te, ich solle ihm doch ein neues Auto kaufen.
wandten rekrutieren – im Gegensatz zur während die Mafia-Aussteiger in großen Ka- einsames Haus an einer Bahnstrecke. Hinter Ein anderer wollte einen Job für einen Ver- Cosa Nostra, die ihre Mitglieder traditionell rossen mit abgedunkelten Fenstern unter- dem Grundstück verliefen die Schienen, vorn wandten. Es ging genau um die Art von lieber nach dem »Leistungsprinzip« als dem wegs seien. Manchmal werde sein Fahrzeug flanierte der Straßenstrich.« Diensten, die ein Unternehmer seiner Umge- »Abstammungsprinzip« auswählt. für alle sichtbar vor dem Gerichtsgebäude ge- Mittlerweile ist die Familie in ein anderes, bung zuweilen leisten muss.« Diese Identität der Ndrangheta erschwert parkt. »Es wäre ein Leichtes, die Spur aufzu- von den Behörden ausgesuchtes Anwesen Masciari baut auf Anfrage eine Begräbnis- das Eindringen von außen ebenso wie einen nehmen«, meint er. »Ich fühle mich nicht umgezogen, aber die Wohnqualität lässt sich stätte für Cosimo Vallelunga, den Bruder Ausstieg aus dem Kreislauf der Gewalt. Wer wirklich ausreichend geschützt. Und wenn keinesfalls mit dem Haus am Meer verglei- des lokalen Ndrangheta-Chefs Damiano – ausscheren will, muss nicht nur ehemalige es ein Land in Europa geben sollte, das einen chen, das die Masciaris einst Hals über Kopf bezahlt wird er dafür nie. »Vollends unan- Partner anzeigen, sondern Brüder, Onkel ehrlichen Bürger aufnehmen will, dann bitte verlassen mussten. 1.700 Euro pro Monat er- nehmbar wurde die Situation, als ein paar ich dort sofort um politisches Asyl.« hält die Familie für alle Ausgaben wie Klei- junge arrogante Burschen auf mich zukamen Unter der Fuchtel eines solchen Syndikats Aus Protest gegen die unzureichenden dung, Essen, Telefon. 1.700 Euro, wie es das und etwas über regelmäßige Monatsraten entscheidet sich Giuseppe Masciari 1990 zur Schutzmaßnahmen begibt er sich Ende März Gesetz vorsieht.
schwadronierten. Und sie baten nicht, sie Gegenwehr. Er lehnt es ab, Schutzgeld zu ohne Eskorte zu einem Gerichtstermin in sei- forderten«, erinnert sich Masciari. Drei Pro- zahlen, und lässt die ihm gesetzten Fristen ne kalabrische Heimat, begleitet von einem Sie baten nicht, sie forderten zent auf alle Bauten lautet damals der Tarif verstreichen. Prompt gelten ihm verbale Aktivisten des Antimafia-Vereins Libera.
der Ndrangheta. Und sechs Prozent von den Drohungen. 1991 kommt es zu ersten Dieb- »Das ist jetzt meine Familie«, sagt Etwa 5.000 Personen partizipieren derzeit durch sie vergebenen öffentlichen Aufträgen stählen auf seinen Baustellen. Ein Jahr später Masciari trotzig und weiß um das Risiko, das nach Angaben des italienischen Innenmini- wollen Angestellte der Kommune einstrei- wird eine Garage angezündet – der Schaden er eingeht. »Man kann nicht nur gegen die sters am Schutzprogramm, größtenteils Fa- chen. Masciari zahlt stillschweigend beträgt 70 Millionen Lire, es folgen weitere Ndrangheta aufbegehren und sie juristisch milienangehörige von Zeugen. Zudem 978 und sieht sich nach anderen Auftraggebern Brandstiftungen, 1993 wird auf einen von bezwingen – man kann auch gegen dieses Pentiti, also Ex-Mafiosi, wovon 290 zur Cosa um. Er bekommt den Zuschlag für Projekte Masciaris Brüdern geschossen. Zur Ein- Syndikat seine Heimat behaupten.
Freitag 14
friedliche Koexistenz propagierte, der ein betrachtet werden müssen. Was wäre die langes einseitiges Atomversuchsmoratorium moderne Psychiatrie ohne die »ressourcen- Der Autor hat mir aus der Seele gesprochen! als Vorleistung erbracht hatte, der mit unzäh- orientierte« Therapie. Wahrscheinlich ist das Die offensichtlichen Systemvorteile der Ei- ligen Abrüstungsvorschlägen der Welt das nur durch Psychoeducation möglich. Ein senbahn bei Energie- und Schadstoffbilanz Wettrüsten ersparen wollte und zur Realisie- Recht auf Abweichungen von der Planbar- sowie Flächenverbrauch gaben auch für rung seines Gesellschaftsmodells nichts drin- keit und Konstanz ist nicht vorgesehen. Ein Sonntagsredner, Beschwichtiger und Schön- gender gebraucht hätte als Frieden und Ab- Recht auf Faulheit gibt es schon mal gar färber der neoliberalen Parteien seit Jahr- rüstung – und deshalb »tot gerüstet« werden zehnten Anlass für die Forderung nach einer musste. Danke, Ihr Friedensfreunde, dass Ihr Als unverschämt und arrogant empfinde tung gegenüber Iran und Irak wurden von Verkehrswende. Aktuelle Klima-Debatten die Seite geschwächt habt, die die Hauptlast ich den Hinweis auf den Sozialpsychiater den USA nicht als eine strittige Angelegen- werden zwar von Schwarzgelb nur zur Kern- im Kampf gegen die Nazibarbarei trug, die Heiner Keupp und den von ihm beschriebe- Rudolf Walther, »Ein Mechaniker der Macht«, Freitag, 16.
3. 2007 heit zwischen gleichgestellten Partnern, son- kraft-Verharmlosung instrumentalisiert, soll- die Entkolonialisierung ermöglicht hatte, die nen Zusammenhang von »Kohärenzgefühl dern als ein Fall von Insubordination behan- ten aber nach neueren, auch ökonomischen bei allen Tarifverhandlungen als dritter Ver- und chronischer Demoralisierung = Ist doch Zur zutreffenden Charakterisierung Stein- delt.« (s. Zbigniew Brzezinski, Die einzige Erkenntnissen schleunigst den Stellenwert handlungspartner unsichtbar die sozialen In- alles egal«. Dass diesem Wirtschaftssystem meiers und seinem Verhalten 2002 im Fall Weltmacht, Amerikas Strategie der Vorherr- des Systems Eisenbahn real erhöhen. Da an- teressen der abhängig Beschäftigten wahrge- die Arbeitslosen, Langzeitarbeitslosen, egal Kurnaz wäre noch hinzuzufügen, dass die of- schaft). Der ehemalige Sicherheitsberater von dere, gemeinwirtschaftliche Basisfunktionen nommen hat. Euer »Kerzenhalten« war er- sind, ist ein Eindruck, den man aus der tägli- fizielle deutsche Außenpolitik diametral den Präsident Carter und spätere Berater am Zen- der Bahn schon lange vor ökologischen Ein- folgreich: Es gibt eine unipolare Welt ohne chen Lektüre aller Zeitungen wohl gewinnen transatlantischen Diensten des BND entge- trum für Strategische und Internationale Stu- sichten bekannt waren, kam es nicht von un- Völkerrecht und mit neoliberaler Vernut- kann. Zudem steht in der EU-Verfassung genstand. Denn dieser hatte für das »Pro- dien (CSIS) in Washington meinte schon in gefähr, dass auch die rheinische, ja die eu- zung des Humankapitals.
nichts von einem Recht auf Arbeit. Aber es dukt-Marketing« des geplanten Irak-Krieges den neunziger Jahren, dass »im Zuge der eu- ropäische Kapitalismus-Version neben staat- Herbert Wolf, Mézin/Frankreich geht mir nicht um die chronische Demorali- eine Schlüsselstellung inne.
ropäischen Einigung« das Bündnis auf einer lichen Postverwaltungen auf Staatsbahnen sierung der Langzeitarbeitslosen. Ich denke Unter dem Codenamen Curveball präsen- gleichberechtigten Partnerschaft beruhen setzte. Einige historische Privatbahn-Pleiten Recht auf Abweichung eher an die chronische Demoralisierung im tierte er dem CIA einen irakischen »Infor- müsse. Es dürfe nicht mehr eine Allianz sein, mögen da auch Pate gestanden haben.
ganz gewöhnlichen Alltag, die nicht zuletzt manten« als vertrauensvolle Quelle, der be- »in der es, um traditionelle Begriffe zu ge- Die Stille um die unausgesetzte DB-Ver- Till Bastian, »Was erhält uns eigentlich gesund?«, Freitag, 9.
herbeigeführt wird durch die unverschämten hauptete, dass der Irak eine Flotte von mobi- brauchen, einen Hegemon und dessen Vasal- kaufsdrohung frappiert in der Tat. Parallel- Lügen der Politiker, zum Beispiel im Vorfeld len Biowaffenlabors gebaut hätte. Curveballs beispiel »Gesundheitsreform«: die gleichen Das Beste an diesem Artikel auf Seite 18 ist des Irak-Krieges, des Jugoslawien-Krieges – Behauptungen fanden Eingang in den Natio- Erich Schäfer, Wien Pseudo-Unterschiede zwischen den Groß- der Artikel von Georg Fülberth auf seiner man denke an den »Hufeisenplan« eines so- nalen Sicherheitsbericht der Vereinigten Staa- koalitionären; der gleiche undurchschaubare, Rückseite, auf Seite 17. Es gäbe sehr, sehr viel zialdemokratischen Militärfachmannes, heu- ten, in die Reden des US-Präsidenten und in Auf Verschleiß zu Bastians Text zu sagen. Nur einiges. te Radfahrer.
die berühmte wie peinliche Rede des damali- zwischen schon zuvor identischen Absichten Dass das »bei der Erfassung psychischer Hajo Hübner, Solingen gen Außenministers Colin Powell am 5. Fe- Heiner Mohnheim, »Die kalte Enteignung«, Freitag, 16. 3.
der Unions- und SPD-Spitze; die gleiche Gesundheit so bewährte Kohärenzgefühl« bruar 2003 vor dem UN-Sicherheitsrat.
mangelnde Zustimmung bei Basis und unbewusst sein soll, leuchtet nicht ganz ein.
Orpheus in der Unterwelt Neben anderen haarsträubenden Geschich- Zunächst möchte ich mich für die umfang- Unbewusst hängt mit Verdrängung zusam- ten hat diese vom BND beigesteuerte Erfin- reichen und immer sehr aufschlussreichen Bernhard May, Düsseldorf men, ein psychoanalytisches Konzept, mit Karsten Laske, »Berliner Unter-Tage-Blues«, Freitag-Ro- dung zur Rechtfertigung für den noch heute Artikel in Ihrer Wochenzeitung bedanken.
dem auch in einer psychosomatischen Klinik binson, 23. 2. 2007 andauernden Irak-Krieg maßgeblich beige- Mit sehr viel Interesse habe ich den Artikel Kerzenhalten war erfolgreich gearbeitet wird. Dass dieses Kohärenzgefühl Entschuldigung, dass ich mich erst jetzt dazu tragen. Heute wissen wir: Curveball war von Herrn Mohneim gelesen. Es ist sehr für »Vorhersagbarkeit, Planbarkeit und Kon- äußere, aber ich schlug mich mit rätselhaften nichts weiter als ein Screwball, ein Wirrkopf.
wichtig dass bei diesem Vorgang hier mehr Matthias Dell, »Lieber Freund«, Freitag, 16. 3. 2007 stanz als Qualitäten des Lebens« stehen soll, Computerproblemen herum: Danke für die (Darüber wie der Irak-Krieg in den USA Öffentlichkeit hergestellt wird, um die Bür- Matthias Dell als Laudator und den von ihm kommt sicherlich auch den Vorstellungen der U-Bahn-Beilage! Ein wunderbarer Streifzug »verkauft« worden ist, haben Frank Rich mit ger (Reisenden) aufzuklären! Bezug neh- porträtierten Friedensfreunden in der DDR EU-Bürokratie in Brüssel sehr weit entge- durch die Berliner Unterwelt, vom Alltägli- The Greatest Story Ever Sold und die beiden mend auf diesen Text, kann ich als langjähri- der achtziger Jahre sei Dank dafür, dass die gen, kümmert die sich ja auch um die Vor- chen hin zu tieferer Bedeutung. Ein schöner Autoren der New York Times, Michael Isikoff ger Mitarbeiter der Deutschen Bahnen diese Beiträge letzterer zur Welt, wie sie heute hersagbarkeit, Planbarkeit und Konstanz als und David Corn, mit Hybris im vergangenen Angaben bestätigen – auch aktuell habe ich ist, endlich hinreichend gewürdigt wurden Qualität der grünen Salatgurke. In so einem Bettina Klix, Berlin Jahr zwei lesenswerte Bücher geschrieben.) weiterhin den Eindruck, soweit ich den Ein- und werden. Der Dank gilt auch einer in der System wäre kein Platz für Überraschungen, Vor diesem Krieg musste alles vermieden wer- blick habe, dass abgehängte Streckenbereiche Vermittlung der DDR- Realität ebenso un- Risiko, Unsicherheit, Liebe und Freiheit. Es Windeln wechseln den, was auf die tiefgreifende Unterstützung wie zum Beispiel in der Region des Bahnho- parteiischen wie objektiven Institution wie gab mal ein Buch eines berühmten Psycho- und Kooperation der Dienste diesseits und fes Berlin-Lichtenberg (Blo) und dem dazu- der Bundeszentrale für politische Bildung.
analytikers mit dem Titel Der überraschte Leserbriefe von Eugen Maus, Dirk Schubert und Thomas jenseits des Atlantiks bei der Erzeugung eines gehörenden Berliner Biesdorfer Kreuz Dank allerdings nur, wenn man denjenigen Analytiker. Der hatte bestimmt ein beschä- Hartmann, Freitag, 23. 3. 2007, zu: Claudia Neusüss, »Blu-men inbegriffen«, Freitag, 9. 3. 2007 günstigen Kriegsklimas und der Abwicklung (BBik) die Langsamfahrstellen zunehmen Kräften auf unserem Globus nahe steht, die digtes Kohärenzgefühl. Aber bleiben wir von Gefangenenrotationen hingewiesen hät- und reichlich wenig von Bahnseite getan schon damals das Motto ausgaben »Es gibt noch etwas bei der EU. Mensch Ihr Frauen! Drei Männer sagen uns te. Einen Fall Kurnaz durfte es daher nicht ge- wird, den Zustand zügig zu beseitigen. Auch wichtigere Dinge, als im Frieden zu leben« Von Elmar Altvater erfahren wir in dersel- Bescheid: WIR SIND GAR NICHT DIS- meine ehemaligen Mitarbeiter und ich im In- (US-Außenminister Haig) oder: »Dem so- ben Freitag-Ausgabe, Seite 1, etwas über ei- KRIMINIERT! Wir verdienen gar nicht we- Helmut Weigel, Hamburg standhaltungsbereich FahrbahnNetz bezie- wjetischen Huhn den Kopf abschlagen« (als nige Paragraphen der EU-Verfassung: niger. Wenn wir nicht in den falschen Beru- hungsweise Bahnbau hatten spätestens Ende es um die Pershing-II-Raketen ging). Oder: III/178, III/185, III/233. Stellvertretend sei fen wären. Wenn wir nicht dummerweise un- der neunziger Jahre feststellen müssen, dass »Achtung: die Bombardierung der Sowjet- der § 178 zitiert: »Die Mitgliedstaten und die sere Berufslaufbahn unterbrechen würden, vermehrt auf Verschleiß gefahren wurde, wo- union beginnt in fünf Minuten« (»Sprech- Union handeln im Einklang mit dem Grund- nur damit wir die Väter ärgern können, in- Willy Wimmer, »Sperr-Riegel gegen Russland«, Freitag, bei dies vereinzelt schon in den Bereich der probe« von Präsident Reagan). Kräfte, deren satz einer offenen Marktwirtschaft nach frei- dem wir ihnen das Sorgerecht streitig ma- Betriebsgefährdung reichte! Ich bitte Sie, in Mittel stets der auch heute noch beanspruch- em Wettbewerb, wodurch ein effizienter Ein- chen. Wenn wir unseren beruflichen Aufstieg Über die zwischen den USA, Tschechien und dem Bemühen, die Öffentlichkeit weiter auf- te atomare Erstschlag war und ist.
satz der Ressourcen gefördert wird.« nicht so sträflich vernachlässigen würden, Polen bilateral vereinbarte Errichtung eines zuklären, um eine totale Privatisierung der »Vor 25 Jahren formierte sich der Protest .
Bei Bastian lesen wir – er ist immerhin Psy- um Kinderpopos zu wischen, Windeln zu Raketensystems gibt es Meinungsverschie- Deutschen Bahn zu verhindern, nicht nach- gegen die Aufrüstung in der DDR« – heißt es chotherapeut und arbeitet mit der Sprache –, wechseln, in Elternbeiräten zu sitzen und In- denheiten. »Auch die euroamerikanischen im Text –, aber die DDR war ein Teil des dass »nicht mehr allein die Konflikte und De- itiativen für einen besseren Nahverkehr zu Meinungsverschiedenheiten über die Hal- Frank Hartje, Berlin Blockes, der statt des »NATO Roll Back« die fizite, sondern die Ressourcen des Patienten« gründen, Fahrdienste zu FreundInnen, Mu-sikschule und so weiter zu leisten . Und dass die Männer nicht zum Arzt ge- Ich abonniere / verschenke hen, daran sind wir auch schuld! Weil wir sienicht, wie es unsere Pflicht wäre, am Händ-chen nehmen. Dabei hat sich das Blatt längst den Freitag für mindestens ein Jahr gewendet und die eigentlich unterdrückten sind die Männer. Jungs, wenn's nach mir gin-ge, bekämt ihr nur so viel Sorge- und Um- gangsrecht, wie ihr auch bereit wärt, an Sor-ge und Umgangsarbeit zu investieren. By the Strasse, Nr.
way: Haben die drei Jungs eine Erklärung dafür, warum Frauenberufe (die überwie-gend Sorgeberufe sind) deutlich schlechter Die Rechnung geht an: bezahlt werden als Männerberufe, obwohldie Qualifikationsvoraussetzungen als auch die Anforderungen genauso hoch oder höher Strasse, Nr.
Datum, Unterschrift Lebhafte DebattenZum Freitag Ich möchte mich einmal bei Ihnen herzlich dafür danken, dass es eine Zeitung wie den Normalpreis ❑ E 11,00 ❑ E 33,00 ❑ E 066,00 ❑ E 132,00 Freitag gibt. Es ist ein Gewinn, ein Blatt le- ermäßigt** ❑ E 07,70 ❑ E 23,10 ❑ E 046,20 ❑ E 092,40 sen zu können, welches sich unterscheidet ❑ E 18,50 ❑ E 55,00 ❑ E 110,00 ❑ E 220,00 vom gängigen Mainstream und welches die Als Prämie für ein Jahresabo möchte ich Geschehnisse in Politik und Gesellschaft oft ■ Dario Fo ■ Gerhard Holtz-Baumert von einer anderen Seite beleuchtet oder inEcken der Welt schaut, die für gewöhnlich in (Ausland zzgl. Versand / Jahr: Luft: E 41,- / Land: E 31,-) * nur bei Erteilung einer Einzugsermächtigung den anderen Medien kaum Beachtung fin- ** Für Schüler, Studenten, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und den. Auf diese Weise wird einem als Leser Rentner gegen Beleg manches erst richtig bewusst. Ihre Zeitung ❑ bequem per Bankeinzug ❑ nach Erhalt einer Rechnung gibt übrigens darüber hinaus häufig Anlasszu lebhaften Debatten in meinem Freundes- kreis, und sie trägt bei uns den Spitznamen »Zauberblatt«, was durchaus als Anerken- Vertrauensgarantie: Mir ist bekannt, dass ich diese Bestellung innerhalb von 7 nung gemeint ist.
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FREITAG: Frau Luo, welchen Unter- schied macht es, wenn Sie auf deutschschreiben?LUO LINGYUAN: Auf Chinesisch geht es natürlich schneller. Wenn ich aufdeutsch schreibe, kommt manchmal stun-denlang kein Wort, ich denke langsamer. Ge- rade wenn ich über China schreibe wie inmeinem Erzählungsband Du fliegst für mei- Was Fernsehwahlen von nen Sohn aus dem fünften Stock! fallen mir Nationalhelden sagen über das zuerst chinesische Bilder ein. Die muss ichdann für mich übersetzen. Meine Denkweise Publikum, das sie heute schaut ist immer noch mehr chinesisch als deutsch.
Was wäre denn eine deutsche Denkweise? Das Wort »Termin« kann man zum Beispiel nicht übersetzen. Wenn wir das auf chine-sisch sagen, klingt es immer nach Rendez-vous. Da zeigt sich eine unterschiedliche Art, Nun also Salazar. Die älteren unter den Leserinnen werden sich erin-nern. Portugiesischer Diktator von1932 bis 1968, gestorben 1970, vier Jahre bevor Portugal die Diktatur stürzte miteinander zu kommunizieren. Chinesen und seine Kolonien frei gab. Sie werden sich sind neugieriger, sie stellen Fragen ohne auch, das mit erheblich freundlicheren Ge- Ende, über Eltern, Großeltern, Freunde, Ge- danken, an den portugiesischen Kommuni- liebte, alles. Wenn ein Deutscher jemanden stenführer Alvaro Cunhal erinnern, der Sa- kennen lernt, sind ihm solche Fragen pein- lazar biologisch und politisch überlebte und lich. Oder er glaubt, dass die dem anderen bei der »Nelkenrevolution« 1974 eine aktive peinlich sind. Deutsche versuchen vorsichtig Rolle spielte. Bei der Fernsehwahl zum zu sein. Deswegen dauert es so lange, bis sie »Größten« Portugiesen des Staatssenders wirklich mit einem warm werden.
RTP belegte er hinter Salazar (41 Prozent)den zweiten Platz mit 19 Prozent.
Was war dann der Impuls, in dieser Sprache Die Ranking-Sucht zahlreicher Main- zu schreiben? stream-Medien kann man mit Recht als an- Konkret war es ein Wettbewerb, an dem ich steckende Krankheit sehen. Je weniger teilnehmen wollte. Zuvor hatte ich deutsche übersichtlich Lebensplanung, Gesellschaft und europäische Bücher über China gelesen und Politik werden, um so mehr steigt das und das Gefühl, dass da etwas fehlt. China Bedürfnis nach Sicherheit und Ordnung.
war nicht unbedingt falsch dargestellt, die Das versuchen die Medien mit möglichst Texte waren auch reflektiert, aber ich habe viel Marketing-Lärm zu bedienen. Dass sie gemerkt, dass ich viel mehr erlebt habe. Es auch mit dieser Methode nur eine Illusion gibt Dinge, die man als Tourist nicht erleben verkaufen, gehört nach ihrem Selbstver- kann. Solche Geschichten erfährt man nicht ständnis zum Geschäft. Die ZDF-Gesichter an einem Tag oder in einem Monat, sondern Johannes B. Kerner, der die ZDF-Show Un- in Jahren. Man hat gesehen, wie ein Kind in sere Besten moderierte, und Guido Knopp, der Nachbarschaft jahrelang verprügelt wur- der für den späteren Sieger Adenauer plä- de und am Ende stirbt. Das sind Dinge, die dierte, sind Meister dieser Komplexitätsre- ich nicht vergessen kann und die auch zum duktion. Aus ihr spricht die Verachtung der Leben in China gehören. Deshalb glaube ich, vermeintlich intelligenten Medienmacher darüber schreiben zu müssen.
für ihr Publikum, das in ihren Augen ent-schieden dümmer ist als sie selbst.
Welche Bücher von deutschen oder europäi- Wie so oft war die BBC die erste Fernseh- schen Autoren lesen sie denn? anstalt, die diesen Zirkus unter dem Titel Die Klassiker, Victor Hugo, Charles 100 Greatest Britons veranstaltete. Dort ge- Dickens, die viel zu erzählen haben. Ich ste- wann Churchill. In den USA war es Ronald he in einer anderen Tradition. Wir Chinesen Reagan, im deutschen ZDF wie gesagt Kon- mögen es, in einer unheimlichen Dichte von rad Adenauer und in den Niederlanden, ein reichen Charakteren zu erzählen. Hier wird ähnlich spektakuläres Ergebnis wie in Por- in der Literatur reflektiert, analysiert und so tugal, der ermordete Rechtspopulist Pim weiter. In China sagt man, die Deutschen sind ganz tolle Philosophen und deshalb den- Was wollen uns solche Ergebnisse sagen? ken sie manchmal ein wenig zu tief. Für das Vor allem sagen sie, welches Publikum seine Erzählen kann Philosophie hinderlich sein.
Abende vor der Glotze verbringt und für Ich will ja nicht beleidigend sein, aber Tho- welches Publikum das Fernsehen noch im- mas Mann, das ist mir zu trocken.
mer das Leitmedium ist. Einfacher ist das inDeutschland mit dem fortdauernden Quo- Deutsche Autoren können nicht erzählen. tenerfolg der »Volksmusik« zu erklären.
Ja, aber wenn man die Kinderliteratur sieht, Solche Sendungen erreichen an dunklen dann denkt man: das Potenzial ist doch da.
Winterabenden fünf bis sieben Millionen Durch meine Tochter habe ich ganz wunder- Zuschauer. Das ist dann ein Marktanteil von bare Sachen entdeckt, Paul Maar, Otfried 15 bis 20 Prozent. Das heißt: 80 Prozent Preussler, Der Räuber Grapsch von Gudrun gucken etwas anderes. Die Mehrheit aber, Pausewang. Also eigentlich können die Au- und das ist gesellschaftlich noch entschei- toren gut erzählen. Nur wenn sie glauben,dass sie für Erwachsene etwas Tolles machen Blühende Bauernhöfe dender, sitzt nicht vor der Glotze, sondernweiß mit dem Samstagabend etwas Sinnvol- sollen, dass nicht gelacht werden darf und al- leres anzufangen. Dabei sind die vor der les immer ein bisschen schwermütig sein Glotze die Alten; die, die sie vermeiden, die IM GESPRÄCH ■ Die Schriftstellerin Luo Lingyuan über deutsches Erzählen, chinesischen muss, dann wird es mit der Literatur nichts.
für ihren angebliche Mediensucht gescholte- Nationalgeist und europäischen Reichtum In ihrem Roman »Die chinesische Delegati- Der Intendant des Senders, der »die besten on« lebt die Reiseleiterin Sanya ein halbes Le- einfach nur eine Produktionsstätte für west- den chinesischen Minderheiten nicht be- Den Kommunismus hatte man sich aber an- Deutschen« wählen ließ, Markus Schächter ben in Deutschland. Einmal sagt sie, dass Eu- liche Firmen sein.
haupten, was die Regierung gemerkt hat. Sie ders vorgestellt. (59), wird – so ein derzeit kursierendes ropa ihr eine Form der Freiheit ermöglicht versucht, denen jetzt mehr Rechte zu geben.
Das ist ja auch eine falsche Idee: Das Land, Bonmot – in einem Jahr endlich das Durch- hat, die es in China noch immer nicht gibt. Hierzulande macht gerade diese Seite an Sie dürfen ein Kind mehr bekommen und dass allen gehört, gehört in Wirklichkeit kei- schnittsalter seines Senderpublikums errei- Was verbinden Sie mit Europa darüber hin- Chinas Aufstieg manchem Beobachter Angst. ihre Kultur stärker aufleben lassen, Tänze nem. Da versucht jeder herauszuholen, was chen. So gesehen kann das ZDF-Ranking Chinesen sind sehr empfindlich, wenn sie tanzen, Trachten tragen. Da ist aber noch vie- er herausholen kann. Ich war nie wirklich von 1. Adenauer, 2. Luther, 3. Marx, 4. So- Durch die Ost-West-Wiedervereinigung merken, dass die andere Seite sich überlegen les oberflächlich, Folklore. Wenn man eine vom Sozialismus begeistert. Die Idee ist gut, phie und Hans Scholl und 5. Willy Brandt macht sich Europa zum Vorbild. Die Trüm- fühlt. Dann versuchen sie, den anderen zu gewisse Stärke erreicht hat, wenn ein Land aber nicht sehr menschlich. Menschen haben nicht überraschen.
mer des Kalten Kriegs sind weggeräumt, die schikanieren, das Geschäft nicht zustande reich und demokratisch ist, hat man Natio- einen gewissen Egoismus. Wenn etwas mit Churchill war der letzte Brite, der einen Spuren der Trennung werden weniger. Dieser kommen zu lassen. Das ist vielleicht etwas nalismus nicht mehr nötig. Jeder weiß, dass mir zu tun hat, wenn etwas mein Interesse Krieg gewonnen hat (naja, der Falkland- Frieden in 50 Jahren, dass man miteinander Neues. Dass die Chinesen durch den Natio- das Gesetz funktioniert, und wenn etwas betrifft, dann lege ich Wert drauf. Deshalb ist Krieg war ja kein »richtiger«); gleiches gilt immer besser auskommt, das beeindruckt nalgeist, der von der Regierung unterstützt falsch gelaufen ist, wendet er sich ans Gesetz.
der Schutz des Privateigentums wichtig: für den französischen »Besten« de Gaulle, mich. Und natürlich die Stärke, der Reich- wird, arroganter geworden sind. Früher wa- Das ist in China noch nicht so. Deshalb Man hat eine direkte Liebe zu dem Stück beide im übrigen Zeitgenossen des deut- tum, immer ganz vorn zu sein. Der Reichtum ren sie nur bescheiden, bescheiden, beschei- braucht es den Nationalgeist, der alle ein we- Land. In China haben wir immer gesagt, dass schen Siegers Adenauer. In Russland würde wird für Chinesen besonders auffällig in den. Je stärker China sich fühlt, desto weni- nig zusammenhält.
hier in Deutschland ein sozialistisch-kapita- so gesehen vermutlich Breschnew gewin- Westeuropa: an den ger Angst wird es vor listisches Modell entstanden ist. Es gibt eine nen, wie es in den USA Reagan getan hat.
Bauernhöfen, die so der Außenwelt ha- In Deutschland ist das Nationalgefühl nicht starke Mittelschicht, man achtet darauf das Es ist das Unwohlsein der Couch-Potato- Die Autorin Luo Lingyuan wurde 1963 im Süd- schön mit Blumen unproblematisch. Wie nehmen Sie dieses ge- Geld ein bisschen zu verteilen. Es gibt keine Generation vor den heutigen Unsicherhei- westen Chinas geboren. Sie studierte Journa- geschmückt sind, brochene Verhältnis wahr? wirklichen Bettler; in China gibt es Men- ten der Globalisierung, den Auswirkungen listik und Computerwissenschaft in Shanghai obwohl da kaum je- So ein Nationalgeist Es gibt ja die Neu-Nazis. Vor deren »Na- schen, die nicht wissen, wo sie einen Cent für des Neoliberalismus und der gesellschaftli- und lebt seit 1990 in Berlin. Seit 1992 veröf- ist aber nicht dazu ge- tionalgeist« hat man in China manchmal den Tag herbekommen, denen gibt das Land chen Individualisierung. Die Siegerfiguren fentlicht sie in chinesischen Zeitschriften.
ist der Bauer reich, eignet, die Sorgen be- Angst, das hängt aber auch davon ab, wie dieser TV-Wahlen verkörpern die »besseren Nach einem auf deutsch verfassten Erzäh- in China rangiert er sagter Beobachter zu darüber berichtet wird. Mein Eindruck ist, Zeiten« in denen – angeblich, aber nicht lungsband vor zwei Jahren, hat sie kürzlich an der untersten Stu- dass die nicht wirklich stark sind. Was mir Gerade diese Mittelschicht ist aber dabei sich wirklich – alles noch stabiler war. Haben ihren ersten Roman vorgelegt, in dem die Ti- fe der Hierarchie.
Das chinesische Na- auffällt: Die Chinesen sprechen mit viel aufzulösen, die Spanne zwischen arm und 60-Jährige und Ältere das in ihrer Mehrheit tel gebende »Chinesische Delegation« auf Eu- tionalgefühl unter- mehr Liebe und Hoffnung über ihr Land.
reich wird größer. jemals anders gesehen? ropafahrt geht.
Gerade bei den Bau- scheidet sich sehr von Deutschland dagegen ist reich, aber man Das ist die Aufgabe der Politik, das zu re- Das macht, so schlau sind auch die Jünge- ern ist der Wohl- jammert immer ein bisschen. Es gibt einen ren, nicht alles falsch, was die Älteren sehen.
stand ja eine Folge sehr deutlicher Interessen- Reichs. Deutschland war angriffslustig, woll- chinesischen Spruch, von einem, der ständig Darum sind es ja viele Junge, die im Juni ge- politik. Und Reichtum sieht man als Deut- te immer mehr Raum erobern. China ist fried- fürchtet, dass der Himmel runterfällt und Sie haben viele europäische Länder gesehen. gen den G8-Gipfel in Heiligendamm de- scher zumeist eher kritisch. lich. Ich denke nicht, dass die Regierung vor- deswegen den ganzen Tag schlecht gelaunt Könnten Sie sich vorstellen, in einem anderen monstrieren wollen und auch die Kirchen- Chinesen machen gerne Geschäfte und jetzt hat, andere Länder anzugreifen. Das Land ist ist. So kommen mir die Deutschen vor. Was als Deutschland zu leben? tage bevölkern. Mag sein, dass viele von ih- ist endlich die Zeit da, wo sie das können. Sie groß genug und hat schon so genügend Pro- merkwürdig ist.
Es gibt ja überall ähnliche Werte, insofern nen auch solche Medienwahlen verfolgen, dürfen endlich, und deshalb ist es für viele bleme. Der Nationalgeist ist ein Versuch, das sind die Unterschiede gering. Frankreich etliche auch spielerisch daran teilnehmen erst mal erstrebenswert, reich zu sein. Das Zusammenleben zu organisieren, in dem man mag ich wegen der Literatur, die für Chine- (und eine Figur wie Daniel Kübelböck, gilt auch für das Land als solches, es will wie- ein gemeinsames Ziel ausgibt: die wirtschaft- Die Menschen hier sind viel engagierter.
sen vielfältiger ist als die deutsche. In Italien längst vergessen, seinerzeit im ZDF auf der eine Nummer sein in der Welt. China hat liche, technische und wissenschaftliche Stär- Obwohl sie nicht zeigen, dass sie ihr Land lie- strahlen die Menschen mehr Wärme aus. Die Platz 16 wählten). Aber sie nehmen es nicht erstaunlich viel geschluckt, ohne einen Krieg ben, setzen sie sich für es ein. Es gibt ver- Deutschen sind vielleicht warmherzig, aber so ernst, weil sie ein souveräneres Verhältnis zu führen. Das Land wurde von Japanern schiedene Demonstrationen, da gehen Leute sie zeigen das nicht. Dafür machen sie ihre zu den Medien entwickeln. Sie gehen mit und Europäern besetzt, das Volk von der ei- In Ihrer pragmatischen Auffassung wäre Na- hin wie du und ich, die haben eine Meinung Arbeit sehr gut. Ich habe hier viel gelernt, den zahlreichen neuen medialen Alternati- genen Regierung unterdrückt, und dennoch tionalgefühl dann eine Art Placebo, das verab- und an die glauben sie auch. Wenn sie mei- weil ich häufiger Kritik bekommen habe, ven bewusster um als ihre Eltern und vor al- gab es keinen Aufruhr. Daher kommt eine reicht wird, bis die wirtschaftliche oder politi- nen, sie müssten was für die Umwelt tun, dass ich zu schlampig arbeite. Manchmal lem die Politikerinnen, die, völlig ahnungs- gewisse Vorsicht: Die Chinesen möchten sche Kraft fürs nötige Selbstbewusstsein sorgt. dann achten sie auf ihr alltägliches Verhalten wurde ich dreimal auf einen Fehler hinge- los, ihnen alles Mögliche, was sie selbst nicht schon wieder reingelegt werden. Bei Ich denke schon. In der erfolgreichen EU und erziehen ihre Kinder auch so. In China wiesen. Und hab ihn doch wieder gemacht.
nicht kennen, verbieten oder zumindest Geschäften verlangen sie, dass technisch zu- kann jedes Land verschieden sein in punkto kümmert man sich nur um die Familie, sammengearbeitet wird. Das Land soll nicht Sprache und Lebensstil. Das kann man von Hauptsache, der Familie geht es gut.
Das Gespräch führte Matthias Dell Martin Böttger Freitag 14
gewaltige Output der Privaten sei auch ar-beitsmarktpolitisch ein Problem, weil die mei- Der raue Wind der Ökonomie sten Schüler auf dem Markt gar keine Chancehätten. Bis auf wenige Ausnahmen lässt dieZBF zu ihren Vorsprechen Privatschulen garnicht mehr zu: »Die Ergebnisse sind in allerRegel deplorabel«. Eine dieser Ausnahmen istdie Schule des Kölner Theater der Keller.
Symptomatisch ist, dass 1954 zunächst die »EMPOWERMENT« UND »BOLOGNA-PROZESS« ■ Schauspielschulen begreifen ihre Ausbildung immer mehr als Vorbereitung auf einen Markt, Schule, dann erst das Theater gegründet wur-den. Diese Genese ist Programm insofern, als auf dem sich jeder selbst verkaufen muss die Schüler bereits früh Bühnenerfahrungsammeln sollen. Der Lehrplan mit Grundla- Das kannst du vergessen. Vergessen« Unternehmertum und Selbständigkeit, der lelen zur Schauspielausbildung sind dabei doch der ab 2008 angebotene Masterstudien- genunterricht, tägliches Bewegungstraining »Was soll das heißen?« »Was das aber auch noch auf anderer Ebene greift.
schlagend. Mit anderen Worten: die Folgen gang soll als »projektorientierter Ausbil- bis zu individuellem Rollenstudium unter- heißen soll?« »Ja« »Das ist doch wohl »Wir müssen die Schüler viel mehr fordern, der Erziehung von 68 werden nun mit wei- dungsteil, bei dem größere und kleinere Auf- scheidet sich kaum von der Folkwang Hoch- völlig klar: das heißt, dass du…« – die selbst Entscheidungen zu treffen«, sagt De- führungen realisiert werden« dann mehr Mo- schule. Erstaunlich ist jedoch die große An- Sätze zischen durch den Raum wie Peit- kanin Marina Busse und weiß, dass sie damit derselben Generation wieder wettgemacht, bilität ermöglichen. Dafür haben sich die zahl von 19 Dozenten, aus dem vor kurzem schenhiebe. Anna Staab und Matthias Eberle den Finger auf zwei Wunden zugleich legt.
damit den Schauspielschülern der raue Wind Schauspielschulen in Zürich, Bern, Verscio Dozentin Estera Stenzel als Professorin an proben eine Szene aus Roland Schimmel- Da sind einmal die Bildungsdefizite vieler des Marktes zur Brise wird.
und Lausanne zu einem Angebotspool zu- die Hochschule Ernst Busch berufen wurde.
pfennigs Push up. Doch die beiden Schau- Schüler, die die Dekanin schon mal ihre Stu- All die neuen Lehrinhalte müssen nun mit sammengeschlossen, aus dem die Studenten Doch die geringe Zahl von 24 Semesterwo- spielschüler der Essener Folkwang Hoch- denten ins Museum schleppen lässt. Das an- dem im »Bologna-Prozess« vorgesehenen sich ihre Fächerkombination zusammenstel- chenstunden führt ins Herz des Problems.
schule sind unzufrieden: seit Tagen arbeiten dere Problem ist gravierender: Es gibt nicht Modulsystem und der Bachelor/Masters- len. Schon heute machen Studenten aus Privatschulen sind Wirtschaftsunternehmen, sie alleine an der Szene, aber die emotionale genug Studenten mit Biss und Durchset- Struktur des Studiums verbunden werden.
Gießen und Hamburg ihren Abschluss in die von ihren Einnahmen leben müssen. »Da- Palette will nicht farbiger werden. Dass Anna zungskraft. Marina Busse macht dafür die Um den Bachelor hat man sich in Essen al- Zürich. Hartmut Wickert kann sich vorstel- durch dass sich die Schule vollständig selbst Staab und Matthias Eberle eine Dialogszene behütete Erziehung durch die 68er-Eltern lerdings gedrückt und den neuen Folkwang- len, dass in Zukunft in Bereichen wie Perfor- finanziert«, so Direktor Hanfried Schüttler, ohne Lehrer erarbeiten, ist nichts Außerge- verantwortlich. Was dies für die Besetzungs- Abschluss kurzerhand in »Art Diploma« mance auch englischsprachige Studenten »ist keiner der Lehrer festangestellt.« Jede Er- wöhnliches. In Zukunft soll dies sogar weit politik, für Rollenprofile bedeutet, kann man umbenannt. »Unsere intensive Ausbildung nach Zürich kommen. Schöne Welt der Glo- weiterung des Lehrangebots kostet Geld, das stärker die Essener Schauspielausbildung be- nur erahnen. Aber nicht umsonst taucht in ist eher dem Master adäquat«, begründet balisierung oder neue Internationale der die Schüler bezahlen müssen. Die monatli- stimmen als bisher.
Essen und an anderen Schulen wie ein Man- Hanns-Dietrich Schmidt die Entscheidung.
chen Belastungen liegen jetzt schon bei 350 Seit 2001 arbeitet die Folkwang Hochschu- tra das Wort von der »Selbständigkeit« auf.
In der Schweiz ist man da weiter. Die deut- Bologna wird kommen und die hiesigen Euro im ersten und 385 Euro ab dem zweiten le an einem neuen Ausbildungskonzept. Der Offensichtlich geht es dabei um Strategien, sche Kritik an der modularisierten Schau- staatlichen Schulen werden sich dem anpassen Jahr. Die Schule gerät dadurch in einen Teu- Anlass für die Reform liegt zum einen in der die als empowerment in Mode sind. Empo- spielausbildung wie der Umwandlung des müssen. Doch was bedeutet »Bologna« für die felskreis: je mehr Schüler, desto mehr Einnah- Vereinheitlichung der europäischen Hoch- werment wurde ursprünglich von der ameri- Diplomabschlusses teilt Hartmut Wickert, privaten Schauspielschulen? »Wir haben ein men. Trotzdem leistet man sich ein knallhar- schul-Ausbildung, die unter dem Stichwort kanischen Bürgerrechtsbewegung der siebzi- der Departmentleiter für Darstellende Kunst sehr kritisches Verhältnis zu den privaten tes Prüfsystem, das nach jedem (!) Semester »Bologna-Prozess« firmiert. Dahinter ver- ger Jahre geprägt und meint eine Selbster- und Film der Zürcher Hochschule für Musik Schauspielschulen«, sagt Michael Schäfermey- aussiebt, so dass am Ende der Ausbildung von birgt sich kurz gefasst: die Einführung einer mächtigung, die Verantwortung nicht mehr und Theater, nicht. In Zürich hat man einen er von der ZBF ohne Umschweife und weist 15 Schülern oft nur noch acht übrig bleiben.
auf Instanzen wie Gesellschaft oder Eltern dreijährigen Bachelor-Studiengang einge- auf Defizite bei den Ausbildungszeiten, den »Bisher hat das Inhaltliche über das Wirt- der Studierenden, Einführung eines gemein- abwälzt. Nach Gründen wird nun nicht mehr richtet, der allerdings nicht »berufsqualifizie- Curricula oder den Lehrenden hin. Die Zahl schaftliche gesiegt«, sagt Hanfried Schüttler samen Punktesystems, Vergleichbarkeit der gefragt; empowerment will die vermeintlich rend« ist; sondern nur die »Eintrittsberechti- der Privaten schätzt er auf 150 bis 200 – ge- stolz. Was andererseits zur Folge hat, dass Abschlüsse, Beteiligung der Studierenden ungenutzten Autonomie- und Machtquellen gung, um den eineinhalbjährigen Master-Stu- genüber 18 staatlichen deutschsprachigen Schüler im zweiten Jahr nur 90 Minuten ge- und Europäisierung des Hochschulbereichs.
des Subjekts freisetzen und sie einer umfas- diengang zu beginnen«. Am schauspieleri- Schauspielschulen. Dass dies zu einem Zwei- nuinen Rollenunterricht pro Woche erhalten.
Zum Zweiten hat man die anstehende Fusion senden Selbstkontrolle zuführen. Die Paral- schen Basisunterricht ändert sich nichts, klassensystem geführt hat, ist nur das eine. Der Nun kommen die Auswirkungen des »Bo- mit der Bochumer Schauspielschule und die logna-Prozesses« hinzu. Dass Studenten veränderte Marktsituation für Schauspieler zwischen privaten und staatlichen Hoch- als Chance begriffen, so Dekanin Marina schulen wechseln, scheint wenig wahrschein- Busse, »die Ausbildung grundsätzlich zu hin- lich. Vielleicht deshalb spricht Hanfried Schüttler eher von Kooperationen mit Me- »Marktsituation« meint dabei vor allem die dienhochschulen, Angeboten im Bereich sich auflösenden Ensembles. Hanns-Dietrich Fernsehen und Casting, stärkerer Verbin- Schmidt, Professor für Dramaturgie und dung von praktischer und inhaltlicher Arbeit.
praktische Theaterarbeit: »Es gibt immer we- Seine Marktanalyse und Lösungsstrategien niger Anfängerstellen für Schauspielabgän- ähneln dann auf verblüffende Weise denen ger, aber immer mehr Möglichkeiten zu ga- der Folkwang-Hochschule. Auch an der stieren.« Abgänger müssten sich deshalb viel Schule des Keller Theaters sollen Eigenenga- flexibler und selbstbewusster in Zwischenbe- gement und Selbstermächtigung des Schülers reichen bewegen, in denen sie Stücke oder immer größer geschrieben werden. spartenübergreifende Projekte entwickeln, Und gerade da fühlen sich die Keller- anschließend arbeitslos seien, dann wieder in Schüler im Vorteil. Der junge Firat Baris Ar: Filmen mitwirkten. Die Konsequenz daraus »Wir wissen, dass wir eine gute Ausbildung ist, so Schmidt, »dass wir die Eigeninitiative, bekommen, aber letztendlich ist es eine pri- das Selbstbewusstsein und die Eigenarbeit vate Schule und wir müssen mehr kämpfen.« des Schauspielers stärker fördern wollen«.
Der türkischstämmige Schauspielschüler Ein verbindlicher Lehrplan wird erst 2008 weiß, wovon er spricht. Er hat seine Ausbil- fertig sein. Doch klar ist, dass die vierjährige dung zum Einzelhandelskaufmann abgebro- Ausbildung erhalten bleibt, der Fokus auf der chen, musste seine Eltern von seinen Plänen klassischen Rollenausbildung allerdings überzeugen, hatte nach drei Vorsprechen im- schwächer wird. Studenten der Ausbildungs- merhin zwei Zusagen von Schulen und ist gänge Schauspieler, Mime/Körpertheater, nun, wie er sagt, in eine völlig neue Welt ein- Regie und des neuen Fachs »Theater ma- getaucht. Um die Zukunft ist ihm deshalb chen« absolvieren zunächst eine einjährige nicht bang. »Ich glaube, dass die Leute, die es gemeinsame Grundausbildung, bevor man hier schaffen, härter und innerlich reifer sind sich dann stärker auf die facheigenen Inhalte als die anderen.« Keine schlechten Vorausset- und schließlich die Arbeit in Produktionen zungen, um am Ende auf dem hart um- konzentriert. Wichtig ist die Durchlässigkeit kämpften Markt zu bestehen.
der Studiengänge und die Erhöhung der Zahlan freiwilligen Kursen für die Studenten. Stolz ist man besonders auf das neue Fach »Theater machen«, das in Kooperation mit Die aktuelle Fernsehwerbung zwischen Witz, Wichtigtuerei und Pseudo-Wissenschaft Performern wie der britischen Gruppe For-ced Entertainment entwickelt wurde. »Daszielt«, so Hanns-Dietrich Schmidt, »auf ei-nen selbständigen Autor-Produzenten, alsojemand, der im Bereich Performance arbeitenkann, der seine eigenen Stücke schreibt, deraber auch weiß, wie er Sponsorenmittel von Gegurgeltes Parfum welchen Leuten bekommt«. Ein Trend zu Hervorgegangen aus dem Sonntag, Unser Fernsehen besteht aus Werbe- Heute zieht man mehr vom Leder: Da wird vor, Sie wollten die Welt retten, das hat nicht pen?« Diese Aufforderung zu einer ontolo- blöcken, um die herum Spielfilme, Nivea Visage DNAge angepriesen, ein geklappt, und Sie haben das Schwert Ihres gischen Grundsatzdiskussion bleibt unerwi- Nachrichten, Shows und Reporta- Schmierstoff für die »Zell-Erneuerung mit übermächtigen Gegners in der Brust. Mit dert. Sie kleistert sich daraufhin trotzig die gen drapiert werden. Das weiß ich zellaktiver Folsäure«. Alsbald erfährt man röchelnd-ersterbender Stimme sagen Sie nur Lippen zu, und mit dem uns inzwischen ver- seit 1978, als ich in der Nähe von San Diego inmitten einer Wissenschaftlichkeit assoziie- noch: »Es ist aus!« In diesem Tonfall und mit trauten Understatement sagt eine Off-Stim- Freitag Berlin, gegründet 1946 vom Kultur-
bund zur demokratischen Erneue- / USA in einem Motel saß und der Fernse- renden Raumausstattung, dass Eucerin das dem Akzent einer kaum identifizierbaren me »Rouge allure – Chanel«, worauf der rung Deutschlands, und der Volkszeitung, ehemals Deutsche Volks- her gerade eine Chaos-Landschaft präsen- körpereigene Hyaluron reaktiviert. Ehrlich? Sprache lassen Firmen, die Riechwässerchen Lippenstift-Penis wieder in die Hülle zeitung, gegründet 1953 in Düsseldorf von Reichskanzler a. D. Dr.
tierte – rauchende Trümmer, gestresste Ret- Wir sehen, wie im weißen Ambiente eine herstellen, in ihren TV-Spots eine Off-Stim- zurückfährt. Wie praktisch: Da die Blonde Joseph Wirth, und der Tat, gegründet 1950 in Frankfurt/M. von derVVN. Die Gründungsherausgeber des Freitag: Günter Gaus,Chris- tungsmannschaften, aufgeregte Reporter.
Dame – auch in Weiß (und blond) – gegen me den Namen des Produkts gurgeln: »Ar- nackert ist, muss der Buntstift ihrer Garde- toph Hein, Gerburg Treusch-Dieter, Wolfgang Ullmann Ein paar Meilen weiter war eine Passagier- eine Wand tupft, auf der sofort wichtige mani« oder »Bvlgari« oder so. Das soll, so robe nicht farblich angepasst werden.
Herausgeber: Daniela Dahn, György Dalos, Frithjof Schmidt,
maschine in der Luft mit einem Kleinflug- Info-Grafiken auftauchen, welche die Dame hofft man, irgendwie sexy klingen. Es klingt Apropos: Haarfarbe heißt jetzt vornehm Friedrich Schorlemmer Verlag und Redaktion: Zeitungsverlag Freitag GmbH,
zeug zusammengestoßen. Schnitt: Unver- gleich noch wichtiger erscheinen lassen. Das aber nicht irgendwie sexy sondern nur noch »Coloration«, und Schwarzkopf rödelt Potsdamer Straße 89, 10785 Berlin mittelt hielt ein feixendes Kerlchen eine pa- alles für »sichtbar weniger Faltentiefe«. Die albern. Weil dieser akustische Gag, den ein längst international herum mit »Professional Berliner Sparkasse, BLZ 10050000, Konto 1543424674 nierte Hähnchenkeule in die Kamera und ju- Tiefe ist also weniger zu sehen. Die Falten Werbegenie erfunden hatte, von seinen platt- Hair Care for you«. (Weeßte noch, Schwarz- Geschäftsführung: Heinrich Eckhoff
belte: »Kentucky Fried Chicken!« Der Wer- köpfigen Epigonen gnadenlos und immer kopp, wie de damals in Berlin-Tempelhof Jahresbezugspreis: 132,- E. Ermäßigter Bezugspreis gegen
Bescheinigung für Schüler, Studenten, Auszubildende 92,40 E;
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nach Belieben zurechtzappen. Etwa beim fährt noch, dass da »zwei komplementäre wegungsmuster, das der Normbürger ver- turn trotzig verkündet, dass Geiz noch im- Inland, Ökologie, Wirtschaft: Connie Uschtrin, Michael Jäger, Steffen
Vogel, Ausland: Lutz Herden, Alltag, Kultur, Literatur, Geschlech-
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logen herausbekommen, dass das ansonsten freut uns sehr, denn wir sind an der Spitze Blondchen (blauäugig auch, logo!) hat ir- bei der Wiederholung von Close to home, die Zeitgeschichte: Ulrike Baureithel, Kehrseite: Margareth Obexer,
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Freitag 14
Stefan Siegert Oft gibt es dieses bezeichnende Zö- gern, wenn vom Gegensatz derHoch-Kultur die Rede ist. Das Wort»Niedrigkultur« drängt sich als Ana- logbildung auf, aber die meisten scheuen da-vor zurück, es auszusprechen. Man sagt stattdessen »Popkultur« oder, wissenschaftlicher, Je hässlicher, desto böser »Populärkultur«, manchmal auch »Massen-kultur« und nur sehr selten »Trivialkultur«.
Die Begriffsunsicherheit rührt zum einen da- Zack Snyders Comic-Spektakel »300« überzeichnet die Schlacht der Spartaner gegen her, dass man kein abwertendes Wort ge- die Perser ins ernsthaft Lächerliche brauchen will. Zum anderen haben vieleGenres der Popkultur in den letzten Jahr- zeichnet: Ein Multikulti-Heer, in dem den zehnten eine derartige Aufwertung im Ernst verschiedensten Moden gefrönt wird, behan- und der Ausführlichkeit ihrer kritischen Be- gen und verhüllt mit exotischen Stoffen, viel sprechung erlebt, dass es immer schwieriger Schmuck und so perversen Dingen wie Pier- erscheint, die Grenzen zur Hochkultur klar cings. Die »Guten« aber zeigen im Gegensatz zu bestimmen. Ein Film wie Zack Snyders dazu viel von ihrer ehrlichen Haut: Sämtliche 300 bringt da ein fast schon in vergessenes Spartaner tragen unter dunkelroten Capes Gefühl in Erinnerung: Der Ruch des Unfei- nichts weiter als eine Art schwarze Unterho- nen, ja sogar Unanständigen, wenn nicht gar se. Die geschickte Lichtsetzung mit entspre- Illegitimen, mit dem die Popkultur einst un- chender digitaler Nachbearbeitung verwan- weigerlich behaftet war.
delt ihre nackten Oberkörper und -schenkel Um so deutlicher wird dieses Gefühl, weil in klar definierte Muskelpakete.
es in 300 um einen Stoff geht, der genau dort Im wahrsten Sinne des Wortes »überzeich- Wenn er einen raisonance-boden zu ei- nem Clavier fertig hat«, schrieb der21-jährige Mozart im Oktober 1777aus Augsburg nach Hause, »so stellt er ihn in die luft, Regen, schnee, sonnenhitze verankert ist, wo der Bildungsbürger die net« hat Frank Miller den antiken Stoff für und allen Teüffel, damit er zerspringt.« Die Wiege der Hochkultur ansiedelt: Im klassi- seinen Comic. Zack Snyder fügt wie be- Rechtschreibung geriet ihm zufällig. Groß schen Griechenland. Frei nach Herodot er- schrieben dem im Film noch eine weitere wurde geschrieben, was mirakulös genug oder zählt 300 die Geschichte jener Schlacht bei Schicht dazu: Soldaten brüllen; Blut spritzt; wichtig war. Und wichtig war Mozart vor al- den Thermopylen, in der die legendäre An- und das Ganze ist mit pumpender Rockmu- lem das »Clavier«, sein Instrument, dem er in zahl von Spartanern sich gegen ein zigfach sik unterlegt. Die spartanische Kampfma- der Augsburger Werkstatt Johann Andreas überlegenes Perser-Heer aufopferte, um da- schinenkultur mit ihren grausamen Auslese- Steins erstmals in baulich und technisch avan- durch den Rest der Griechen anzustiften, den und Erziehungspraktiken wird hier vollkom- cierter Gestalt begegnete. Er war begeistert Invasoren unter Xerxes geschlossen die Stirn men ungebrochen als »starker Tobak« kre- über die Tricks, mit denen der Klavierbauer denzt. »Military porno« hat das ein amerika- aus Holz Klang werden ließ. »seine hämmerl«, Frank Miller, einer der namhaftesten »au- nischer Kritiker nicht umsonst genannt und berichtet der Komponist und Virtuose, »wen teurs« in der Kunst der graphic novels (so die den bereits erwähnten Ruch des Unanständi- man die Claves (Tasten) anspielt, fallen, in den Bezeichnung für den aufgewerteten Comic), gen damit ganz gut auf den Punkt gebracht.
augenblick da sie an die saiten hinaufspringen, hat den Stoff zu einem Comic verarbeitet und Ansonsten zeigen die Reaktionen auf den wieder herab, man mag den Claves liegen las- Zack Snyder hat nun aus dieser Vorlage einen Film einmal mehr, dass Popkultur vor allem sen oder auslassen.« Film gemacht. Dieser fühlt sich in allem Frank das ist, was aus ihr vom Publikum gemacht Zeitlebens hat sich Mozart über Mechanik Millers Handschrift und in nichts Herodot wird. In Griechenland bricht der Film gera- und Bau seiner Instrumente auf dem Laufen- oder gar der historischen Authentizität ver- de sämtliche Einspielrekorde – zwei Wochen den gehalten. Deren Baugeschichte stand pflichtet. Zwar agieren in 300 lebendige nach Start haben ihn bereits ein Drittel aller analog zum Platz Mozarts in der Musikge- Schauspieler vor der Kamera, doch auf rund Griechen im Kino gesehen. Die Ironie dieser schichte an einem Schnittpunkt zwischen 1.500 Schnitte gehen im Film 1.300 »visuelle Begeisterung blieb dabei nicht unkommen- Gestern und Morgen. In dem »Stein vis-a- Effekte«. Fast jeder Hintergrund ist digital er- tiert, schließlich galten die Spartaner bislang vis« von 1777, auf dem Andreas Staier und zeugt. Anders gesagt: Die Bilder sind durch auch in den griechischen Schulbüchern eher Christine Schornsheim vierhändig Mozart und durch künstlich. Das beginnt mit der als eine Art Proto-Faschisten denn als Kul- spielen, wurde dieser Moment zu Materie Farbgebung, die die Palette auf dunkle Rot-, turträger und Demokratie-Verteidiger. und Klang. Die eine Hälfte des – auch optisch Schwarz- und Grautöne reduziert, setzt sich Die Amerikaner begeisterten sich ebenfalls (auf dem CD-Cover) kostbaren – Instru- fort mit artifiziellen Zeitlupen und Zeitraffern in überraschend großer Anzahl für den Film, ments ist ein Hammerflügel, wie Mozart ihn von Schlachtszenen und findet seinen Höhe- allerdings weniger weil sie sich in den Sparta- bei Stein bewunderte, die gegenüber liegende punkt in viel effektvoll spritzendem Blut. In nern wiedererkennen als vielmehr, weil sie Hälfte ein dreimanualiges Cembalo, dessen 300 geht es nicht um Echtheit, sondern um sich im Comicgenre und seinen Übertrei- vier Register zum Hammerflügel hinzuge- Überwältigung, um den starken Reiz, der das bungen sicher fühlen und auskennen. Mit koppelt werden können.
große Publikum in drei Gruppen teilt: In die, entsprechendem Genuss zitierte man in den Beim ersten Hören ähneln sich die Klang- die anerkennend staunen, in die, die angewi- USA deshalb verschiedene iranische Quel- welten. Steins Hammerflügel, der erste und dert den Kopf schütteln und in die, die sich »so len, in denen verlautbart wurde, dass man modernste seiner Art, klingt hell und cemba- was« gleich gar nicht anschauen wollen.
sich im Iran als Erben der Perser verun- lonah. Dagegen setzt sich bei mehrmaligem Was »Pop-« beziehungsweise »Niedrigkul- glimpft fühle. Bedeutete das doch, dass man Hören der kürzere, obertonreichere Klang tur« ausmacht, lässt sich hier bestens beo- dort den Comic so ernst nimmt, als handle es des Cembalo ab. Mozart ist auf einem Cem- bachten. Da wäre zum Beispiel die strikte sich um ein Stück Hochkultur. Der Hochmut balo in seinen Beruf hinein gewachsen. Noch Vermeidung von Subtilität: In 300 wird ent- Hollywoods besteht aber nicht darin, die seinem Klavierspiel der späten Jahre war die weder flott deklamiert oder gebrüllt, was das Perser als Barbaren darzustellen – Xerxes tritt frühe Cembaloerfahrung anzuhören. Stai- Zeug hält und das stets in den tiefstmöglichen in 300 als hipper Ohrringträger mit Balsam- er/Schornsheim haben mit den kaum bekann- männlichen Basstönen. Zudem sind Hand- stimme auf, der den Spartaner-König Leo- ten, ab 1777 komponierten Präludien Musi- lung und Ausgang nicht nur vorhersehbar, den Thermopylen anmarschiert kommen, Münden und grässlich entstellten Gesichtern.
nidas um ein Vielfaches überragt – der ken ausgewählt, in denen sich Mozarts Stel- sondern gleichzeitig auch in einer Weise of- sind die Verräter in den eigenen Reihen. Jene Und Ephialtes, dessen Verrat den 300 Man- Hochmut Hollywoods besteht darin, zu wis- lung zwischen Bach/Händel und Klassik/Ro- fensichtlich, die dem Wort endlich gerecht korrupten spartanischen Priester etwa, die nen letztlich das Leben kostet – ein buckliges, sen, was Popkultur ausmacht. Im Fall von mantik kundtut. Sie betonen brillant den im- wird. Die Hässlichen sind hier die Bösen und dem Spartaner-König Leonidas per Orakel- verwachsenes Männlein, neben dem der 300 ist das die Übertreibung, die spielend die provisatorischen Charakter dieser Werke.
zwar nach dem Motto: je hässlicher desto bö- spruch untersagen, mit seinem ganzen Heer Glöckner von Notre Dame wie ein griechi- Grenze zur Lächerlichkeit überschreitet – Dagegen sind die beiden Sonaten für Klavier ser. Viel böser nämlich als die feindlichen Per- auszuziehen – ein ekelerregender Haufen de- scher Held erscheint. Die Perser dagegen sind wobei die wahren Kenner sich dadurch aus- zu vier Händen – besonders deren langsame ser, die hier in computeranimierter Masse zu generierter alter Männer mit sabbernden weniger hässlich als vielmehr dekadent ge- zeichnen, trotzdem nicht zu lachen.
Sätze – bezaubernd leichte, von Folklore undvom einfachen Leben inspirierte Kost.
Zufall vielleicht, dass die CD an einem wei- teren Schnittpunkt heraus kam, dem Schnitt-punkt zwischen Winter und Sommer. DerKlang des Instruments passt kongenial zur Georg Kasch silbrigen Luft dieser glücklichen Tage mitihrem – im Norden vorerst dünnen – Fest- Wie eine Barrikade liegt der Baum- stamm quer auf der Bühne. An ihnlehnen sich die sechs jungen Men-schen Anfang 20, die im Mai 1968 kleidchen aus Blüten, Knospen und zartem in einer kommuneartigen Gemeinschaft le- Blätterschimmer. Die etwas voreiligen Oster- ben. Ihn berührend singen sie Revolutions- lämmchen passen dazu so gut wie das flüssi- lieder, auf ihm balancieren sie, hier umarmen Wie wollen wir leben? ge Silber der Sonne auf dem dunstigen Was- sie sich kollektiv. Schließlich demontieren sie ser des Sees vor unserem Häuschen am Hang.
den Baum – zerbrochen ist das Vertrauen in Der Klang des Hammerflügels, auf dem der KOLLEKTIVE UMARMUNG ■ Das »Körber Studio Junge Regie« in Hamburg als Theatertreffen den Wandel, zerstört auch die Illusion von Belgier Jan Vermeulen die zwei vorletzten freien Liebeskonzeptionen. Starke Bilder fin- Sonaten Schuberts spielt, ist älter, dunkler det Alexander Charim in seiner Diplomins- und fülliger. Er schafft, passend zum späten zenierung für die Berliner Ernst Busch- Frisch, und Themen wie der Mai 1968 oder Licht und der Ton auf der Bühne bedient der Begegnungen schließlich auf einen Sieger Schubert, die wundersam beredte Aura, die Hochschule, um von einer Generation zu er- der Versuch einer neuen Revolution.
oder erzeugt, wurde stolz behauptet: Seht reduziere. Julia Hölscher und ihre Schau- den alten Instrumenten eignet. Und ist doch zählen, die ein autoritäres Staats- und Werte- Gerade die Fassbinder- und Horváth-Ins- her, wir machen Theater. Zumeist mit Erfolg.
spieler, die ebenfalls als Kollektiv arbeiten, nur eine Generation vom Viv-a-vis-Flügel system zu stürzen versuchte. Doch ist Liebe zenierungen zeigten aber auch, wie sehr man Viele der Regisseure betonten zudem, wie gewann verdient: Ihre ungemein rhythmi- Steins entfernt. Hergestellt hat ihn 1826 die 1968 kein historischer Bilderbogen, sondern sich an solchen Namen verheben kann. Bis sehr sich ihre Teams als Gruppe, als Kollek- sche Version von Aki Kaurismäkis Das Tochter Steins, die in Wien geheiratet und als Dank der hervorragenden Schauspieler und zur Ärgerlichkeit wurden hier Klischees tiv verstehen und ihre Schauspieler aktiv am Mädchen aus der Streichholzfabrik besticht Nanette Streicher unter anderen Beethoven der vielfältig gebrochenen Erzählperspektive gehäuft, so in Fassbinders Preparadise Sorry Findungsprozess beteiligen. Dieses Prinzip nicht nur durch eine überzeugende Figuren- und Schubert beliefert hat.
die Frage an uns: Wie wollen wir leben? Now, einem Stück kalter Wut, dass streng gipfelte in der siebenköpfigen Performance- führung, sondern durch ungewöhnliche Bil- Die Pianofortes dieser Zeit differieren im Wie ein roter Faden durchzog sie das dies- formal nach faschistischem Verhalten im All- Gruppe Monster Truck aus Gießen. Hier ist der, die die Lebenswelt der Iris erlebbar ma- Klang in Zehnjahressprüngen, auf jedem In- jährige Körber Studio Junge Regie in Ham- tag fragt. Die Salzburger Inszenierung schei- jedes Mitglied in allen (Regie-)Fragen gleich- chen. Verrostete Heizkörper, die niemanden strument klingt dasselbe Werk anders. Der burg, eine Art Theatertreffen für den Re- terte vollkommen, weil es ihr nicht gelang, berechtigt. Ihre Science-Fiction-Freakshow wärmen, werden begossen und geschlagen.
Klang des Streicher-Flügels ist extrem cha- gienachwuchs. Das Festival im Thalia in der eine auch nur halbwegs adäquate Form für Live Tonight! polarisierte das Publikum wie Aus einfachsten Geräuschen, einem Räus- rakteristisch. Die Tasten im hohen Diskant Gaußstraße bot die Möglichkeit, Arbeiten Fassbinders Thesentheater zu finden. Ganz kein anderes Stück und präsentierte eine pern, einem Schlurfen entwickelt sich die klingen stumpf und spitz. Mehrheitsmen- von zehn Regiestudierenden miteinander zu anders Jan Gehler aus Hildesheim, der »Se- kryptische Bilderfolge, die in ihrer oft schril- Musik von Tobias Vethake, die sich wie die schen, die aus uralter Gewohnheit auf den vergleichen. Die Bilanz zeigt: Es wird wieder paratisten« nach Thomas Freyers gerade am len Ästhetik an die Filme des amerikanischen ganze Inszenierung zwischen mechanischer Klang eines Steinway eingeschworen sind, erzählt, oft kraftvoll und mit dem Willen, Berliner Maxim Gorki-Theater uraufgeführ- Künstlers Matthew Barneys erinnerten und Monotonie und poetischer Melancholie be- werden das Instrument für »defekt« halten.
eine eigenständige Form zu finden, die die ten Stück inszenierte. Seine fünf Schauspieler, von einer deutlich fühlbaren Binnenlogik ge- wegt und alle beteiligten zum Tango einlädt.
Kenner der auratischen Nuanciertheit gut re- Erzählung spiegelt – und nicht umgekehrt.
allesamt Laien, erzählten mit den einfachsten tragen wurden.
Am Ende setzt Iris ihre private Utopie um staurierter Hammerflügel werden solche Ei- Filmeinspielungen gehören längst nicht mehr Mitteln – fünf Stühle, eine alte Stereoanlage – Es war die einzige Inszenierung, die jegli- und tötet die Menschen, die sie unter- genheiten und Zuspitzungen genießen an zum stilistischen Repertoire, stattdessen die Geschichte eines abrissbereiten Platten- cher Stadttheatertauglichkeit entbehrte.
Stellen wie dem Ausbruch in der Durch- rhythmisieren Musik und Pausen die Erzäh- bauviertels. Dessen Bewohner rebellieren, Ganz anders Jan Philipp Glogers Bieder- Julia Hölscher setzte sich auf ungleich sanf- führung des Andantino der A-Dur Sonate, lungen, und Zigaretten werden gepafft, als bauen einen Zaun und gründen eine kommu- mann und die Brandstifter. Seine gestylten tere Weise durch. Sie wird in der nächsten wo die wie kopflose Mit-dem-Kopf-durch- handele es sich um die letzte Bastion des zi- nistische Republik. Das Projekt scheitert. Die Spießer gehen temporeich und witzig den Spielzeit am Schauspiel Frankfurt und am die-Wand-Verzweiflung Schuberts in ihrer vilen Ungehorsams. Es gibt mehr junge Re- Sehnsucht nach weniger Anonymität und schamlos-charmanten Feuerlegern auf den Düsseldorfer Schauspielhaus inszenieren.
verstörenden und zerstörenden Abwegigkeit gisseurinnen als Regisseure, doch ein gene- Egoismus bleibt, ebenso wie die Frage, ob Leim. Der Zürcher Beitrag entstaubte Max Doch auch für die übrigen Regisseure hat durch sie so recht erst fühlbar wird. Wie auf reller Unterschied in den Inszenierweisen utopische Projekte heute noch möglich sind.
Frischs moralinsaure Parabel in ungewohnter sich die Anfahrt gelohnt. Ein Forum wie die- der anderen Seite (der Klaviatur) das auf dem scheint nicht zu existieren. Das Politische ist Aus der leisen Geschichte machte das Hil- Weise, gelangte aber dort an seine Grenzen, ses, wo jede Inszenierung vor Fachpublikum alten Flügel unvergleichlich duftige und fin- wieder da, wird aber vor allem im Alltag ge- desheimer Kollektiv eine stille, konzentrier- wo das Stück auch mit viel Phantasie keine diskutiert wird, wo man die eigenen theatra- stere Verdämmern des Satzes im Bass.
sucht – und gefunden: Wie wollen wir leben? te Stunde, die nur zum Ende hin etwas an er- Reibung mehr zuließ.
len Mittel mit denen gleichaltriger Kollegen Wollen wir so leben? Kann man unter diesen zählerischem Sog verlor.
Den Preis des diesjährigen Körber Studios vergleichen kann und sich zudem einer jun- Mozart: Präludien K. 284a, K. 624 und 394, Sonaten K. 358und 381 – Christine Schornsheim/ Andreas Staier, Harmo- Umständen lieben? Um diese Fragen grup- Die einfachen Mittel waren vielen Inszenie- erhielt ausgerechnet jene Regisseurin, die sich gen Publizistik wie der festivalinternen »jun- nia Mundi HMC 901941; Schubert: Sonaten D 958, "Reli- pieren sich politische Autoren wie Ödön von rungen eigen. Oft wurden selbstbewusst die zu Beginn des Festivals kritisch zur Aus- ge regie textversion« stellen muss, gibt es so quie" D 840, D 537, D 959, zwei Scherzi D 593 – Jan Ver- Horváth, Rainer Werner Fassbinder, Max theatralen Mittel offen gelegt, wurde das zeichnung geäußert hatte, weil er die Woche kein zweites Mal.
meulen, Et'Cetera/Codaex KTC 1330 Freitag 14
Ellen Spielmann Was passiert mit einer jungen argenti- Entdeckung durch die Frauenbewegung nischen Dichterin in den Jahrenvon 1950 bis 1960, die unbedingt Ohne die Frauenbewegung und das Interes- Rimbaud sein möchte? Sie wird se für weibliches Schreiben in den siebziger zwangläufig ein exzessives, schmerzliches und achtziger Jahren wäre Alejandra Pizar- Leben führen. Und sie wird trotz ihres nik weder entdeckt noch Legende (ge)wor- großen Talents, trotz Inspiration, Kreativität Gespenster der Phantasie den. Über die Schwierigkeiten, die sie als und trotz beharrlicher Suche nach Erneue- Frau zu bewältigen, den Preis den sie im sich rung der spanischsprachigen Dichtung nicht modernisierenden, aber weiterhin patriarchal ALEJANDRA PIZARNIK ■ nur am ausbleibenden Erfolg scheitern, son- orientierten Argentinien, zu zahlen hatte, als dern ihr Leben opfern. Die Rede ist von Ale- Zum ersten Mal wurden die sie als Dichterin nach öffentlicher Anerken- jandra Pizarnik, die 1936 in Buenos Aires als Tagebücher der argentinischen nung strebte, erzählt ihr Tagebuch. Neben Tochter russisch-jüdischer Emigranten gebo- den konkreten materiellen Hindernissen, ren wird und 1972 mit 38 Jahren Selbstmord sind es vor allem die fest gefügten Frauenbil- begeht. Ab Mitte der fünfziger Jahre thema- der, denen sie im Schritt von der Privatheit in tisiert sie ihren Tod in Gedichten und in Ta- die Öffentlichkeit begegnet. Beredtes Zeug- gebüchern (1954-1971) Dutzende Male.
nis dieser Situation liefert die Eintragung Nach der Veröffentlichung ihrer Gedichte, vom 5. Juli 1955 über das Alltagsleben in Bu- Cenizas – Asche, Asche (2002) liefern Pizar- enos Aires: »Ich kann nicht eine Stunde in ei- niks künstlerische, private und öffentliche nem Cafe sitzen, ohne dass jede Minute zwei Notate deutschen Lesern nun erstmals Ein- kleine machos auftauchen, um das Dasein zu blick in das Leben und Schaffen der Dichte- stören, das dieses arme Weib zu führen rin, die heute als bedeutendste jüdische Ver- wünscht.« Öffentlichen Raum zu gewinnen, treterin spanischer Sprache der klassischen heißt für die Generation Pizarniks, vorhan- Moderne gilt und längst zur Legende gewor- dene Frauenbilder aufzugreifen und produk- den ist. Sie studiert Philosophie und Literatur tiv umzusetzen. Als Vorbilder dienen die in Buenos Aires und gilt bald als junges dich- »Schwestern Brontë«, die chilenische Dich- terisches Talent in Literatenkreisen. 1955 ver- terin und Diplomatin Gabriela Mistral, die öffentlicht sie ihren ersten Gedichtband, La argentinische Dichterin Alfonsina Storni, so- tierra más ajena (Das fremdeste Land). 1961 wie Sappho und auch Rosa Luxemburg. In erfüllt sie sich einen lange gehegten Wunsch Pizarniks Gedichten wird das Private zum und geht nach Paris. Dort lebt, dichtet, über- öffentlichen Ereignis. Über diesen Schritt setzt sie bis 1964 im Kreis lateinamerikani- schreibt sie geradezu programmatisch in ei- scher Literaten wie dem mexikanischen nem ihrer letzten Gedichte: »Könnte ich Dichter und Intellektuellen Octavio Paz und doch nur in Ekstase leben, indem ich den ihrem Landsmann Julio Cortázar. Mit beiden Körper des Gedichts aus meinem Körper ma- soll Pizarnik, laut Legendenbildung, eine Liebesbeziehung unterhalten haben. Die Die bewusste Entscheidung, aus dem Pri- wichtigsten Gedichtbände erscheinen nach vaten in die Öffentlichkeit zu treten, hat, ihrer Rückkehr in Buenos Aires. Doch an die wie bei Alejandra Pizarnik beispielhaft zu Provinzialität der Metropole »peripherer sehen ist, seine Kehrseite: Das öffentliche Modernität« kann und will sie sich nicht ge- Interesse an Frauen, die sich ins Rampen- wöhnen. Es folgen Jahre der Krankheit, Auf- licht begeben, zielt zumeist einzig auf das enthalte in psychiatrischen Kliniken und Private. Die Betonung des rein Biographi- schließlich ihr Selbstmord durch die Einnah- schen, der Lebensform statt des künstleri- me einer Überdosis Schlaftabletten.
schen Schaffens, des Werks zwingt geradezu Die Veröffentlichung der Tagebücher ge- zur Inszenierung, ermöglicht zugleich aber schieht, so die Herausgeberin, auf den aus- auch die bewusste Selbstinszenierung. Von drücklichen Wunsch Pizarniks. Vielleicht Frauen, die ihr Leben selbst in die Hand wusste die Dichterin, dass diese Eintragun- nehmen, wird erwartet, dass sie es publi- gen in ihrem zeitdokumentarischen Charak- kumswirksam in Szene setzen, ihre Biogra- ter den Zugang zu den teils als »unlesbar« phie zu einer Art Legende ausgestalten, die geltenden Texten erleichtern würden. Aus dann untrennbar mit dem Werk verschmilzt heutiger Sicht lässt sich – trotz existierender In Rimbaud-Pose: beziehungsweise als das eigentliche Werk Leser-Fangemeinde – behaupten: das Haupt- gilt. Alejandra Pizarnik gelingt es, sie wird die legendenumwobene Dichterin Alejandra Pizarnik interesse richtet sich auf ihr Schicksal als Frau zur Legende einer Dichterin. Doch zahlt sie und Dichterin.
dafür einen hohen Preis.
Erstmals äußert sich Pizarnik zum Tage- Aus der Reihe feministischer Lektüren buch als literarischem Werk 1955: »Das Be- im Gegensatz zu Rimbaud, der bereits mit 21 gelt sich im Zitat eines Jugendfreunds: »Das Legende«. Dennoch bleiben die aufregenden Pizarniks sind die Arbeiten der argentini- ste, was mir einfällt, ist eine Art Tagebuch, Jahren sein Werk vollendet hatte und den ist Alejandra, das begabteste Mädchen der Pariser Jahre von Einsamkeit und Isoliertheit schen Literaturwissenschaftlerin Silvia Mol- gerichtet an (einmal angenommen) Andrea.
Dichterberuf an den Nagel hing, wartet Pizar- Welt. Sie hat alles, was Gott einem menschli- geprägt, von Freunden und Kollegen grenzt loy hervorzuheben. In ihrem Essay Von Sap- Das heißt, es wären weder Briefe noch ein ge- nik bis an ihr Lebensende auf den großen chen Wesen schenken kann, trotzdem ist sie sie sich ab: »Meine jungen Avantgardefreun- pho zu Baffo der Umgang des Sexuellen bei wöhnliches Tagebuch. Es könnte in zwei Wurf. Schon mit 19 Jahren plagen sie massive immer traurig.« Im Rückblick auf ihre Situa- de sind genauso konventionell wie die Litera- Alejandra Pizarnik arbeitet sie die feministi- oder drei Bereiche unterteilt sein. Einer, der Selbstzweifel: »Warum leide ich und quäle tion als junge Dichterin in Buenos Aires lie- turprofessoren. Und wenn sie Rimbaud lie- sche Haltung der Dichterin heraus. Das der Liebe gewidmet ist, ein weiterer der mich mit den Gespenstern meiner Phantasie? fert Pizarnik in ihrem Pariser Tagebuch 1963 ben, dann ist es wegen dem, was Rimbaud ge- heißt, in erster Linie dem normativen Blick Angst, der dritte, mon dieu!, hier wäre noch Warum glaube ich so fest daran, dass ich zu eine treffende Analyse: »Was ich gern wollte, litten hat, es ist wegen der Entzückung, die ein auf sexuelle Praktiken entgegenzuwirken.
die Frage, sich zu entscheiden und zu wählen: Höherem berufen bin?« ist, dass mein Buch von der Promiskuität und paar Wörter in ihnen erzeugen, die sie niemals Molloys Lektüre widerspricht gängigen In- die Welt einfangen oder sie zurückweisen.« Was ihre Frauenrolle betrifft, bewegt sich dem zermalenden Bewusstsein einer einsa- verstehen werden.« terpretationen, die in Pizarnik Frauenfigu- Damit nennt sie bereits die drei großen The- die 19-Jährige zwischen altbekannten Stereo- men, jungen Frau spricht, die voll ist von den Sehr gern wäre die junge Dichterin bei ei- ren, zum Beispiel in der blutrünstigen Gräfin men ihrer Tagebücher. Beim dritten »Be- typen, zwischen »Weibchen« und Maniac. Sie Klischees der Einsamkeit.« nem Meister in die Schule gegangen, wie sie aus der Erzählung gleichen Titels La condesa reich« entschied sich Pizarnik eindeutig für fragt sich einerseits: »Warum kleide ich mich 1963 in Paris notiert: »Eines gibt es, das mich sangrienta (1971), das Modell des »lesbischen »das Zurückweisen der Welt«.
nicht elegant und spaziere mit meinem Ver- fasziniert hätte: einen Meister zu haben, ich Bösen« alias Baudelaire sehen. Dieser weibli- Und immer wieder Rimbaud lobten am Arm durch Santa Fe? Warum su- wäre gern in seine Werkstatt gegangen, hätte che Vampir sei keine Figur, die Schrecken Porträt der Dichterin als junge Frau che ich mir nicht ein ruhiges Plätzchen, hei- Sicherlich gehört Pizarnik zur letzten Gene- handwerkliche und metaphysische Dinge er- verbreite, sondern konzipiert um die Öffent- rate, kriege Kinder, gehe ins Kino, in die ration lateinamerikanischer Literaten, die in lernt und über sie meditiert.« Wie Arthur lichkeit zu provozieren, herauszufordern.
Wie ist Alejandra Pizarniks Zustand mit 19 Konditorei, ins Theater?« Andererseits Paris die eigentliche Hauptstadt der lateina- Rimbaud, der in Paul Verlaine seinen Meister Anders als Rimbaud, der von seinen Reisen Jahren? Wie den jungen Rimbaud drängt es kommt sie mit einem provokanten Vorschlag merikanischen Intellektuellen sehen. In Octa- und Freund fand? Auf Rimbauds Genie nach Frankreich zurückkehrte, »um einen sie, ein bedeutendes Werk zu schreiben. Ihr für weibliche Selbstverwirklichung daher: vio Paz findet sie Unterstützung. Er schreibt kommt Pizarnik immer wieder zu sprechen: schönen Tod zu sterben«, kehrt Alejandra Arbeits- und Lebensplan für 40 Tage im Juli »Zum Teufel! Man müsste Bordelle einrich- 1962 das Vorwort zu ihrem Gedichtband Di- »Rimbaud hatte keinen Schreibtisch. Darum Pizarnik nach Buenos Aires zurück, um ein- 1955 lautet: »1) Den Roman beginnen. 2) Die ten speziell für Künstlerinnen!« anas Baum. Auch Julio Cortázar bildet ein hat es auch nie wieder einen wie ihn gegeben.
sam zu schreiben und zu leiden.
Bücher von Proust beenden. 3) Heidegger le- Zwischen diesen widersprüchlichen Selbst- wichtiges Gegenüber. Im Nachruf auf Ale- Alle wollen Rimbaud sein, aber mit Schreib- sen. 4) Nicht trinken. 5) Keine Gewaltakte. 6) In einem Anfang war die Liebe Gewalt. Tagebücher, her- bildern schaltet die Tagebuchautorin den jandra Pizarnik schreibt er: »Es reicht, sie zu tisch. Quant à moi: Ich will meinen Plan er- ausgegeben von Ana Becciu. Aus dem Spanischen übersetzt Grammatik und Französisch lernen.« Doch »objektiven« Blick von außen, Pizarnik spie- nennen, und in der Luft erzittern Poesie und füllen. Und, vor allem dreißig werden.« von Klaus Laabs, Amman, Zürich 2007, 500 S., 39,90 E Banken und Salons, Kirchen und Schau- Genealogie adoptiert, uns jedenfalls ein bild- Erhard Schütz Berliner erkennt, die er nicht sein will, jedoch Lesebücher gehörte. Es gibt überhaupt alle spiel, Dienstwohnungen und Geburts- sames Vergnügen bereitet haben.
allezeit darstellt, damit Nicht-Berliner ihn als Sorten von Texten, erwartbare wie unerwar- stuben, Fensterplätze und Hinterstüb- Berliner identifizieren. Dass Jakob Hein aus- tete, Dokumente und Gedichte, Verlautba- Wolfgang Kreher u. Ulrike Vedder (Hg.): Von der Jäger- chen – mit einem einzigartigen Perso- straße zum Gendarmenmarkt. Eine Kulturgeschichte aus führlich nur in die nach Osten erweiterte rungen und Beobachtungen. Mindestens je- nal. Ob nun Kleist hinter der katholischen der Berliner Friedrichstadt, Gebr. Mann, Berlin 2007, 232 S., Mitte einführt, macht nichts, weil die Touris- der zweite der »europäischen Bastarde« (L.
Kirche seine ebenso kurzlebigen wie dauer- zahlr. Abb., 29,90 E ten sowieso dorthin wollen, und die West- Végel) ist lesenswert. Und auch das soll ge- beschworenen Abendblätter herausgab oder berliner froh sind, wenn die Ostberliner ab- sagt sein: »Berlin ist Berlin, das ganze, so wie Alexander von Humboldt von der Wiege in gehalten werden, rüberzumachen. (Ein paar es ist.« Was noch mehr? der Jägerstraße 22 an seinen Weg zum Orino- Rumm rumm haut die Dampframme auf dem Alexanderplatz. Viele Menschen Basisanweisungen gibt es aber schon!) Und Berlin, meine Liebe. Schließen Sie bitte die Augen. Ungari- co antrat, E. T. A. Hoffmann unter Schmerzen haben Zeit und gucken sich an, wie die was einen unbedingt mit dem frechelnden sche Autoren schreiben über Berlin., Matthes und Seitz, für Vetters Eckfenster den Gendarmenmarkt Ramme haut«, so finden wir's in Döblins Ro- Büchlein versöhnt, sind die Bemerkungen Berlin 2006, 252 S., 18,80 E ausspähte, Rahel Varnhagen in ihrem Salon man vom Alexanderplatz. Aber bis es zum zum Berliner Backwerk und dem weltstädti- Tee reichte, Prediger Schleiermacher im Ka- »Weltstadt«-Umbau Ende der Zwanziger nonierhaus seine Dienstwohnung bezog, kommt, ist es ein langer Weg, auf dem der Alex Jakob Hein: Gebrauchsanweisung für Berlin. Piper, Mün- Der Berliner braucht ja kein Wetter, um ins Freie zu gehen. Dazu reicht ihm Heinrich Heine dort 1822 seine ersten Kor- sich erst einmal hin und her schieben lassen chen/Zürich 2006, 154 S., 12,90 E notfalls ein halbwegs grüner Platz, respondenz-Pirouetten drehte, oder Leopold muss. Gernot Jochheim hat diesen Weg gedul- gern Park genannt. Davon gibt es massig in von Ranke barmte, in der Jägerstraße 10 aus- dig beschrieben und trefflich illustriert, ein Berlin, das die notorisch nichtsahnenden gerechnet bei Frau Schweinsberger Wohnung Weg mehrfach über Barrikaden. Er zeigt die Dass Berlin ein Stück komprimierter Ge- schichte, ein offenes Buch der Jüngst- Naturalisten als steinerne Stadt verkauft ha- nehmen zu müssen, Kierkegaard auf die Wie- dicke Berolina, das Grand Hotel, das Polizei- zeit sei und dergleichen Floskeln mehr ben. Es gibt derart viele, dass sie längst nicht derholung lauerte – das vorliegende Buch lässt präsidium und den Markt, die neue Georgen- haben inzwischen die alten von der Stadt des alle in diesem Bändchen verzeichnet sind.
die ungemeine Geistesdichte um Jägerstraße kirche, ein Abnormitätentheater, den Verkehr Tempos und des Lichts abgelöst. Treffender (Zwei verrate ich sowieso nicht.) Was darin und Gendarmenmarkt mehr als nur ahnbar auf allen Etagen und das Vereinshaus der Leh- sind sie kaum. Wo, bitte, sind hiesigenorts die steht, ist gut getroffen und kaum verzeich- werden. Es bleibt nicht bei jener Zeit stehen, rer ebenso unter Hakenkreuz wie das zu Her- »Zeitgeschichten . so gestaut wie anderswo net. Bei weitem sind das nicht nur die großen die mehr als für Poesie gut war, sondern tie »arisierte« Warenhaus Hermann Tietz.
die Erdschichten« (L. Földényi)? Es sei denn, Grill- und Pinkelplätze wie der Tiergarten mäandriert durch die Kulturgeschichte bis Vorher war Baustelle, und bald waren Trüm- man rechnet auf Gedenkstätten und Museen.
oder der kind-, hund- und altengerechte heute fort, auch wenn es zunehmend um pro- mer. Danach wieder Baustelle, das »Kom- Was die literarischen Ungarn, eine besonders Volkspark Friedrichshain. Auch der Monbi- fanere Institute ging, das Urania-Theater als plexvorhaben« Weltstadtzentrum der DDR- interessierte Spezies von Berlin-Besuchern, jou-Park, dessen Schönheit glücklicherweise volkstümliche Schaustelle naturwissenschaft- Hauptstadt. Die Menschen werden dabei seit den siebziger Jahren mit Hilfe des weniger Menschen nutzen als aufgrund sei- licher Erkenntnisse, das erste »Gesinde-Ver- nicht vergessen, zumal die vom 4. November DAAD darüber hinaus an Berlin beobachtet ner Lage zu befürchten stünde. Schmuck- Im Gegensatz zu denen für Haushaltsgerä- te ist das eine überaus klar und flugs les- miethungs-Kontor«, Cürlis Institut für Kul- 1989. Auf sie folgte neuerlich große Planung, bare Gebrauchsanweisung. Sie hat ledig- haben, sammelt eine Anthologie mit dem stücke gibt es überall. Und dabei den Bota- tur-Filme, die Fotoagentur von Graudenz, freilich eher ohne sie. Und erneuter Umbau – lich einen winzigen Mangel: Sie hilft nur ge- wunderbaren Wunsch im Titel: Berlin, meine nischen Garten nicht zu vergessen! Oder den Felsensteins Oper, die Berliner Zeitung in bisher ohne die hochfliegenden Ideen. Ein gen Ostberlin. Wer die U9 als bürgerlich und Liebe. Schließen Sie bitte die Augen« Es ha- Humboldthain. Oder den Britzer Garten.
ihren ersten Jahren, das Amt für Literatur und Buch, von dem aus sich nicht nur der gesamte ihren Geruch mit Koriander bezeichnet, ben sich schon andere an Berlins Verführung Den Brixplatz – und. Also: lässt sich alles Verlagswesen oder schließlich die Geisteswis- Platz, sondern auch viel Berlin erschließt.
kann naturgemäß vom Westen nicht viel wis- versucht. Erst Péter Esterházy entrüstete sie senschaftlichen Zentren, die sich mit diesem Gernot Jochheim: Der Berliner Alexanderplatz. Ch. Links, sen. Ansonsten aber ist das Buch ziemlich pa- mit Charme. Von ihm gibt es einen ironi- Katja Voss: Die Parks der Berliner. be.bra, Berlin 2006, 114 von ihnen bestrittenen Band eine mächtige Berlin 2006, 208 S., 140 Abb., 29, 90 E tent, mithin das, woran der Berliner die Art schen Text über den »Ostwestdieb«, der in Freitag 14
Regina General Meine Geschichte der DDRnennt bereits Bekanntem noch einige Details hinzu, Wolfgang Leonhard das neueste legt den Schwerpunkt allerdings auf die Ent- Buch über seine Erfahrungen mit wicklung in der unmittelbaren Nachkriegs- diesem deutschen Staat. Und das ist zeit, seine Flucht, die Gespräche und Ereig- es natürlich auch: Ein biografisch unterlegter nisse nach dem Fall der Mauer 1989. Vieles ist Rückblick auf die Jahre, in denen er und vie- in anderen Zusammenhängen bereits veröf- le andere auf einen sozialistischen Staat hin fentlicht, bis hin zu den Gesprächen mit sei- gearbeitet haben; eine Kindheit, in der die nen ehemaligen Genossen aus dem Moskau- Trennung von der Mutter mit ihrem politi- er Exil, die er nach dem Mauerfall traf.
SEIFENBLASEN ■ schen Engagement und der kommenden Ar- Wolfgang Leonhards neues Buch »Meine DDR« bleibt den Zukunftsentwurf eines Die Erwartungen, die einer an so ein Buch beitermacht begründet war; eine Jugend, die demokratischen Sozialismus schuldig stellen kann, sind unterschiedlich. Leonhard ganz auf das Ziel der sozialistischen Umge- benennt und analysiert die Zäsuren: Die Un- staltung seines Landes durch eine gebildete entschiedenheit darüber, was aus dem Teil- Generation ausgerichtet wurde, in der die stück Deutschlands werden sollte, je nach In- Ungerechtigkeiten und Verbrechen unter teressenlage Stalins mal »schein«bürgerliches Stalin – die Verhaftung der Mutter, das Ver- Paradestück, in dem man sich – möglichst schwinden vieler Bekannter, die Angst, selbst unauffällig – seine Figuren aussucht, mal etwas Falsches zu sagen oder zu tun – ertra- Übergangsrepublik, mal sozialistischer Staat.
gen wurden, weil so etwas wie eine Gerech- Was – und das beschreibt er eindrucksvoll – tigkeit von unten als Perspektive vorhanden kaum Auswirkungen auf den von Ulbricht persönlich gepflegten Umgangston mit den Dass Leonhard diesen Staat nicht nur in den in Deutschland zurückgebliebenen Genos- wenigen Jahren beobachtete, in denen er als sen gehabt hat. Ein Hinweis auf das von An- jüngstes Mitglied der »Gruppe Ulbricht« in fang an favorisierte hierarchisch strukturier- Berlin arbeitete, sondern ein Leben lang kri- te Modell der Partei neuen Typs, das auch in tisch begleitete, ergibt sich aus diesem Wer- den späten Jahren der DDR eisern beibehal- degang fast von selbst, auch wenn er die Gründung der DDR nicht mehr von innen Leonhard beschreibt den Aufstand vom 17.
erlebte. Im Frühjahr 1949 war er nach Jugo- Juni 1953, die Ursachen für den Ungarnauf- slawien geflüchtet. Die Erfahrungen aus die- stand 1956, begründet seine Sympathie für sen Jahren hatte er sechs Jahre später in sei- den jugoslawischen Weg, für Solidarnoscs nem Buch Die Revolution entlässt ihre Kin- und – später – für Dubcˇek. Dem Leser bleibt der beschrieben. Dass das nicht auch in der überlassen, daraus die Schlüsse für Leon- DDR vertrieben wurde, konnte den Kenner hards »DDR« zu ziehen. Die Frage, ob es in derer, die dort inzwischen in den entschei- diesem sowjetisch besetzten Teil eine Mög- denden Machtpositionen waren, kaum über- lichkeit gegeben hätte, die Weichen anders zu raschen. Schließlich war der Flucht eine Ana- stellen, wird allerdings nur angedeutet. Im- lyse der zu erwartenden Entwicklung der mer dann, wenn es um Ulbricht und seinen »Ostzone« voraus gegangen, die nicht gera- mehr oder weniger ausgeprägten Rückhalt de ermutigend ausgefallen war.
im sowjetischen Politbüro geht. Aber was Viele Details aus dieser Zeit sind in Die Re- hätte dazu kommen müssen? Wann? volution entlässt ihre Kinder bereits beschrie- Die Analysen, die er liefert, lassen keinen ben. Zu damaliger Zeit eine Sensation. Ein Blick auf das zu, was sich der junge Leonhard Bericht aus dem inneren Zirkel jener Funk- als DDR hätte vorstellen können. Sicher, er tionäre, die mit der Führung des von den so- feiert die demokratische Mitbestimmung in wjetischen Truppen besetzten Teils von den Betrieben à la Jugoslawien, lobt Eigen- Deutschland beauftragt waren, war so etwas ständigkeit wie im Prager Frühling, findet die wie die geöffnete Tür eines sonst immer ver- Forderungen nach dem Ende der Bevormun- schlossenen Hauses. Es gab die agierenden dung, wie von Solidarnoscs erhoben und Figuren, mit denen man es in der Auseinan- Wolfgang Leonhard (stehend) in der SED-Parteihochschule 1948 dann sogar durchgesetzt, hervorragend, aber dersetzung zwischen Ost und West zu tun das alles sind spätere Entwicklungen. Und sie hatte, der Beobachtung preis, machte sie ein te Fakten über den Stalin'schen Terror, der vongekommenen verbuchten die vielen To- brach dieses Kartell des Schweigens als einer führten in keine demokratisch sozialistische wenig berechenbarer, zeigte Denkrichtun- von den meisten, die ihn überlebt hatten, ver- ten, Verschwundenen, Drangsalierten unter Gesellschaft. Hatte er, das jüngste Mitglied gen, enthüllte Methoden, mit denen sich die- schwiegen wurde. Um ein Wort aus dem heu- »Kollateralschäden«. Und das, obwohl es die Sein neues Buch basiert auch auf den Erin- der Gruppe Ulbricht, einen Entwurf für das se Macht durchzusetzen gedachte und liefer- tigen Sprachgebrauch zu verwenden: Die Da- engsten Vertrauten betraf. Leonhard durch- nerungen an die Zeit im Moskauer Exil, fügt Deutschland, das er aufbauen sollte? Konnteeiner, der Stalins Säuberungspolitik amSchicksal der Mutter erlebte, ernsthaft an einerepressionsfreie deutsche Republik glauben?Also Irrweg von Anfang an? Ist die Utopie Lela Lappe einer gerechten Gesellschaft, die erfolgreichund friedlich agiert, nichts als eine Seifenbla-se? Leonhard liefert wenig von dem, was als Zukunftsentwurf gelten könnte. Er merkt Im Land von Onkel Honecker nur an, dass die Vorstellungen von damals aufden Erfahrungen der »alten Kämpfer« be-ruhten, deren Sozialisation im Kapitalismus HEIMAT ■ Viele Mosambikaner erinnern sich sehr gern an »ihre« DDR der freien Konkurrenz erfolgte. Sie waren Steinhäuschen verwandelten, und als sie mit che Heimkehrer wurden schon im Flughafen Schock an einem FKK-Strand oder das Er- außerstande, die seit Ende des Zweiten Welt- Kühlschränken, Radios, Fernsehern und staunen über vorurteilslose weiße Mädchen.
kriegs im System selbst erfolgten Korrektu- Motorrädern zurückkehrten. Aber einige ir- In Deutschland schwanger gewordene Frau- Schmerzhaftes kommt hoch: Wie mit deut- ren wahrzunehmen oder gar zu verarbeiten.
In diesen Tagen explodierte ein Waffenla- ger der Armee in Mosambiks HauptstadtMaputo. Raketen fliegen in Wohnviertel.
Menschen werden schwer verletzt, ver- ritierten, wenn sie in Maputo noch im Jahre en wurden sofort ausgeflogen. »Bei meiner schen Frauen Kinder gezeugt wurden, die in Viele von ihnen blieben, bei Honecker be- lieren Gliedmaße. Gibt es wieder Krieg, fra- 2005 der längst untergegangenen DDR als Ankunft nahmen mir die Behörden sämtliche Deutschland bleiben mussten. Dann Eifer- schreibt er es, ein Leben lang fixiert auf die ei- gen sich die Menschen panisch. 1992 hatten verlorenem Paradies nachweinten. Andere Unterlagen einschließlich des Passes ab und sucht der deutschen Freunde, Beschimpfun- genen Jugenderlebnisse! Kleine Trompeter, UNO-Truppen die Bürgerkriegsparteien verstörten, wenn sie wöchentlich in Maputo zahlten mir überhaupt nichts aus«, berichtet gen als »Neger«, Kämpfe und Schlägereien, Tschekisten mit einem bescheidenen Begriff entwaffnet. Schlagartig ist schmerzhafte Er- demonstrierten, die DDR-Fahne schwen- Judite Amando. Zuhause war kein Platz für Skinheads. Wie ein Mosambikaner verfolgt von Wohlstand. Keineswegs harmlos, aber innerung lebendig. Ganz anders die Erinne- kend die Polizei herausforderten, schließlich sie, die Mutter verstorben, der Vater neu liiert.
wurde und auf der Flucht im Fluss ertrank.
ein wenig sentimental.
rung der Deutsch-Mosambiker »Madjerma- die deutsche Botschaft besetzten. Es ging ih- Die zukünftigen Schwiegereltern gewährten Gute Erfahrungen indes mit Gasteltern: ihr Die Gespräche, die Leonhard nach dem nes«: bei ihrem Blick auf die alte DDR.
nen um Gehaltsanteile und Sozialabgaben, nur vorübergehend Unterschlupf. Sie lebte in »gutes Benehmen«, ihr bewusster Umgang Mauerfall mit den ehemaligen Schulfreun- »Die Zeit des Schnees war ein Ungeheuer die seinerzeit von Deutschland nach Mosam- Elendsquartieren von Gelegenheitsarbeiten.
mit Umweltschutz und Müll, ihre Ehrlich- den, Lehrern, Gefährten führte, die in der mit sieben Köpfen« erinnert sich Judite Ar- bik transferiert wurden. Die mosambikani- Dennoch blieb das Hoffen, das habe sie in keit und – für Mosambikaner ein Tabu – die DDR zum Teil in hohen Ämtern agierten, mando an die DDR 1980. »Im Land von On- sche Regierung zahlte ihnen davon nur einen Deutschland gelernt. Judite, die Schneehasse- Mitarbeit des Ehemanns im Haushalt! Wolf, Eberlein, Florin, Wandel … führen ihn kel Honecker« war »es so kalt, dass wir noch Bruchteil aus. Bei der Umrechnung wurde rin, war gerne dort. In Gefühle, Hoffnungen, Heute sind die Narben des blutigen Bürger- zu dem Schluss, dass deren anfängliche Be- nicht mal sprechen konnten«, so Jaime Faque die Inflation nicht berücksichtigt und eine Frustrationen erzählt sie von ihrer Erfahrung krieges fast verblasst. Die Demokratie stabili- reitschaft, sich kritisch mit der eigenen Rolle Sulane. Zwölf Mosambikaner erzählen ihre Verwaltungspauschale von zehn Prozent ein- als 17-Jährige in der Montage-Abteilung des siert sich. Der 2004 gewählte Staatspräsident in der Geschichte auseinander zu setzen, Geschichte in dem Band: Mosambik- behalten. Unter den »Madjermanes« gab es VEB Elektroglas in Ilmenau, von der Solida- Armando Guebuza betreibt wie sein Vorgän- nach wenigen Jahren wieder schwindet und Deutschland. Hin und Zurück: Erinnerun- unterschiedliche Auffassungen über die Her- rität unter Arbeiterinnen, vom deutschen Tan- ger Chissano die Liberalisierung der Wirt- alten Positionen Platz macht. Für ihn ein Be- gen, Fotos und ausführliche Vorworte zum stellung nachträglicher Gerechtigkeit, je nenwald und Einkaufs-Reisen nach Halle.
schaft. Armutsbekämpfung ist höchstes Ziel.
weis, dass die Umkehr nur halbherzig statt- Hintergrund bietet diese erste Publikation nachdem, wie erfolgreich man sich in der ei- 1992 kommt Inocêncio Domingos Honwa- EU- und US-Hilfsorganisationen leisten im fand. Es gäbe allerdings auch eine andere Er- des Deutsch-Mosambikanischen Kultur-In- genen Heimat integriert hatte. Einige arbei- na aus Berlin zurück. Er hat Glück, der Bür- Bildungssektor und bei medizinischen Pro- klärung, dass nämlich der Kapitalismus dabei stituts ICMA, eine 2003 gegründete Koope- ten in der Regierung, an Universitäten und in gerkrieg ist beendet. Aber weit und breit kei- jekten Unterstützung. Mosambik ist Schwer- ist, seine im 20. Jahrhundert vorgenommenen ration der Deutsch-Mosambikanischen Betrieben, in guten Positionen. Andere ne bezahlte Arbeit. In Berlin: Erinnerung an punktland der deutschen Entwicklungshilfe.
Korrekturen für das 21. zurückzunehmen.
Freundschaftsgesellschaft AAMA, des Deut- konnten nicht Fuß fassen. Erst Ende 2005 ein Paradies durchstreift er noch einmal sei- Ideologische Programme und die patriotisch- Wolfgang Leonhard: Meine Geschichte der DDR, Rowohlt schen Entwicklungsdienstes ded, der deut- wurde das Problem endlich geregelt.
ne geliebte Stadt mit und ohne Mauer. »Es sozialistischen Ziele der Väter sind in der Er- Berlin, Berlin 2007, 266 S, 19,90 E schen Botschaft in Maputo und des Goethe- Die Ankunft in der DDR war für die zwölf war in Deutschland, wo ich vor mehr als innerung der zwölf Chronisten kaum ein The- Erzähler eine Landung auf einem fremden zwölf Jahren mit Nikes an den Füßen und Je- ma, wohl aber die menschliche Begegnung.
Über 20.000 schwarze Mosambikaner fan- Planeten, im »Schlaraffenland«. Es gab Bet- ans wie ein amerikanischer Schwarzer die er- »Was ich zurück ließ«, schreibt Adevaldo S.F.
den sich in der Zeitspanne von 1980 bis zur ten, reichliches, fremdartiges Essen, warme sten Schritte in ein Paradies tat, während sich Banze, »ist eine zweite Heimat, die Heimat, Wende in der DDR ein: Vertragsarbeiter, Stu- Kleidung. Daheim hatten sie in zugigen Bin- die Hölle näherte.« wo mein Leben glücklich war, wo es Freund- denten und 900 elf- bis zwölfjährige Kinder.
senhütten hungrig auf Strohmatten geschla- Die zwölf Geschichten sind in der Ori- schaft, Respekt und Menschenwürde gab.« Ziel: Ausbildung und Fachwissen. An der fen. Benedito Augusto Mualinque schreibt ginalsprache Portugiesisch und in deutscher Und wo, fragt man sich, bleibt der kritische »Schule der Freundschaft« in Staßfurt sollten unter dem Titel Mein erstes deutsches Weih- Übersetzung präsentiert, ausgewählt aus 28 Blick? Die Verschickten kamen blutjung aus die Kinder mosambikanischer Bauern zur nachten: »Alles war wunderschön, alles war Beiträgen für einem Wettbewerb des ICMA bitterster Armut in, auch für DDR-Bürger, »Elite« reifen. Grundlage der großangeleg- völlig neu, niemals zuvor hatte ich so etwas 2004. Was kostet eine Cabinet? ist die sym- privilegierte Lebensumstände. Sie erhielten ten Verschickung: ein Vertrag von 1979 zwi- gesehen«. Duftende Kuchen und Plätzchen.
bolträchtige Erzählung um eine letzte, nach Ausbildung, Arbeit, Unterkunft, reichlich schen Honecker und dem ersten Präsidenten Das Beste: der engagierte Geschichtsvortrag Mosambik gerettete DDR-Zigarette. Ihr Au- Verpflegung, Kleider, Taschengeld oder Mosambiks, Samora Machel. Wirtschaftliche der Gastgeber über das Dritte Reich und den tor Moíses Pinto Rendição hat den ersten Lohn. Sie durften in speziellen Läden ein- Projekte folgten. Damit kamen auch Tausen- sozialistischen Aufbau – »das Ergebnis von Preis gewonnen. Mit seiner griffigen Erzähl- kaufen. Regimetreue Familien und Lehrer de Experten und Entwicklungshelfer aus der sehr viele Schweiß und Opfer«. Die Rat- weise und der gelungenen Dramaturgie, mit umsorgten sie. Grund genug für ein ideali- DDR nach Mosambik. Solidarität unter so- schläge: »Ihr werdet als Pioniere Eure Kennt- der er die Erlebnisse eines Kameraden ver- siertes Bild. Ihre außergewöhnlichen Erleb- zialistischen Brüdern. Aufbruchsstimmung nisse an Eure Landsleute weitergeben, profi- dichtete, habe er, so die Jury, die deutsch-mo- nisse fielen mit ihrer Jugend zusammen. Im in den Zeiten der Independência, der Unab- tiert von allem, vergeudet nichts«, quittiert er sambikanische Erfahrung auf den Punkt ge- Bürgerkrieg der Heimat wurden derweil hängigkeit von den portugiesischen Koloni- mit Tränen »als größtes Geschenk«.
bracht. Die meisten Autoren waren im Kindersoldaten gezwungen, die eigenen El- Die Rückkehr war für die meisten ein Schreiben eher ungeübt, viele reichten ihre tern umzubringen. Kein Wunder dass In zwölf exemplarischen Geschichten ha- Schock. Niemand hatte sie über den Bürger- Beiträge handschriftlich ein, formulierten ein Preisträger Rendição schreibt: »Deutschland ben diese »Madjermanes« zum ersten Mal krieg in der Heimat aufgeklärt, zwischen der wenig unbeholfen – für die Übersetzer eine ist ein gutes, angenehmes Land, es gibt nur selbst von ihren Erlebnissen erzählt. So wer- sozialistischen Regierungspartei Frelimo und Herausforderung. Manch einer schrieb sich zwei traurige Dinge, den Winter und die Bu- den die nach Deutschland Verschickten mal der konservativen Widerstandsbewegung lang verdrängte Erlebnisse von der Seele, un- zärtlich, mal verächtlich, von ihren Lands- Renamo (unterstützt von Südafrikas Apart- zensierte, lebendige Zeugnisse eines politi- leuten genannt, das heißt in der lokalen Ban- heidregime). Der Krieg hatte die gesamte In- schen Experiments.
Mosambik-Deutschland, Hin und Zurück. Erlebnisse von tu-Sprache Schangaan »die Deutschen«. Sie frastruktur zerstört. Viele konnten ihre El- Erotische Abenteuer wurden nicht ausge- Mosambikanern, vor, während und nach dem Aufenthalt inDeutschland. Aus dem Portugiesischen von Ulf Dieter waren »Stars«, als sie mit ihrem Geld aus der tern nicht mehr finden, andere waren zu Wai- spart. Die »Küsse von Frau Schmid« im Kel- Klemm, Johannes Kloos und Kerstin Kuschel. Hrsg. vom Ferne die Binsenhütten ihrer Familien in sen geworden. Grenzenlose Armut. Männli- ler sind ebenso dokumentiert wie der Kultur- Koordinationskreis Mosambik, Bielefeld 2005, 10 E Freitag 14
Ingo Arend Zwölfeinhalb Kilometer Zaun. Anfang Juni wird man das friedliche SeebadHeiligendamm an der Ostsee vermut-lich nicht wiedererkennen. Dann näm- lich, wenn sich die Staatschefs der G8-Länderin der Provinzidylle versammeln, um überdie Agenda einer aus den Fugen geratenen Zweihundertfünfzig Meter Zaun Welt zu beraten: Weltwirtschaft, Afrika, Kli-maschutz. Wie immer bei solchen Gipfeln fernab von einer allzu streitbaren Öffentlich- In Heiligendamm wollen Künstler aus aller Welt den G8-Gipfel »verflüssigen«. Die Bundeskulturstiftung aber nicht keit. Umgeben von einem temporären Zaun,zweieinhalb Meter hoch. Geschätzte Ge- solchen Lawine von Biennalen und Großaus- lich. Denn Goehler geht es bei dem bunten samtkosten des Gipfels: 90 bis 150 Millionen stellungen erschlagen wie jetzt. Die Kunst Projekt nicht um politische Konfrontation.
Euro. Allein der Zaun wird zwölfeinhalb kümmert mitnichten in der Nische des Whi- Sie will, wie sie selber sagt, »vermitteln« und Millionen kosten. Heiligendamm, ein Hoch- te Cube. Heutzutage wird schließlich jede U- »deeskalieren«. Alles Anliegen, denen die sicherheitstrakt für zwei Tage.
Bahn-Station zum Schauplatz »ortsspezifi- Bundesregierung angesichts der politischen So ein Komplex regt die Phantasie an. Kein scher Interventionen«, auf der man schon am Anti-G8-Truppe, die sich in und um Heili- Wunder, dass die Grenze im Mittelpunkt von frühen Morgen von »Wahrnehmungserwei- gendamm auch formiert, eher gelegen sein Arbeiten steht, mit denen Künstler aus aller terungen« überfallen wird. Das macht das könnte. Goehlers Idee, eine »Pufferzone jen- Welt auf diese außergewöhnliche Situation Projekt in Rostock aber nicht überflüssig.
seits der dualen Logik von Gipfel und Gip- reagieren wollen. »Art goes Heiligendamm.
Nur hängt es nicht ganz so hoch, wie die Or- felgegnern« zu schaffen, ein Raum, in dem Art goes Public« nennt sich ein Projekt, das ganisatoren es gern sähen. Und auch, wenn es über die wirklichen Weltprobleme nachge- parallel zu dem Politgipfel vom 24. Mai bis eher einem fröhlichen Zeltlager der Künste dacht werden könne, klingt nach gehobenem zum 9. Juni im benachbarten Rostock steigen zu gleichen scheint. Es wird teuer. Und just Stadtteil-Konfliktmanagement. Fast möchte soll. Während in der Bundeshauptstadt nach an einem dünnen pekuniären Faden hängt man die Kunst vor diesem lebensgefährlichen dem Eklat um die Sammlung Marx an dem derzeit das Schicksal dieser zivilgesellschaft- Rot-Kreuz-Einsatz zwischen den Fronten in »Museum der Gegenwart« nur genannten lichen Initiative.
Schutz nehmen. Verdächtig schwammig wird Hamburger Bahnhof noch über einen Platz Zwar konnte die gut vernetzte Goehler eine Goehler da, wo sich die sonst gern unbot- für die Gegenwartskunst gestritten wird, hat stattliche Reihe von Sponsoren und Förde- mäßige Intellektuelle der Großveranstaltung die sich längst aus dem Staub gemacht. Sie rern zusammenschieben. Sie reicht von der als das (fehlende) Kulturprogramm andient, will an die Ostsee – die Gegenwart aufmi- Hansestadt Rostock über die Heinrich-Böll- als eine Art Fortsetzung des Programms Zu schen. Im Juni wird man also nicht nur zur Stiftung, von den Berliner Kunstwerken bis Gast bei Freunden, das 2006 die Fußballwelt- Documenta nach Kassel, zur Biennale nach zu Privatleuten wie dem Berliner Malerstar meisterschaft flankierte. Die Kunst als Har- Venedig, zur Kunstmesse nach Basel und Daniel Richter. Und die ehemalige Präsiden- monisierer und Nothelfer der offiziösen zum Skulpturen-Projekt nach Münster pil- tin der Hamburger Hochschule für bildende gern müssen, um Kunst zu erleben, sondern Künste schnorrte ihre betuchten Bürger- Wer Goehlers letztes Buch gelesen hat, schon vorher nach – Rostock! freunde an der Elbe dermaßen an, dass sie kann dieser Ansatz nicht überraschen. Schon Mit dem Schlachtruf »Kunst ist doch nicht sich fast nicht mehr in die Stadt traut. Die in der semivisionären Skizze Wege und Um- die Schweiz« nährte zwar einer der Initiato- letzte Viertelmillion, die ihr zum Kunstglück wege vom Sozialstaat zum Kulturgesellschaft ren, der »darstellende Architekt« Benjamin fehlten, hatte die gremienerfahrene ehemali- (Freitag 23/2006) verfocht sie die Idee von Foerster-Baldenius vergangene Woche in ge Kuratorin des Berliner Hauptstadtkultur- den »Verflüssigungen« zwischen sozialen Be- Berlin Befürchtungen, hinter dem schillern- fonds dann schließlich fristgerecht bei der wegungen und Kunst. Ihre Unterstützer se- den Projekt könnten sich doch nur wieder die Bundeskulturstiftung beantragt. Vergebens, hen das ähnlich. »Wie könnte der Potsdamer üblichen Aporien »politisch engagierter wie sich dieser Tage herausstellte.
Platz heute aussehen, wenn man die Künstler Kunst« verbergen. Und von Migrationsar- Die bürokratisch gewundene Formel, mit früher beteiligt hätte?«, fragt nicht ganz zu chiven über Asylcontainer bis zur Kriegsfo- der die in Halle angesiedelte Einrichtung den Unrecht Daniel Marzona. Seines Vaters tografie finden sich denn auch die Standards Projektantrag ablehnte, hat es in sich. Einer- Sammlung von Objekten der Minimal-Art aus dem Arsenal der dokumentarischen Po- seits hält sich die etwas auf ihre unkonven- erwarb Berlin 2002 für den Hamburger litkunst, die sich spätestens seit der docu- tionelle Ausrichtung zu Gute. Im Zweifel für Bahnhof. Die Familie unterstützt nun »Art mentaX von 1997 in der Kunstwelt ausge- die Avantgarde, für das Experiment, für das goes Heiligendamm« finanziell. Der bei der breitet hat im Rostocker Angebot. Doch Be- Crossover - das war bislang das Motto der Bundeskulturstiftung beantragte Betrag von troffenheit, Anklage und ästhetikfreie Agita- von der selbstbewussten Hortensia Völckers 250.000 Euro macht nur einen Teil des fast tion zeichnen die »künstlerischen Interven- geleiteten Förderinstitution. Und mit doppelt so teuren Projekts aus. Und natürlich tionen«, die die Kuratorin des ambitionierten »Schrumpfende Städte« oder ihrem »Projekt wären die Steuergroschen, die den Kosten Projekts, die ehemalige Berliner Kultursena- Migration« hat sie sich an Kontexte gewagt, von rund 250 Metern Gipfel-Zaun entspre- torin Adrienne Goehler jetzt in Berlin prä- die alles andere als unpolitisch sind. Die po- chen, in Kunst sicher besser angelegt, als in sentierte, im Großen und ganzen nicht aus.
litisch brisante Zusammenkunft der wichtig- Stacheldraht und Infrarotkameras. Trotzdem Eher atmeten sie subtile Ironie und den Geist sten Staatenlenker der »freien Welt« an der wundert man sich, dass die Initiative so be- des intelligenten Spiels.
Ostsee sprengt dann aber doch den üblichen harrlich nach öffentlicher Förderung strebt.
So will die deutsche Künstlerin Francis Zei- Könnte sie, bar aller Staatsknete, nicht viel schegg das zu erwartende Gipfelsetting mit Es riecht ein bisschen nach Kotau vor der freier aufzeigen, was man von der Kunst ei- einem »Raumzitat aus der Forstwirtschaft« Politik, wenn sich die Stiftung jetzt darauf gentlich erwartet – radikale Alternativen? Francis Zeischegg: »Point of view«, Illustration 2006 konterkarieren: Wildgatter nennt sie ihr Vi- herausredet, dass die »übergeordnete politi- deo. Darin sieht man ein kleines Holztrepp- sche Bedeutung« des Projekts »angesichts der chen, das an einen Drahtzaun gelehnt ist. Mit vativer Happenings, gewaltfreier HipHop in einem »Silverpearl Congress Center & Gastgeberrolle der Bundesrepublik« eine be- diesem Überstieg kann der Förster in jedes inklusive. Auf Litfaßsäulen soll die Bevölke- Spa«, das Foerster-Baldenius' Architekten- sondere Begutachtung durch den (politisch Gehege gelangen. Man kann sich die Bedeu- rung ihre Ideen zu den Gipfelproblemen dar- gruppe »raumlabor« im Hafen von Rostock besetzten) Stiftungsrat notwendig mache. So tung der Arbeit aussuchen. Soll das Werk die legen können. Der Künstler Christian von bauen will. Bekannt geworden war der um schnell, argwöhnt Goehler, ist bislang noch Demonstranten des politischen Gegengip- Borries will die Stimmen der acht Gipfelteil- eine satirische Bemerkung selten verlegene kein Förderantrag der Stiftung auf Eis gelegt fels, die sich in Heiligendamm sammeln, ani- nehmer zu einer »Gipfelmusik« zusammen Gelegenheitsarchitekt schon durch den worden. Doch die gewitzte Kuratorin gibt mieren, in ein verbotenes Terrain einzudrin- schneiden, um die Kommunikationsproble- »Bergkristall« beim Berliner Volkspalast. Mit nicht auf. Ersatzweise will sie jetzt Projekt- gen? Oder werden die Staatschefs das Ange- me solcher Treffen zu versinnbildlichen. Das der gipfelsimulierenden Installation hatte er gelder den »Kunst am Bau« beantragen. Bun- bot zum Ausbruch aus dem Gefängnis der Ergebnis soll man dann als CD bei Attac her- im Sommer 2005 den inzwischen fast abge- desverkehrsminister Wolfgang Tiefensee Sachzwänge nutzen? In Rostock will die unter laden können. tragenen Palast der Republik in eine medita- wird sich etwas einfallen lassen müssen, wenn Künstlerin einen mobilen Hochstand instal- Kein Gipfel ohne televisionären Overkill.
tive Kletterbude für die ganze Familie ver- er widerlegen will, was offenkundig ist: dass lieren. Dann können sich beide Seiten zu- Deswegen plant die Gruppe »Kein.TV« eine wandelt. In Rostock gibt's nun also eine Sil- nämlich der Zaun um Heiligendamm eine mindst erst einmal gegenseitig beobachten.
Parodie auf die Medienhysterie dieser Baumaßnahme ist, die »Gegenstand beson- Mit solch klassischer Kunst will sich das Events. Die Liste der Redner einer »Lectu- Goehlers Begründung, dass es nötig sein, derer öffentlicher Wahrnehmung« sein wird.
re«-Reihe reicht vom Schweizer Globalisie- der Kunst einen »erweiterten gesellschaftli- Das jedenfalls ist die gesetzliche Bedingung Projekt aber nicht begnügen. Über der Stadtsoll das ganze Füllhorn des erweiterten rungskritiker Jean Ziegler bis zur Trägerin chen Resonanzraum« zu verschaffen, kann für »Kunst am Bau«.
Kunstbegriffs ausgeschüttet werden: Tanz, des Friedensnobelpreises 2004, Wangari man getrost vergessen. Noch nie seit Men- Trotzdem ist die Ablehnung von »Art goes Theater, Performance und jede Menge inno- Matthai aus Kenia. Stattfinden soll das Ganze schengedenken wurde der Globus von einer Heiligendamm« einigermaßen verwunder- schaft – Kulturwandel.
Star t des Wettbewerbs »asia connection« Literarischer Salon der Allianz Der Ideenwettbewerb für junge Leute in 19. April 2007, 19 Uhr Ostersamstag, 7. April 2007 Gesucht werden Projektideen aus den Berliner Prosa Prognosen Bereichen Design, Mode, Medien und 13.00 Uhr Rostock-Hohe Düne Die Stipendiaten der Berliner Autorenwerk- Zufahrt zum Marinestützpunkt Kochen, die einen Bezug zu aktuellen Ent- statt »Formen des Erzählens« 2006 wicklungen der kreativen Industrien aus Wir treffen uns am 7. April 2007 (Oster- Ändert Japan seine pazifistische
Im Herbst 2006 fand zum 8. Mal die Berliner dem asiatisch-pazifischen Raum haben soll- Autorenwerkstatt Prosa im Literarischen Collo- samstag) um 13.00 Uhr vor dem Haup- ten. Ab sofor t können Schulklassen, quium Berlin statt. Jetzt stellen sich die vielver- teingang der Kaserne Rostock-Hohe Arbeitsgemeinschaften und andere Grup- sprechenden Talente in Lesung und Gespräch Düne zur Kundgebung. Wir informieren pen um die Projektmittel im Rahmen des über den Umbau des Stützpunktes im der Öffentlichkeit vor. Es lesen: Gunther Geltin- Ideenwettbewerbs »asia connection« bewer- ger, Bettina Hartz, Yorck Kronenberg, Hanna Kontext der Militarisierung der bundes- Die aufgescheuchte Taube.
ben. Anmeldeformulare und Teilnahmebe- Lemke, Thomas Melle, Christian de Simoni, deutschen Außenpolitik. Auch wird es dingungen sind unter www.asia-connec- Stefanie Sourlier, Achim Stegmüller, Deniz Utlu einen Beitrag zur Kritik der Friedensbe- tion.org abzurufen oder können per mail an und Burkhard Wetekam.
wegung am G8-Gipfel im Juni in Heiligen- [email protected] angeforder t werden.
Veranstaltungsor t: An den Treptowers 1, VIP- damm und zum Stand der Protestvorbe- Nationsdiskurs: Die Wurzeln des
Einsendeschluss ist der 18. Mai 2007.
Lounge in der 30. Etage, 12435 Berlin reitung geben. Von Hohe Düne geht esper Fahrrad als Demonstration Richtung Warnemünde. Dort statten wir einer loka- Kleinanzeigen im FREITAG len EADS-Niederlassung einen Besuch W. Roth, M. Hesse, B. Lange,
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Gitti Hentschel Die Einigkeit schien am 8. März im sonderen Konstruktion des kriegerischen Bundestag zunächst groß. Überein- Konflikts«. Allgemeiner gesagt kann also, je stimmend stellten die Rednerinnen nach sonstigen ökonomischen oder anderen aller Fraktionen fest: Es sind drin- sozialen Entwicklungen, das Risiko für Kri- gend Maßnahmen erforderlich, um die UN- sen und Konflikte steigen, wenn sich Ge- Resolution 1325 »Frauen und Frieden und schlechterbeziehungen und -konstruktionen Sicherheit« aus dem Jahr 2000 endlich umzu- Frauen an den Konfliktherd in einer Gesellschaft verschieben und Ge- setzen, in der Bundesrepublik und interna- schlechteridentitäten gefährdet sind.
tional. Doch auf den Antrag der Grünen, Diese Erkenntnis ist auch für internationa- FRIEDEN KRIEGEN ■ »zur Gestaltung einer geschlechtergerechten Das Geschlechterverhältnis spielt in der Sicherheitspolitik kaum eine Rolle, le Friedensmissionen wichtig. Mit gender- Außen- und Sicherheitspolitik… einen natio- obwohl die Beteiligung von Frauen in Krisenregionen Erfolge verspricht sensiblem Blick ist leicht vorstellbar, dass sich nalen Aktionsplan« nach dem Vorbild ande- Ex-Kombattanten in Afghanistan oder Ko- rer europäischer Länder zu entwickeln, ließ sovo, zu deren Männlichkeitsbild traditionell sich die Regierungskoalition trotzdem nicht zusammen. Hierdurch wird die Notwendig- Waffenbesitz gehört, erheblich gedemütigt ein. Sie blieb bei allgemeinen Absichtser- keit offenkundig, geschlechtersensible An- und in ihrer männlichen Identität verunsi- klärungen wie: »die Vereinten Nationen in sätze in die Sicherheitspolitik zu integrieren.
chert fühlen, wenn sie ausländischen, selbst ihren Bemühungen zu unterstützen, die um- Es gibt eine Palette unterschiedlicher Fak- bewaffneten Militärs ihre Waffen abliefern fassende Umsetzung der Resolution zu be- toren, die in der Sicherheitspolitik als gewalt- müssen. Oder wenn patriarchal denkende schleunigen« und »darauf zu achten, dass die fördernd oder – mit Blick auf Lösungsstra- Männer erleben, wie ihre Frauen durch Em- Geschlechterperspektive – unter anderem tegien – als gewaltmindernd gelten: ökono- powerment-Programme in ihrer Selbststän- durch die Integration von Gender-Beraterin- mische und politische Verhältnisse, Interes- digkeit gefördert und selbstbewusster wer- nen und Menschenrechtsbeobachtern – in sengegensätze und Machtkämpfe unter poli- den. Hier greifen bisherige Waffenstillstands- der Praxis von Friedensmissionen angewandt tischen oder nach Ethnie, Kultur, Religion abkommen und die zivilen Konfliktlösungs- und das Personal der truppenstellenden Län- unterschiedenen Gruppen, inzwischen zu- programme zu kurz. Nachhaltige Konflikt- der dementsprechend vorbereitet wird«. Al- nehmend auch die Ökologie. Im UN-Kon- lösungen müssen die Frage einbeziehen, wie lerdings soll der Grünen-Antrag in den zu- text werden Armut und Krankheiten als zen- Übereinkommen und Maßnahmen sich auf ständigen Ausschüssen weiter beraten wer- trale Sicherheitsgefährdungen benannt, in der die Beziehungen zwischen Männern und den. Nicht nur die Oppositionsfrauen, son- EU rangiert der internationale Terrorismus Frauen und mögliche Dynamiken auswirken, dern auch einzelne weibliche SPD-Abgeord- auf Platz eins, gefolgt von der Verbreitung und wie sie zu gestalten sind, um emanzipa- nete formulierten Sympathien für einen na- von Massenvernichtungswaffen, regionalen torisch und gesellschaftsstabilisierend zu tionalen Aktionsplan zur Umsetzung der Konflikten und dem Zerfall von Staaten. Die UN-Resolution 1325.
Geschlechterverhältnisse gehören bisher Hintergrund des Grünen-Antrags wie der Bundestagsdebatte ist die Tatsache, dass Es scheint im bisherigen sicherheitspoliti- Nachhaltige Konfliktlösungen müssen die Außen- und Sicherheitspolitik noch immer schen Denken kaum vorstellbar, dass etwa Frage einbeziehen, wie Übereinkommen eine Männerdomäne ist. Daran hat bisher Verschiebungen in den Beziehungen zwi- auch die bewusste Resolution 1325 nichts än- schen Frauen und Männern ein Sicherheitsri- und Maßnahmen sich auf die Beziehungen dern können, die der UN-Sicherheitsrat im siko für eine Gesellschaft sein könnten. Da- zwischen Männern und Frauen auswirken Oktober 2000 einstimmig verabschiedete.
her sind sie bei (inter)nationalen Verhand- Zwar schreibt sie vor, dass Frauen in allen lungen kein Thema, wenn es um Konflikt- Entscheidungen von Krieg und Frieden und beilegung und Förderung von Demokratie- Die UN-Resolution 1325 macht hierfür damit in der Sicherheitspolitik überhaupt an- prozessen geht. Bestenfalls steht die Frage weitgehende Vorgaben und ist daher ge- gemessen zu beteiligen sind. Doch weiterhin der Beteiligung von Frauen im Raum, wenn schlechterpolitisch ein Meilenstein für die Si- sind Frauen in entscheidenden Positionen der öffentliche Druck groß genug ist. Doch cherheitspolitik. Sie verpflichtet in insgesamt und Funktionen weltweit die Ausnahme.
ob und wie Frauen schließlich eingebunden 18 Punkten die UNO, alle Mitgliedsstaaten Und die Geschlechterperspektive ist – auch werden, ist nicht mehr Gegenstand offizieller und Konflikt-Parteien, Frauen auf allen Ebe- das entgegen der Resolutionsvorgabe – fast Friedens- und Sicherheitspolitik, wie Afgha- nen und in allen Fragen von Krieg und Frie- nistan, Irak oder Kosovo zeigen. Aber selbst den angemessen zu beteiligen und die Ge- Dabei tragen Frauen weltweit wesentlich wenn Frauen – schon aus demokratischem schlechterdimension in Friedensabkommen, zur Prävention kriegerischer Auseinander- Verständnis – gleichberechtigt beteiligt wä- bei Peacekeeping-Einsätzen und in anderen setzungen bei, zur zivilen Konfliktlösung, ren, ist damit nicht automatisch die Ge- sicherheitspolitisch relevanten Bereichen zu zum Wiederaufbau in Nachkriegsgesellschaf- schlechterperspektive integriert. Es ist ein berücksichtigen. Erstmals anerkennt der Si- ten und bei der Wiederherstellung bezie- weit verbreiteter Irrtum, die Partizipation cherheitsrat hier den Stellenwert zivilgesell- hungsweise Entwicklung demokratischer von Frauen damit gleichzusetzen. Ge- Verhältnisse. In vielen Ländern und Kon- schlechterperspektive meint mehr – sie Dass ständig und überall – in demokrati- fliktregionen wie Israel und Palästina, Ex- nimmt die Beziehungen und Dynamiken schen Staaten wie in autoritär regierten Län- Jugoslawien und Afghanistan waren Frau- zwischen Männern und Frauen in einer Ge- dern – gegen diese Resolution verstoßen en(gruppen) die ersten, die Ansätze zur Aus- sellschaft und die jeweiligen Geschlechteri- wird, obwohl sie bindendes Völkerrecht ist, söhnung entwarfen. Als wichtiger Teil von dentitäten in den Blick, wenn es darum geht, liegt vordergründig an unkonkreten Vorga- Friedensallianzen vermitteln sie zwischen Ursachen von Konflikten zu verstehen und ben. Es fehlen Zeitpläne für die Umsetzung den Kriegsparteien, etwa der 6. Clan in So- Lösungsszenarien für Konflikte zu entwer- und Quoten zur Mindestbeteiligung von malia, der Jerusalem Link in Israel und Palä- Frauen. Weder sind Sanktionen bei Ver- stina und die Women in Black, die erstmals in Ein Beispiel hierfür liefert die Soziologin stößen vorgesehen noch Anreize – wie fi- Israel agierten und weltweit Vorbild für Marina Blagojevic´ für Ex-Jugoslawien. Dort nanzielle Förderung – zur Umsetzung.
Frauenproteste gegen Krieg und Willkür verloren die Männer in den neunziger Jahre Außerdem gibt es keinerlei finanzielle Mittel für unterstützende Begleitprogramme und Meist agieren die Frauen jedoch auf der Aktionspläne, die der frühere UN-General- Graswurzel-Ebene vor Ort. Ihre Expertise Auch nach bewaffneten Konflikten und in sekretär Kofi Annan allen UN-Mitgliedslän- und die politische Bedeutung ihrer Friedens- der zur Auflage gemacht hat. Einzelne Län- der Phase des Aufbaus demokratischer oder Versöhnungsarbeit werden auf der na- der wie England, Kanada, Schweden und die Strukturen gibt es für viele Frauen keine tionalen und internationalen Ebene der Schweiz haben inzwischen wenigstens na- Außen- und Sicherheitspolitik kaum aner- tionale Aktionspläne. Dagegen hat die deut- kannt. Daran haben selbst internationale Stu- sche Bundeskanzlerin Angela Merkel im ver- dien nichts geändert, die ihre »wichtige Rol- gangenen Jahr auf Anfrage des deutschen le . bei der Verhütung und Beilegung von schäden« von Interventionsparteien wie 20.000 bis 50.000 Frauen vergewaltigt. Ge- ihre traditionelle Rolle als Familienversorger Frauensicherheitsrats einen solchen Plan für Konflikten und bei der Friedenskonsolidie- NATO und USA abgetan wurde.
schlechtsspezifische Gewalt ist somit inte- und Haushaltsvorstand, die bereits in den überflüssig erklärt. Begründung: es gebe be- rung« nachweisen. So wurden die Ergebnis- Frauen mit Kindern stellen außerdem den graler Bestandteil von kriegerischen Ausein- achtziger Jahren durch die ökonomischen reits genügend andere Aktionspläne, wie den se von Friedens- und Waffenstillstandsver- größten Anteil der Vertriebenen und Flücht- andersetzungen und hat einen hohen symbo- Veränderungen angeschlagen war. Gesell- zur Gewalt gegen Frauen und zur zivilen handlungen, an denen Frauen entscheidend linge, Frauen und Mädchen sind als »Kriegs- lischen Gehalt.
schaftliche Realität und männliche Iden- Konfliktprävention. In ihrem Bundestagsan- beteiligt waren, schneller erzielt und erwie- beute« Opfer sexualisierter Gewalt der je- Auch nach bewaffneten Konflikten und in titätsbilder klafften auseinander, die Folge trag fordern die Grünen neben dem Akti- sen sich als dauerhafter. Fazit: »Der systema- weiligen Eroberer. Massenvergewaltigungen, der Phase des Aufbaus demokratischer war eine dramatische Männlichkeitskrise, zu- onsplan zur Umsetzung der Resolution eine tische Ausschluss von Frauen aus offiziellen gewaltsame Verschleppungen und Verskla- Strukturen gibt es für viele Frauen keine Si- mal Frauen in ihren Rollen vielfältiger und in nationale Monitoring-Stelle und einen Gen- Friedensprozessen hat schädliche Effekte auf vung werden systematisch als Mittel der cherheit. Infolge der Brutalisierung der ihren Positionen stärker wurden. Beim Ver- der-Audit. Ob der Antrag nach der Beratung die Nachhaltigkeit von Friedensabkommen.« Kriegführung eingesetzt. Einerseits, um die Kombattanten im Krieg erleiden sie in po- such, gewohnte männliche Machtpositionen in den zuständigen Bundestagsausschüssen Feinde zu demütigen und zu demoralisieren, tenziertem Maße häusliche Gewalt und Ver- wieder zu besetzen, kamen daraufhin stark im deutschen Parlament noch eine Chance andererseits, um die Gewaltbereitschaft der gewaltigung durch die eigenen zurückge- nationalistische, sexistische und ethnozentri- hat, hängt entscheidend davon ab, wie sich Frauen und Mädchen sind als eigenen Soldaten zu steigern, wie aus Bosni- kehrten Männer, zumal häusliche Gewalt in stische Diskurse auf. »Genderprozesse«, so die SPD-Fraktion dazu verhält. Schon unter en-Herzegowina, Kosovo oder Darfur be- vielen Ländern noch gesellschaftlich geduldet die Sozialwissenschaftlerin Ruth Seifert, der früheren rot-grünen Regierung stand ein »Kriegsbeute« Opfer sexualisierter kannt ist. Allein im Bürgerkrieg in Ex-Jugo- oder sogar legitimiert wird. Häusliche und »verschränkten sich mit politischen und öko- Aktionsplan zu Resolution 1325 auf der Gewalt der jeweiligen Eroberer slawien wurden in den neunziger Jahren etwa militärische Gewalt hängen also untrennbar nomischen Prozessen und führten zur be- Dennoch blieben die Frauen sowohl bei Verlag WESTFÄLISCHES DAMPFBOOT den Friedensgesprächen in Dayton 1995 zurBeendigung des Bosnienkonflikts außen vorals auch bei den aktuellen – und erst vor kurz- em wieder gescheiterten – Verhandlungen umden Kosovo, obwohl dort Frauengruppen Komitee für G rundrechte und Demokratie (Hrsg.) über ethnische Konfliktparteien hinweg An- Jahrbuch 2007
sätze der Konfliktbeilegung entwickelten Menschenrechte und Völkerrecht und praktizieren. Um keine Mythen zu re- 2007 - 256 Seiten - € 19,90 produzierten: Das bedeutet nicht, dass Frau- ISBN: 978-3-89691-654-9 en qua biologischem Geschlecht besondersfriedfertig sind. Aber durch die unterschied- lichen Geschlechterrollen in den meisten Ge- Kristina Isabel Schwarte sellschaften agieren Männer und Frauen je- Embedded Journalists -
weils auf verschiedenartige Art und Weise.
ichterstattung im Wandel
In fast allen Gesellschaften übernehmen (einsprüche Band 18) Frauen in besonderem Maß Verantwortung 2007 - 136 Seiten - ca. € 14,90 LANDESMUSEUM FÜR MODERNE für das (Über)Leben der Kinder und anderer ISBN: 978-3-89691-591-7 KUNST, FOTOGRAFIE UND ARCHITEKTUR Familienangehöriger. Daher arbeiten sie eher ALTE JAKOBSTRASSE 124 –128, 10969 BERLIN TÄGLICH (AUSSER DIENSTAG) 10 –18 UHR auf zivile Formen der Konfliktlösung hin.
Und sie sind die Hauptleidtragen der gewalt- Bodo Zeuner u.a. sam ausgetragener Konflikte der zurücklie- Gewerkschaften und Rechtsextremismus
genden Jahrzehnte. Denn die meisten mi- Anregungen für die Bildungdsarbeit und politische litärischen Konflikte der heutigen Zeit ver- Selbstverständigung der deutschen Ge VG Bild-Kunst, Bonn 2007 (einsprüche Band 19) laufen nicht zwischen verschiedenen Staaten, 2007 - 143 Seiten - ca. € 14,90 sondern zwischen unterschiedlichen Interes- ISBN: 978-3-89691-590-0 sen- und Machtgruppen, zum Teil überStaatsgrenzen hinweg. Umgebracht werdendabei weniger Soldatinnen als vielmehr – zu D-48155 Münster über 80 Prozent – die Zivilbevölkerung, was BERLINISCHE GALERIE Hannah Höch, Grotesk, 1963, ifa, Stuttgart, Tel.: 0251 3900480 Fax: 0251 39004850 in den letzten Jahren zynisch als »Kollateral- Freitag 14
ternet offerieren etwa die Space Travellers schränken müssen, mit den Privilegierten und die Weltraumtouristik.de ihre Dienste mitzufiebern. Charles Simonyi, der nächste an. Auch diese Firmen kooperieren eng mit Gast auf der ISS, lädt auf seiner Homepage staatlichen Stellen in den USA und Russland (www.charlesinspace.com) dazu ein, ihm sowie mit den privaten Raumschiffbetrei- Fragen zu seiner bevorstehenden Reise zu Um die Jahrhundertmitte wird die Bevölkerung bern. Im Programm enthalten sind außerdem stellen. Fühlt er sich als Pionier einer neuen von heute 6,7 voraussichtlich auf über neun so genannte Edge of Space-Flights, bei denen Zeit, in der eines Tages vielleicht sogar ande- Milliarden Menschen steigen: Es wird eng wer- man im Cockpit einer Mig25 auf 27.000 Me- re Planeten besiedelt werden? »Das könnte den auf der Erde. Ob die heutigen Weltraum- ter Höhe steigt, wo sich bereits die Erd- passieren. Es hängt davon ab, was Technik programme auch dazu dienen, neue Lebensräu- MOBILITÄT IV ■ Noch findet man den Trip im Space-Jet nicht im krümmung erkennen lässt. Wem so etwas zu und Politik uns ermöglichen. Ich schätze me zu schaffen? Noch gibt es keine massen- gewöhnlichen Reisekatalog – doch immer mehr zahlungskräftige gefährlich ist, der kann das Ausbildungszen- mich sehr glücklich, einen kleinen Beitrag hafte Bewegung ins All, doch als exklusives trum der russischen Kosmonauten besichti- dazu leisten zu können.« Und wenn er die Tourismusziel bietet es sich schon heute an. Mit Kunden fragen die Weltraumreise nach. Erste Weltraumlinien und gen und im klobigen Raumanzug durch rie- Mittel dazu hat, warum auch nicht? Wer Jens Müller-Bauseneiks Erkundung des Alls be- sigen Wasserbecken »schweben«, in denen schon mal dort oben war, wird wohl stets -hotels sind in Planung enden wir vorerst unsere Serie »Mobilität«.
die echten Profis ihre Missionen üben.
empfehlen, es ihm gleich zu tun, wenn man Sicherlich, es sind erst wenige Weltraumbe- denn kann. Als Simonyi kürzlich auf Neil geisterte, die solche Angebote wahrnehmen.
Armstrong traf, den ersten Menschen auf Nur etwa hundert Deutsche nehmen pro Jahr dem Mond, fragte er den Veteranen, was der an einem Parabelflug teil. Aber mit den Er- ihm mit Blick auf seinen bevorstehenden folgen der privaten Raumfahrt dürften diese Flug raten könne. Die Antwort war kurz heute noch sehr exklusiven Abenteuer immer und eindeutig: »Go for it!« attraktiver werden. Jedenfalls werden wir in Bisher erschienen in der Serie »Mobilität«:
den nächsten Jahre mitverfolgen können, wie 52/2006: Jens Müller-Bauseneik: Der bewegte Mensch. die Weichen für einen Tourismus neuen Typs 03/2007: Linda Tidwell: Moderne Arbeitsnomaden. Pen- gestellt werden.
deln als Lebensform Momentan jedoch wird man sich beim 08/2007: Anja Garms/Linda Tidwell: Autopilot. Die Zu- Thema »Weltraumreise« noch darauf be- kunft von Straße und Schiene IM GESPRÄCH ■ Der Weltraum-Ingenieur Norbert Frischauf überdie Zukunft des Weltraumtourismus FREITAG: 2006 sind Sie in Österreich nomischer Paradigmenwechsel stattgefun- als Kommandant der Mission »Austro- den. So ist etwa vorstellbar, dass es dann eine mar« bekannt geworden. Worum ging ganz andere Gesellschaft gibt, wo größten- teils Roboter die Arbeit machen, und der NORBERT FRISCHAUF: Das war eine Mensch kontrolliert nur und ist ansonsten simulierte Marsmission in der Wüste Utah in künstlerisch oder im Dienstleistungssektor Per »Space Ship One« und Turbojet »White Knight« ins All den USA. Wir lebten zu sechst in einem von tätig. Wir werden permanent vernetzt sein, der Umwelt abgeschlossenen Habitat und die Autos werden wir kaum wiedererkennen, haben dort Technologien und Prozeduren wahrscheinlich gibt es dann auch schon Fu- Gerade mal sechs Jahre ist es her, seit wäre ein Flug zum Mond anderes als die kon- sigkeit sorgen. Dazu noch der Panoramablick getestet, wie sie in 20 bis 30 Jahren bei einer sionsenergie, kurz: langfristige Prognosen ein gewisser Dennis Tito mit vielen sequente Weiterentwicklung von Kreuzfahr- über den gewölbten Globus, und schon gin- echten Mission einmal vorkommen könnten.
zum Weltraumtourismus sind schwierig, weil tausend Metern pro Sekunde seinem ten und Flugreisen um den halben Globus? ge es wieder abwärts. Ein entspannter Ur- Dieses Verfahren nennt man Analogwissen- die Welt vielleicht schon bald ganz anders Eintrag im Geschichtsbuch entge- Sollten sich die Prognosen bewahrheiten und laub sieht anders aus. Deshalb haben Ingeni- schaft, und das war in diesem Fall so lebens- genraste: Im April 2001 flog der amerikani- der Urlaub im Orbit zu einer wichtigen Spar- eure immer wieder mal Konzepte für ein Ho- echt, dass wir am Ende fast selber glaubten, sche Multimillionär an Bord einer russischen te im Spacebusiness avancieren, dann bedeu- tel vorgelegt, das man in der Erdumlaufbahn auf dem Mars zu sein. Bei Außeneinsätzen Dennoch: Wie sieht Ihre persönliche Zu- Trägerrakete als erster Weltraumtourist ins tet das nichts weniger, als dass wir an der stationieren könnte. Vor einigen Jahren ha- haben wir Raumanzüge getragen. Weil wir kunftsvision aus? All. Und doch sorgt eine Meldung wie diese Schwelle zu einer Ära stehen, die der ben beispielsweise Architekturstudenten der 20 Projekte zu betreuen hatten, standen meist Es wird weiterhin nationale Raumfahrt- kaum noch für Schlagzeilen: Mitte April wird Menschheit eine wahrhaft grenzenlose Mo- Uni Darmstadt in Kooperation mit der Deut- wir meist um sechs Uhr auf und kamen erst agenturen geben, die Wissenschaft und For- der gebürtige Ungar Charles Simonyi als bilität bescheren könnte.
schen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt nachts um zwei ins Bett. Nach ungefähr zehn schung betreiben. Diese werden in den näch- fünfter zahlender Gast an Bord der Interna- Den entscheidenden Anschub erhielt diese die unterschiedlichsten Weltraumhotels ent- Tagen ist man da kaputt. Das Ganze ist sehr sten Jahren zum Mond zurückkehren, von tionalen Raumstation ISS gehen. Derzeit be- Vision, als 1996 im Rahmen einer Privat- worfen, die allesamt für 80 Mann Personal realistisch und wird dementsprechend auch da weiter zum Mars. In spätestens 30 Jahren endet Simonyi, der sein Vermögen als Soft- initiative in den USA der Ansari-X-Prize und bis zu 220 Gästen ausgelegt sind. Allein von staatlichen Raumfahrtagenturen ver- werden wir wahrscheinlich dort sein. Parallel wareentwickler gemacht hat, ein Trainings- ausgelobt wurde. Zehn Millionen Dollar die aktuellen Probleme beim Aufbau der In- wertet. Das Gros dieser Untersuchungen dazu kommt der Weltraumtourismus, be- programm im russischen Raumfahrtzentrum Preisgeld winkten demjenigen Entwickler- ternationalen Raumstation zeigen jedoch, wird aber in der Regel von privaten Initiati- schäftigt sich aber zunächst mit Suborbital- Baikonur und zählt die Tage bis zum Start. Er team, das es als erstes schaffen würde, drei dass derart ehrgeizige Projekte noch länger ven betrieben.
flügen. Und wenn das funktioniert, dann wird nicht der Letzte sein, der sich diesen Personen mit einem ausschließlich privat fi- Wunschtraum bleiben werden.
werden bald die nächsten Aktionen kommen.
noch äußerst exklusiven Lebenstraum erfüllt.
nanzierten Raumschiff ins All zu tragen und Im kleinen Maßstab gibt es aber auch in die- Was haben Sie empfunden in der Abgeschie- Die Raumfahrtagenturen bereiten dafür den Kürzlich hat etwa der bekannte Physiker Ste- anschließend heil zur Erde zurückzubringen.
ser Richtung erste Praxistests. Von der Öf- denheit, angewiesen auf einen Raumanzug, Weg, und der Tourismus wird ihm folgen.
phen Hawking sein ernsthaftes Interesse be- Innerhalb von zwei Wochen musste das Ex- fentlichkeit weitgehend unbemerkt schoss was verändert sich da beim Menschen? Wenn erst einmal eine wissenschaftliche kundet, den Kosmos nicht nur geistig, son- periment erfolgreich wiederholt werden.
letztes Jahr die US-Firma Bigelow Aerospa- Die kleinen Details, die man im normalen Raumstation auf dem Mond steht, könnte dern auch leibhaftig durchdringen zu wollen.
In den zwanziger Jahren hatte ein ähnlicher ce ihre Demo-Version eines Spacehotels in Leben hat, der kleine Luxus wird immens man auch an ein Hotel dort denken. Das Wettbewerb den Alleinflug Lindberghs über den Orbit. Der Clou: »Genesis 1« entfaltete wichtig. Also etwa die Möglichkeit, in jedem kann sich gegenseitig befruchten und unter- Privatinvestoren besetzen den Weltraum den Atlantik angestoßen. An der Neuauflage sein wahres Potenzial erst, nachdem er die beliebigen Augenblick aufs Klo zu gehen und stützen. Mehrere Privatfirmen werden um nahmen 26 tollkühne Teams aus sieben Staa- Umlaufbahn erreicht hatte; beim Start noch sich zehn Minuten unter die Dusche zu stel- den Markt konkurrieren und sich gegenseitig Vergangenen Herbst war die gebürtige Irane- ten teil und entwarfen ihre modernen »flie- fünf mal zwei Meter groß, schwoll er im All len. Oder jemanden anzurufen, um sich spä- immer weiter nach vorn treiben, und irgend- rin Anousheh Ansari für zehn Tage als erste genden Kisten«. Am 21. Juni 2004 war es so- auf doppelte Größe an. Möglich macht dies ter in einem Café in der Stadt zu treffen – also wann haben wir dann die Welt, wie sie sich Privatfrau auf der ISS, wo sie den deutschen weit: In der amerikanischen Mojavewüste die neuartige elastische Außenhülle des Satel- die Grundbedürfnisse und sozialen Kontak- Science-Fiction-Autoren erträumt haben.
Langzeit-Astronauten Thomas Reiter traf.
startete vor Tausenden Zuschauern das erste liten, die aus mehreren Kunststoffschichten te fehlen einem. Andererseits kann auch die Doch im Gegensatz zu Reiter, der von der Privatraumschiff in den Himmel. Genauer besteht. Sie lässt sich in der Schwerelosigkeit ständige Nähe zu den Kollegen zu einer Be- Können wir für die geistige Entwicklung der ESA finanziert wird, musste Ansari für ihren gesagt hob zunächst ein Trägerflugzeug vom aufblasen und schützt dabei doch ausrei- lastung werden. Es ist deshalb wichtig, dass Menschheit Fortschritte erwarten, wenn im- Kurzurlaub tief in die eigene Tasche greifen: Erdboden ab. Auf dessen Rücken hockte das chend gegen Einschläge von Mikrometeori- die Teilnehmer psychologisch zueinander mer mehr Menschen die Zerbrechlichkeit der Rund 20 Millionen Dollar kostet das all-in- eigentliche Raumschiff, das SpaceShipOne, ten. Dass die silberne Außenhaut dicht hält, passen. Doch bei suborbitalen Raumflügen, Erde vom Weltraum aus sehen? clusive-Angebot der russischen Raumfahrt, welches mitsamt des Piloten Michael Melvill stellten die munteren Bewohner des Mini- die höchstens zwei Stunden dauern, ist dieser Da bin ich mir sicher. Schon die Bilder, die die seit dem Zusammenbruch der Sowjet- in 14 Kilometer Höhe getragen wurde. Nach Hotels unter Beweis: In speziellen Apart- Punkt natürlich belanglos.
die Apollo-Astronauten vom Mond aus ge- union in steten Finanznöten steckt und daher dem Ausklinken zündete Melvill den Rake- ments aus Plexiglas waren Küchenschaben macht haben, haben sich sehr stark in das kol- seit Ende der neunziger Jahre zahlungskräf- tenmotor und katapultierte den Gleiter kurz- untergebracht, die auch Tage und Wochen Wie hoch schätzen Sie den Anteil der Deut- lektive Gedächtnis eingebrannt: Die blaue tigen Kunden einen Platz in den altbewähr- zeitig auf eine Höhe von über 100 Kilome- nach dem Start noch wohlauf waren.
schen und Österreicher, die sich einen Welt- Erdkugel vor dem Hintergrund des endlosen ten Sojus-Kapseln offeriert. Für schwerrei- tern – nach internationaler Definition war da- Bis solche aufblasbaren Wohneinheiten raumflug vorstellen könnten? schwarzen Weltalls. Die Verletzlichkeit des che Weltraumenthusiasten bietet die staatli- mit die Grenze zum Weltall erreicht. Nach auch von Menschen bezogen werden kön- Zunächst richten sich die Angebote ja nur Globus ist uns seither viel bewusster gewor- che Raumfahrtagentur Roskosmos einen Ge- dem suborbitalen Hopser kehrte SpaceShip- nen, wird es noch einige Zeit dauern. Aber an sehr wohlhabende Leute, die gleichzeitig den. Früher hat man das nicht so wahrge- sundheits-Check auf Flugtauglichkeit, eine One wohlbehalten zur Erde zurück; die Ge- wäre es nicht sowieso viel interessanter, statt auch abenteuerlustig sein sollten. Da rechne nommen, weil es noch niemand gesehen hat- Ausbildung im russischen »Sternenstädt- neralprobe war nicht ohne Komplikationen, der Erde unseren kosmischen Nachbarn, den ich in Deutschland vielleicht mit 100, in chen« Baikonur, den knapp zweiwöchigen im Ganzen aber erfolgreich verlaufen. Bald Mond zu überfliegen? Auch dieses Ziel wird Österreich mit zehn Kunden.
Aufenthalt auf der ISS und natürlich den darauf folgten die beiden »richtigen« Flüge bereits angepeilt: Die US-Firma Space Ad- Sehen Sie die Gefahr, dass die Reichen eines Hin- und Rückflug. Glaubt man den glück- innerhalb von 14 Tagen – und das Siegerteam ventures arbeitet eng mit der russischen Ist das die Klientel für SpaceShipTwo? Tages von der Erde flüchten könnten, wenn es lich Heimgekehrten, dann lohnt das Aben- um Konstrukteur Burt Rutan konnte das Raumfahrtbehörde zusammen und will spä- Am Anfang schon. Richard Branson hat be- hier zu ungemütlich wird? teuer jeden Cent. Nur – ohne das nötige ausgelobte Preisgeld einstreichen.
testens Ende dieses Jahrzehnts ein Erlebnis hauptet, bei Ticketpreisen von 200.000 Erstens hoffe ich, dass die Menschheit nicht Kleingeld geht eben gar nichts. Oder? der absoluten Spitzenklasse anbieten. Dann Dollar angeblich schon 7.000 Interessenten so dumm ist, die Erde zu vernichten, Stich- Tatsächlich sind in den letzten Jahren meh- Der TUI-Trip der Zukunft sollen Spitzenverdiener mit den bewährten auf der Warteliste zu haben, die willens sind, wort: globaler Klimawandel. Dass wir des- rere Projekte ins Reifestadium gelangt, die Sojus-Raketen binnen 5 1/2 Tagen den Mond das zu bezahlen. Also warum sollte er so wegen auswandern müssen, glaube ich nicht nichts weniger anstreben, als den Weltraum- Seitdem geht es Schlag auf Schlag: Der Aben- umrunden können – freilich zu einem astro- dumm sein und die Preise senken? Das Glei- unbedingt. Aber wir werden über kurz oder tourismus langfristig auch für Normalverdie- teurer Richard Branson gründete als Ableger nomisch hohen Preis: 100 Millionen Dollar che gilt für Rocketplane XL, den zweiten lang sicher zum Vergnügen ins Weltall flie- ner erschwinglich zu machen. Die bahnbre- seines Virgin-Imperiums die Firma Virgin pro Sitzplatz. Die Ambitionen der Firma sind ernstzunehmenden Anbieter. Doch Konkur- gen. Studien prognostizieren einen Markt chende Innovation liegt vor allem darin, dass Galactic, die sich auf ihrer Homepage als durchaus ernst zu nehmen, schließlich war sie renz belebt das Geschäft. Eine US-Studie von 13.000 Passagieren im Jahr 2020, erwar- hinter dem Konzept nicht länger staatliche »first spaceline« anpreist, als erste Fluglinie es, die alle bisherigen Privatleute auf die ISS geht davon aus, dass 2010 der Preis zwar im- tet wird ein Umsatz von 676 Millionen Behörden stehen, sondern erstmals private für Weltraumreisen. Schon nächstes Jahr will vermittelt hat.
mer noch bei 200.000 Dollar liegt, danach Dollar – wenn nur körperlich geeignete Per- Unternehmer. Nach 50 Jahren Raumfahrt Virgin Galactic mit Rutans Nachfolgemodell, aber graduell runtergeht, so dass er 2016 sonen bis 65 Jahre fliegen. Aber dabei wird es und mit der heute verfügbaren Technik dem SpaceShipTwo, den regulären Betrieb Abenteuer de Luxe schon bei 100.000 wäre. Bis zum Jahr 2020 nicht bleiben: Richard Branson hat schon an- scheint es nun die echte Chance zu geben, aufnehmen. Sechs Passagiere können damit dürfte er auf circa 50.000 Dollar fallen.
gekündigt, seinen 91-jährigen Vater mitneh- eine bislang viel belächelte Idee zu einem ech- in den Erdorbit starten. Und das Ganze soll Das weltweit erste und bislang führende Rei- men zu wollen.
ten Wirtschaftsfaktor auszubauen.
genauso unkompliziert zu buchen sein wie seunternehmen des neuen Tourismuszweiges Das ist immer noch viel Geld. Davon bleibt auch die zähe Debatte um ein TUI-Trip auf die Seychellen; als letzte bietet aber auch space-feeling für Einsteiger, Ja, aber bedenken Sie: Wenn man heute auf Würden Sie selbst gern ins All starten? Nutzen und Kosten der bemannten Raum- Hürde wäre lediglich ein dreitägiges Astro- zum Beispiel durch Parabelflüge. Dabei steigt den Mount Everest rauf will, zahlt man Da ich begeisterter Kunstflieger bin, würde fahrt nicht unberührt. Das bisherige nautentraining zu durchlaufen. Nach Anga- ein geräumiges Flugzeug auf große Höhe und 65.000 Dollar und mehr. Und trotzdem ma- ich am liebsten als (Co-)Pilot mitfliegen – lei- Hauptargument der Kritiker: Automatische ben der Firma haben schon 7.000 Interessen- schießt sodann im Sturzflug zu Boden, wobei chen das über 100 Leute im Jahr.
der fehlt mir momentan noch das nötige Roboter und Sonden können den Weltraum ten erklärt, Tickets für je rund 200.000 Dollar sich die Passagiere im gepolsterten Innen- billiger, effektiver und gefahrloser erfor- ordern zu wollen – das ist immerhin nur ein raum für eine halbe Minute im freien Fall be- Schauen wir weiter nach vorn: Wird ein Flug Das Gespräch führte schen; der Mensch hat dort oben nichts zu Hundertstel der aktuellen ISS-Preise.
finden und schwerelos herumtrudeln. Inter- ins All im Jahr 2050 so selbstverständlich sein suchen. Wenn der nun aber − jenseits der ur- Allerdings, ein solcher suborbitaler Flug esse? Mit ein paar tausend Euro sind Sie da- wie heute ein Linienflug? sprünglichen Forschungsmotive − das All als würde nur auf dem Scheitelpunkt der Auf- bei, und mittlerweile kann man solche Events Das ist schwer zu sagen. Denn vielleicht hat Norbert Frischauf ist Berater der ESA und Geschäftsfüh-rer der Firma Qasar in Wien, die ein Patent auf einen neuar- ultimatives Reiseziel für sich entdeckt? Was stiegskurve für ein paar Minuten Schwerelo- auch über deutsche Anbieter buchen. Im In- bis dahin auf der Erde schon ein sozio-öko- tigen Plasma-Antrieb für Satelliten besitzt.
Freitag 14
Regina Bartel Wäscheaufhängen im Garten ist eine meiner ersten Taten, gleich nachdem Zähneputzen und Teewasser-kochen. Denn: die Sonne scheint.
Ich habe bereits am Vorabend eine volleTrommel mit heller Buntwäsche in meinerWaschmaschine mit dem Doppel-A – eins für Der grünste Tag in meinem Leben Wasserverbrauch, eins für Energieeffizienz –gewaschen. Alles nur, damit ich jetzt als ersteswahrheitsgemäß diesen Satz schreiben kann: Ökologie ist wieder ein großes Thema, und im Kleinen fängt das Energiesparen an. Versuch einer ganz persönlichen Energiebilanz Ich habe Wäsche aufgehängt – im Garten.
Heute ist der Tag, an dem ich darüber nach- April. Sechs Monate im Jahr, zweimal pro denken und schreiben will, was ich tue: Lebe Monat Äpfelholen, ergibt pro Jahr 4608 ich ökologisch und klimaschonend? Deshalb Gramm CO2. Und der Ausstoß wird nicht kommt es auf den Garten an. Wäsche klima- weniger, wenn ich zusätzlich jedes Mal zehn neutral trocknen, das geht nur draußen wirk- Eier von überaus glücklichen Hühnern mit- Automatische Trockner in Küche oder Kel- ler brauchen viel Strom, eine langweiligeFeststellung, aber die Wahrheit. Wo diedurchschnittliche Waschmaschine zwei Ki- Für Flugreisende gibt es Möglichkeiten, Buße zu tun, ihre Flugreise in CO2 um-rechnen zu lassen und den ermittelten lowattstunden verschleudert, benötigt der Gegenwert in Geld für klimafreundli- Trockner anschließend noch einmal das Dop- che Projekte zu spenden. Da sich bisher kein pelte: »4,4 Kilowattstunden ist der Wert für Ablasshandel für sündiges Apfelessen eta- ein schlechtes Gerät, das aber am meisten ver- bliert hat, bleibt mir nichts anderes übrig, als breitet ist«, weiß Mona Finder von der Deut- bald möglichst aufzuforsten und einige CO2- schen Energie-Agentur (Dena). Ich habe gar hungrige Apfelbäumchen zu pflanzen. Im- keinen Trockner, da fühle ich mich gleich bes- merhin fahre ich innerhalb Hannovers aus- ser. Nur kann man Wäsche im Garten, wofür schließlich Fahrrad, bei 2500 Kilometern ich mich gerade selber lobe, allein bei sonni- Nicht-Auto-Nutzung macht das im Jahr eine gem Wetter trocknen lassen.
Kraftstoffersparnis von 200 Litern oder 4,8 Für Menschen ohne Trockenboden und Kilogramm CO2.
Wäschekeller bleibt das klapprige Wäsche- Zurück aus der Apfelpause ist der Schreib- ständergestell mitten im Zimmer, auf dem tisch dran. Ausschaltbare Steckerleisten we- die Jeans Tage brauchen, bis sie trocken gen des Standby-Verbrauchs der Peripherie- sind. Und diese Trocknung ist keinesfalls geräte Drucker, Router & Co. habe ich. Ich kostenlos. Draußen wird die Feuchtigkeit habe auch gelernt, das Handyladegerät aus vom Winde verweht. Drinnen schlägt sie der Dose zu ziehen, weil es Strom ver- sich auf Tapeten und Fenstern, hinter braucht, selbst wenn es da nur so herum- Schränken und in schlecht belüfteten Ecken hängt. Das Handyladegerät ist gieriger als der nieder, und es bedarf eines Aufwands an Eingangsentstörfilter der Waschmaschine.
Heizenergie, sie da wieder weg zu bekom- des Filters ebenfalls nicht erfassen, »da dreht trocknet. Der Garten mit der Wäsche ist eine Nur tausche ich wie fast alle anderen Ver- men. Wie viel Energie dabei genau ver- sich die Scheibe gar nicht«, sagt Bahr und ökologisch bettelarme Grünfläche hinter ei- braucher alte Stromfresser erst aus, wenn sie braucht wird, lässt sich nicht genau berech- Solche Dummheiten über ihren Strom- verbrauch möchten Menschen erfah-ren, die Heinz Knobloch anrufen. Der rechnet aus, dass ein solcher Filter bei einer nem Mietshaus in Hannover. Meine Lieb- kaputt gehen. 110 Watt braucht der alte Mo- nen: »Egal, wie hoch die Schleuderleistung Energieberater von Enercity, den Wirkleistung von 0,07 Watt im Jahr allenfalls lingsäpfel wachsen dagegen auf einer vom nitor in der Stunde, der neue nur noch 37.
der Waschmaschine ist, der Feuchtigkeits- Stadtwerken Hannover, hat einen realisti- für 10 Cent Strom verbrauchen kann. Der Urgroßvater angelegten Streuobstwiese in Aber die guten, umweltfreundlichen, neuen gehalt der Wäsche hängt immer auch davon schen Blick darauf, warum Menschen sich an Stecker bleibt drin, ich komme nämlich nicht der Nähe von Bremen. Um genau zu sein: es Geräte wollen erst mal produziert und alles, ab, um welche Materialien es sich handelt«, das Kundencenter wenden: »Die meisten ru- an ihn heran, ohne jedes Mal die Küche um- liegen 100 Kilometer zwischen mir und den was man wegwirft, muss entsorgt, recycled, erklärt Mona Finder.
fen an, weil sie gerade ihre Turnusabrechnung zuräumen. Immerhin erhalte ich von Rolf Äpfeln. Und die muss ich mit dem Auto fah- deponiert werden.
Jedenfalls gilt: Heizenergie ist der größte erhalten haben, mehr bezahlen müssen und Bahr ein Lob für konsequentes Ausschalten ren, weil die Äpfel ja transportiert werden Eine Frage kann ich heute nicht mehr Posten im privaten Energieverbrauch. Und wissen wollen, woran das liegen kann.« Es der Maschine. Wer nämlich die kleinen, roten wollen und weil die sonstige Überprodukti- klären. Wie viel Strom eines meiner wichtig- wer nicht ordentlich heizt und lüftet, bei geht also ans Geld und deshalb auf die Suche Lämpchen ständig leuchten lässt, verbraucht on aus dem mütterlichen Gemüsegarten und sten Arbeitsgeräte benötigt: das Telefon.
dem schimmelt's, und folglich muss, wer nach den Übeltätern unter den Geräten oder bis zu fünf Watt, und das läppert sich im Jahr der alten Obstwiese einer gewissen Stau- Dies, so die Pressestelle des Unternehmens, Wäsche indoor trocknet, mehr heizen und den schlechten Angewohnheiten ihrer Besit- dann schon auf ein paar Euro auf der Strom- raumkapazität beim kundigen Abnehmer be- bei dem ich Kunde bin, könne man nicht mehr lüften. Weiß ich. Unser Wohnungsver- zer. Die neigen nämlich zur Vergesslichkeit: darf. Wäre ja schade drum.
spontan beantworten. Stunden später erfah- walter hat mir und meinen Nachbarn im ver- »Im alltäglichen Ablauf achtet man nicht dar- Um nun dem Beispiel der Göttinger Kli- re ich, es sei nicht so leicht herauszufinden, gangenen Jahr eine Anleitung geschickt, wie auf: Welche Geräte benutze ich, wie lange be- mabanane zu folgen, rufe ich bei Toyota an man wisse nicht, ob man es überhaupt wisse, sich das so verhält mit dem Schimmel. Vier nutze ich sie.« Knobloch rät den Kunden, und schildere mein Problem: 12 Jahre altes es könne ein paar Tage dauern.
Seiten lang ohne Grammatik und Recht- Auflistungen anzulegen, den Zählerstand Zeit für eine Zwischenmahlzeit. Ein Naturkostgroßhändler in Göttingenvertreibt klimaneutrale Bananen. Her- Auto, Spritverbrauch circa 8 Liter auf 100 Ki- Gut, dann hole ich jetzt die Wäsche rein. ■ schreibung, dafür mit hoch erhobenem Zei- eine Weile täglich zu notieren und sich so das mann Heldberg hat durchrechnen las- lometer, wie viel CO2 mag da herauskom- eigene Nutzungsverhalten zu verdeutlichen.
sen, was Bananen in Produktion und Handel men? »Das kann man mathematisch aus dem Weil mich das Wäscheaufhängen zu lange Der Klassiker sind dabei die Standby-Ver- an CO2 auswerfen. »Über 5.000 Tonnen pro Spritverbrauch ermitteln«, erklärt mir Kar- aufgehalten hat, ist das Teewasser kalt ge- bräuche einiger Geräte: Bis zu 10 Watt Jahr«, erklärte er unlängst im Deutschland- sten Rehmann aus der Presseabteilung und worden. Wasserkochen ist das Leck an der schnurren da ständig durch einen Fernseher, funk, »allein für den Import der Bananen aus rechnet für mich nach. Bei 8 Litern Super- Außenwand des Schiffs, das meine persönli- der 20 Stunden am Tag nur herumsteht. Dann der Dominikanischen Republik.« Das kann Benzin auf 100 Kilometern pustet mein Auto che Energiebilanz ist. Die Dena gibt an, dass gibt es Geräte mit einem versteckten Standby, man umrechnen – zum einen auf das einzel- 192 Gramm CO2 in die Luft. Hätte der Wa- ein Wasserkocher die sparsamste Methode das können noch mal zwei bis drei Watt bei ne Kilo Bananen, zum anderen in einen be- gen einen Dieselmotor, dann wären es 11 des Wasserkochens bietet: Etwa 0,12 Kilo- einer Waschmaschine sein.
stimmten Geldbetrag. Schließlich sind CO2- Prozent mehr. Was besser ist? »Ein Benzin- wattstunden braucht ein Liter, um aus der Moment! Meine Maschine mit dem zweifa- Emissionen in anderen Branchen ein handel- motor, der wenig verbraucht, ist klimamäßig Leitung auf 100 Grad Celsius zu kommen.
chen A saugt mir heimlich Strom ab, wenn bares Gut und haben einen Wert zwischen günstiger«, sagt Rehmann, doch eigentlich Nun bin ich aber nicht in der Lage, exakt ei- ich nicht den Stecker ziehe? Bei Candy Hoo- fünf und zehn Euro pro Tonne. Deshalb könnte er noch wenn und aber sagen, weil nen Liter abzuschätzen. Damit die Kanne ver, der Firma, die sie hergestellt hat, erfahre schlägt Heldberg nun pro Kilo Bananen ein ökologisch streng betrachtet noch weitere Alles außer Krieg ist schwer zu voll wird, koche ich tendenziell zu viel. Der ich, dass es sich bei diesem Effekt um eine so halben bis einen Cent auf, der in Aufforstung Faktoren berücksichtigt werden müssten – machen – Zum Nahen Osten Rest bleibt im Gerät und wird in der nächsten genannte Scheinleistung handelt, die ein Ein- und andere klimaausgleichende Maßnahmen andere Abgaswerte zum Beispiel, die Her- Runde wieder mitgekocht und wieder mitge- gangsentstörfilter verursacht. Den gibt es, da- in den Herstellerländern investiert wird.
stellung und die Nutzungsdauer des Wagens Aggression und Regression kocht und wieder mitgekocht. Wenn es etwa mit die Maschine nicht stört, nicht mich, son- Mir gefällt die Idee, nur esse ich nicht be- und so weiter.
eine Tasse voll zu viel ist, kommt bei drei dern meine anderen Elektrogeräte, und das sonders gerne Bananen. Ich mag Äpfel. Nicht Aber um nun endlich in den Apfel beißen Kannen Tee am Tag fast ein halber Liter Was- nicht beim Herumstehen, sondern beim Ein- den Einheitsapfel aus dem Supermarkt, son- zu können: bis ich die Äpfel mitnehme, ha- Die islamistische Scheinalternative ser zusammen, den ich sinnlos mitkoche.
schalten. Rolf Bahr, Techniker bei Candy dern heimischen Anbau, alte Sorten, eigene ben sie praktisch keinen Schaden am Klima Peter Klein:
Aufs Jahr gerechnet 182,5 Liter Wasser, mehr Hoover, gibt mir einen telefonischen Crash- Ernte. Damit ließe sich jetzt herumprahlen, angerichtet, ganz im Gegenteil, der Baum hat Existenz und Terror als eine Badewanne voll, 22 Kilowattstunden kurs in Physik. Häufig scheitert die Energie- weil es ja so ökologisch toll und ernährungs- CO2 verbraucht, um den Apfel überhaupt verplempert. Immerhin fast 2 Prozent des erfassung schon am Messgerät: »Messen ist physiologisch lobenswert ist, Obst der Sai- reifen zu lassen. Ich puste auf Hin- und Jahresenergieverbrauchs eines durchschnitt- auch so eine Sache.« Bei Energiemessgeräten son aus lokalen Anbaugebiete zu bevorzu- Rückfahrt insgesamt 384 Gramm CO Wegsehen oder Solidarität mit Israel? lichen Ein-Personen-Haushalts (1200 Kilo- gäbe es solche und solche und ohne Angabe gen. Nur hat die Sache einen Haken: Die Luft und esse anschließend fünf Kilo Äpfel.
wattstunden – ohne Wasser, Heizungspumpe des Phasenwinkels sei das alles nichts. Heu- Bäume mit den Super-Äpfeln stehen nicht in Äpfel gibt es – gut und energiesparend gela- Fratze statt Mythos und Elektroherd). tige Stromzähler könnten die Scheinleistung dem Garten, in dem gerade meine Wäsche gert in einem alten Stall – von Oktober bis Markus Mohr:
Die dummen Einfälle des Reinhard P. Gruber:
Die Arbeit als Landplage (1989) AUF DEM SPIELPLAN: MORD Vom Markt der Religionen zum Kaum ein Trainer hat es bisher geschafft, kurz nach zwischen 20 und 21 Uhr lokaler Zeit beim Zimmer- und nun Leiter der Anti-Korruptionsabteilung des Markt als Religion dem unvorhergesehenen Ausscheiden seines Teams bei service Essen bestellt, in diesem Zeitraum verschickte Cricket-Weltverbandes, sagte: »In manchen Ländern einer WM ein Interview zu geben, das nicht von Schock er außerdem von seinem Laptop aus einige E-Mails.
ist es mittlerweile viel lukrativer, Spiele zu manipulie- Grillen statt Heuschrecken und Ratlosigkeit geprägt wäre. Der britische Coach der Eine Nachricht ging an den Chef des pakistanischen ren als mit Drogen zu handeln.« Apathie und Angst pakistanischen Cricket-Nationalmannschaft, Bob Cricket-Verbandes, Dr. Nasim Ashraf, und gab späte- mache es den Tätern leicht, kaum jemand wage, An- Woolmer, machte am 17. März, einem Samstag, in sei- ren Spekulationen um einen möglichen Wettbetrug zeige zu erstatten.
Dissidente Praktiken nem Gespräch mit der BBC nach dem Aus bei der WM durch Mannschaftsmitglieder Nahrung. Woolmer be- Gerüchten, Woolmer habe in dem Buch, an dem er in Jamaika keine Ausnahme. Tief enttäuscht versuchte klagte darin, dass einige Spieler anscheinend nicht gut schrieb, Einzelheiten über Wettbetrügerein enthüllen Erscheint 3 x jährlich er eine erste Analyse, während er allen Fragen nach sei- genug ausgebildet seien, denn sie machten trotz ein- wollen, trat die Familie allerdings entgegen. In keinem ner persönlichen Zukunft auswich mit der Bemerkung, deutiger Instruktionen dieselben dummen, Spiel ent- der bisher fertig gestellten Kapitel sei es um Unregel- er müsse erst einmal eine Nacht darüber schlafen.
scheidenden Fehler wieder und wieder. In einer E- mäßigkeiten gegangen und auch in seinen Notizen Niemand konnte ahnen, dass dieses belanglose In- Mail, die er später an seine Frau schickte, fanden sich habe man nichts zu diesem Thema finden können.
terview das letzte sein würde, dass der Trainer in sei- allerdings keinerlei Hinweise, dass der in Indien gebo- Auch wenn der gesamten pakistanischen Equipe Fin- nem Leben geben würde. Bob Woolmer wurde am rene Sohn eines Cricket-Profis irgendwelche zwielich- gerabdrücke abgenommen wurden, glaubt die Polizei Vormittag des nächsten Tages bewusstlos im Bad sei- tigen Machenschaften vermutete.
nicht, dass Spieler und Funktionäre in den Mord ver- nes Zimmers im Hotel Pegasus von Kingston gefunden Als der Coach am nächsten Morgen um 10.45 Uhr wickelt sind. Die Täter dürften sich als Angehörige des und gegen Mittag in der benachbarten Universitätskli- vom Hotelpersonal gefunden wurde, wies nichts auf Hotelpersonals verkleidet haben, ist sich Mark Shields nik für tot erklärt. Was zunächst aussah wie ein stress- einen Mordfall hin. Wie die Polizei später erklärte, sicher. Möglicherweise habe der Mord auch absolut bedingter Herzinfarkt, erwies sich bei der Obduktion muss er seinem Mörder oder seinen Mördern selbst die nichts mit Cricket zu tun, denn Jamaika gehört zu den als Mordfall: Der 59-Jährige war erwürgt worden.
Tür geöffnet haben, denn es gab keinerlei Spuren ge- Ländern mit der weltweit höchsten Anzahl an Tö- Von wem und warum ist allerdings vollkommen un- waltsamen Eindringens oder gar eines heftigen Kamp- tungsdelikten – und im Pegasus geschahen in den letz- klar. Die jamaikanische Kripo versucht gerade, die fes. Der leitende Kriminalkommissar Mark Shields ten anderthalb Jahren immerhin drei Morde. Allerdings letzten Stunden im Leben des Coaches zu rekonstru- sagte, dass man überdies von mehreren Tätern ausge- sei es, so Shields, »extrem unwahrscheinlich«, dass Ein- Schwerpunkt: Die Macht der Acht – G8 und ieren und den Mord-Zeitraum so eng wie möglich ein- he: »Woolmer war ein sehr großer, kräftiger Mann, den heimische das während der WM besonders stark gesi- zugrenzen, um dann mit Hilfe der elektronischen Zim- man nicht einfach überrumpeln konnte.« cherte Hotel betreten und unbehelligt durch die Flure Außerdem: Feministisches Venezuela, iranische merschlüssel und der Überwachungskameras Bewe- Wettbetrug und verschobene Spiele sind beim spazieren konnten. Und schließlich von Coach Wool- gungsmuster der anderen Hotelgäste und etwaiger Cricket keine Seltenheit, wie der Brite Lord Condon, mer einfach so in sein Zimmer gelassen wurden wären.
brecherischer Lettow-Vorbeck u.v.m.
Fremder zu erstellen. Woolmer hatte am Samstagabend ehemaliger Chef der Londoner Metropolitan Police Elke Wittich 52 S., 5,30 Euro + Porto, iz3w, PF 5328, 79020 Frei-burg, Tel. 0761-74003, [email protected], www.iz3w.org Freitag 14
Tschechischer Abend PRAGER FRÜHLINGVon Karsten Laske Weithin leuchtet der Fernsehturm in den Far-ben der tschechischen Flagge, blau, weiß undrot. In den Waldstein-Gärten blühen schondie Bäume und am Grunde der Moldau wan-dern, wie seit tausend Jahren, die Steine.
Oben, über die Karlsbrücke hin, schiebenund drängen sich Touristentruppen in endlo-ser, dichter Formation. Eine Prozession, anden dunklen Stein-Heiligen vorbei. Was su-chen die Leute alle hier? Karel Gott? Es ist Frühling in Prag und eine Invasion scheint über die Stadt hereingebrochen. Ge-nervte Guides beiderlei Geschlechts tragenfarbige Fähnlein in erhobenen Händen odereinen Schirm voran durch die Gassen. Ame-rikaner, Japaner, Italiener, Ungarn folgen. DieIdee des Tourismus wird zur materiellen Ge-walt, wenn sie die Massen ergreift. Wir wer-den umspült und mitgerissen.
Vor einem Souvenir-Shop steht eine beleib- te Amerikanerin wie ein Fels in der Bran-dung. Einen Burger mampfend betrachtet siedie glitzernde Billigware des Geschäfts,schüttelt den Kopf und ruft kauend: »EuroTrash!« Sie wird überrannt. Es gilt für denStädtebesucher wie für den Autofahrer: Dustehst nicht im Stau, du bist der Stau! Fotohandys blitzen und eine Vier-Mann- Band spielt Swing. Man kann in einemschicken, alten, orangenen Sˇkoda-Cabrioeine Stadtrundfahrt unternehmen oder sichbeim Biertrinken dem Vergehen der Zeitüberlassen. Vielleicht, denken wir, ließe sichbetrunken am besten genießen, was die Stadtund das Leben einem aufbürden: die uner-trägliche Leichtigkeit des Seins.
Prag geht auf den Strich. Aber wer, wie wir, den Hauptbahnhof glücklich hinter sich ließ, den kann nichts mehr schockieren.
Ein Flyer wird uns im Gedränge gereicht.
Ausnahmsweise wirbt er mal nicht für das Dann kamen die Antifa-Touristen. Tod gend kann endlich legitim den Fremden aufs nächstgelegene »Cabaret«, welches sich stets dem deutschen Vaterland, Dolgenbrodt wird Maul hauen. Das ist doch mal was anderes als als Striplokal erweist, sondern für ein »Mu- abgebrannt. Ganze Reisebusse. »Reiselust immer nur neue Windräder aufstellen überall.
seum des Kommunismus«. Die Ausstellung Von Sandra Niermeyer Von Maik Kubusch mit Willi Brust«, Klimaanlage, Waschraum, Problem ist nur, man kann sich da nicht so verspricht Erbauung und Grusel in drei hi- sogar mit Würstchen an Bord. Wenn ich mit offiziell bewerben für. Man muss es ihm ir- storischen Etappen: the Dream, the Reality, In alter Zeit, als das Wünschen noch geholfen Wenn ich mit meinem Auto von weit her meiner Karre unterwegs bin, ich hab keine gendwie unterjubeln, dem Ami. Ihm das Ge- the Nightmare. Das Museum ist täglich hat, wünschte sich niemand etwas, denn es komm und die ersten Kiefernwälder an der Klimaanlage. Wie gesagt, so'n Hals! Aber hab fühl geben, er ist da ganz schlau von selber geöffnet von neun bis neun und scheint, wie ging sofort in Erfüllung. Man musste jede Se- Autobahn seh, dann weiß ich, es geht nach ich was gesagt? Nichts. Man schweigt und drauf gekommen. Naja. Haben wir jetzt an alles hier, vor allem für jene Asiaten und kunde auf seine Gedanken achten, sie mate- Hause. Zurück in meinen preußischen Sand- lernt sein Teil.
den Steinmeier geschrieben. Der fädelt das Amerikaner gemacht zu sein, die schnell rialisierten sich sofort.
kasten. Bin ein Heimatmensch. Märkische Deshalb kann ich Ihnen von der neuen Sa- fachmännisch für uns ein. Hat ja einen guten noch old europe sehen wollen, bevor es end- Gerade hatte jemand noch gedacht: Ich bin Heide, märkischer Sand, das liebe ich. Und che hier auch nur andeutungsweise erzählen.
Draht zu den Foltertypen. Und wenn dann gültig untergeht. »Zwei Mal begrüßten wir heute so kaputt von der Arbeit, schon lag er die Flüsse, die wir hier haben. Die Dahme Wir haben's ja nicht so dicke. Segeln, die Turbane hier ihre Zeit absitzen, grünt und sowjetische Panzer«, heißt es in dem Falt- ramponiert auf dem Gehweg. Oder jemand zum Beispiel. Ein Neben- oder Zufluss der Schießen, Spargel, Schluss. Das soll jetzt an- blüht und gedeiht unsere Gegend. Herrlich! blatt, das uns gereicht wurde, »jedes Mal mit wünschte sich, sein Gegenüber möge endlich Spree, so genau weiß ich das gar nicht. Seh ihn ders werden. Funktioniert aber nur, wenn es Für Geld – wie heißt es so schön – kann man Tränen in den Augen.« Ein Foto zeigt einen aufhören, ihm die Ohren voll zu labern, ja nie von oben, den Fluss, sondern immer geheim bleibt. Deshalb auch kein Ortsname.
sich eben alles leisten. Ein reines Gewissen T 34, der mit seinem Geschütz im Balkon ei- schon fielen ihm die Ohren ab.
nur aus der Nähe. Am Busen der Natur häng Dolgenbrodt, falls Sie das vermuten, ist es zum Beispiel. Oder vielleicht, später mal, so- nes Wohnhauses steckt: »Die Panzer waren Zum größten Problem wurden die vielen ich, sag ich. Am Arsch der Welt, sagen ande- nicht. Die haben genug gelitten. Nein, es ist, gar ein eigenes Boot.
die gleichen. Unsere Tränen verschiedene.« Toten. Sie lagen überall herum. Auf Straßen, re. Die haben einfach den Blick nicht für un- sagen wir – Degenow. Oder Güllen. Aber sa- Nun denn. Wir wühlen uns durch die be- in Autos, in Parks, in Wohnungen, besonders sere Schönheiten.
gen wir lieber Degenow, denn so heißen die geisterten Massen und folgen dem angegebe- auch in Kindergärten. Es waren so viele, dass Denn schön ist sie, unsere alte Dahme. Er- Orte alle hier. Immer auf -ow. Weshalb man- nen Weg, »above McDonalds, next to Casi- niemand sie mehr wegschaffen konnte. Und weitert sich hier und da zu bezaubernden che auch glauben, sie sind schon in Russland no«. Aber die Passage zum Kommunismus niemand konnte zur Verantwortung gezogen Seen, auf denen an Sommerwochenenden al- bei uns. Tschechow, Molotow, Kalaschni- GANZ ALTES TESTAMENT ist mit Sperrholz vernagelt, dahinter wird re- werden, denn jeder konnte jedem den Tod les verkehrt und kreuzt, was Planken und Se- kow. Spricht man aber nicht, unser -ow.
noviert. Der alte Menschheitstraum nimmt gewünscht haben. Die Gerichte schlossen, gel hat. An unseren Autos steht LDS. Das Denkt man nur. Es heißt nicht »Pankoff«, Von Dirk Werner eine Auszeit. Oder sind wir es, die den Weg die Rechtsanwälte gingen in Konkurs.
heißt Landkreis Dahme-Spree. Schon daran wie der alte Adenauer sagte, das verrät den Keiner sah den anderen mehr an, aus Angst, können Sie sehen, wie wichtig uns diese bei- Das Rentenalter wird schrittweise auf sie- Am Kiosk kaufen wir eine Süddeutsche.
durch seinen Blick einen bösen Gedanken im den Flüsse sind. Sonst wär ja hier nur Sand.
Degenow also. Und geheim. Und auch nur benhundertsechzig Jahre angehoben – besagt »Westliche Zeitungen werden in Prag frei Gegenüber auszulösen. Besonders das Auto- Ich selbst bin viel mit dem Auto unterwegs.
eine vage Hoffnung. Ein simpler Plan.
eine Meldung aus dem Jahre 2025, die uns verkauft – während Prager Zeitungen in fahren wurde gefährlich, es löste so viele ag- Boot hab ich keins, kann ich mir nicht leisten.
Wir haben ja, wie gesagt, noch die ollen dieser Tage zuging. Während das Durch- Moskau schwarz gehandelt werden«, erzähl- gressive Wünsche aus.
Ich bin Fahrer. Fahre alles, was reinkommt.
Schweinställe. Die rotten so vor sich hin.
schnittsalter bei Männer und Frauen seit der te man sich im Frühjahr ‘68 aufgeregt in der Manche halfen sich, indem sie einfach Touristen oder Bioäpfel, ganz egal.
Und die Amerikaner haben ihr Problem mit Anhebung des Renteneintrittsalters 2012 auf DDR. Im Kaffeehaus sitzend lese ich über schneller dachten als die anderen. Sie Im Frühsommer '90, als die Westberliner den Terroristen. Wenn sie die eingefangen ha- 67 und insbesondere im Jahre 2014 auf 78 den militärischen Schutzschild, den die USA wünschten jedem, der ihnen begegnete, den gerade begannen, unsere Seen zu entdecken, ben, die müssen befragt und bestraft und in Jahre bei 78,1 Jahren stagniert, würden mit in Polen und Tschechien errichten und gegen Tod, so konnte ihnen niemand mehr zuvor- da hab ich zum Beispiel Geld gefahren. Un- Schach gehalten werden. Warum nicht eins dieser Gesetzesvorlage letzte Versorgungs- Russland richten wollen. Warum Russland kommen. Leichen säumten ihren Weg. Diese ser Ostgeld. Wusste gar nicht, dass von dem und eins zusammenbringen? Knast und Ka- lücken geschlossen, heißt es darin.
jetzt plötzlich wieder der Feind ist? Der Kell- Schnelldenker wurden natürlich bald be- Zeug so viel existierte. Die Lkws sind fast zu- serne hat jede Gegend gerne. Und was soll In einer Videogrußbotschaft des Bundes- ner bringt ein Omelett, das er »Ommälätt« kannt und man versuchte, ihnen auszuwei- sammengebrochen unter der Last. In Scheu- sich der Pole oder der Rumäne, unzuverläs- abseitsministers Müntefering aus dem Jahr chen. Festnehmen und einsperren konnte nen und Ställe haben wir's gekippt, denn in sig, wie er ist, was soll sich der eine goldene 2007 an die Bundestagsabgeordneten des Jah- Wir logieren im Hotel Europa am Wenzels- man sie nicht, jeder Polizist wäre sofort tot die Stahltresore der Banken, da ging nichts Nase verdienen. Das können wir auch.
res 2025 hebt der Minister hervor, dass nach platz. Im Café dieses Hauses saß einst Kafka umgefallen. Die ganz Ängstlichen blieben zu mehr rein, die waren randvoll. Lag schon das Ich stell mir das herrlich vor, wie ich da im- diesem Beschluss insbesondere der »Arbeit- und schrieb. Durch die Flure und das Trep- Hause und verloren alle sozialen Kontakte.
neue drin, die D-Mark.
mer früh mit meinem alten Kombi in das nehmervereinigung Biblisches Alter« (ABA) penhaus rannte Tom Cruise auf Mission Im- Es schien, je böser man dachte, desto ge- Natürlich durft's keiner wissen, Sicher- streng geheime Camp fahre und die frischen zahlreiche neue Mitglieder beitreten würden, possible. Das alte Europa gehört zum Unes- schützter war man. Auch gutherzige Men- heitskonzept. Das simpelste. Wenn keiner ei- Brötchen bringe. Unser Fleisch, unser Brot, da »von nun an mit einer Rentenzahlung co-Kulturerbe. Die Angestellten sind lie- schen bemühten sich nun um den einen oder nen Schimmer hat – und wer käme auf so ne unser Bier, alles von hier. Und die Dorfju- praktisch erst im Jenseits zu rechnen ist«.
benswert und zum Teil so antik wie das Haus.
anderen bösen Gedanken, um gewappnet zu Schnapsidee, in alte verwitterte LPG-Ställe Dessen Jugendstil-Prunk krankt an Alters- sein. Es kamen Selbsthilfebücher heraus mit Hunderttausende Ostmark abzuladen? – schwäche. Die Türen der Schränke im Zim- Titeln wie Die Kunst des schlechten Denkens dann ist die Kohle da drin so sicher wie in mer öffnen sich knarrend wie von Geister- oder Böse Wünsche in Minuten. Seminare mit Fort Knox. Sie stinken eben nur hinterher.
hand, die Fenster schließen schlecht, und auf Inhalten wie »Seien Sie böser als die anderen« Die Scheine. Nach Schweinepisse. Aber das der Plastikbrille des Klos klemmt man sich fanden regen Zulauf. Manche Kirche bemüh- Zeug wurde ja eh verbrannt. Und es darf sich te sich noch, den Trend umzukehren. Wenn natürlich niemand verquatschen. Hat auch Wir stehen in unserem Zimmer und sehen jeder gut dächte, predigten sie, hätte niemand hinunter auf den berühmten Platz, der ja eher mehr etwas zu befürchten. Aber keiner trau- Erst viel später. Und da haben sich dann eine breite, lange Straße ist, sehen das stumme te sich, damit anzufangen, zu viele lagen tot plötzlich alle aufgeregt. Was hätte passieren Reiterstandbild des Heiligen Wenzel und agi- auf der Straße. Überhaupt schien es mühe- können! Das viele Geld, wenn das einfach so le Drogendealer bei ihren Geschäften, von voller, einen guten Gedanken zu fassen, wäh- rumliegt. Oder mich gefragt, warum hast du keiner Polizei behelligt. Auf dem gleichen rend die bösen von ganz alleine kamen.
uns nicht mal früher was, Mensch, was wir Pflaster standen im August '68 jene tränen- Irgendwann, von einem Tag auf den andern, hätten für Dinger. Nee, nee. Ich kann reich begrüßten Panzer, davor die Kameras hörte das Unheil plötzlich auf. Eine neue Zeit von ARD und BBC. Ein älterer Mann hinkte brach an, die wir alle kennen. In der das Wün- Ein paar Jahre drauf war hier die Hölle los.
heran und hielt (es wurde oft gezeigt in diver- schen und Hoffen und Bangen nichts mehr Vorbei war's mit der märkischen Stille, für die sen Dokumentationen) anklagend eine tsche- hilft. Was für ein Glück! wir berühmt sind. Da sind wir andersrum chische Fahne hoch, zerschossen und blutig.
berühmt geworden. Und auch nur, weil einer Die Kampfmoral der jungen Rotarmisten gequatscht hatte.
soll schwer darunter gelitten haben, dass die Sie erinnern sich vielleicht noch an den Prager sie – die doch meinten, ihren Klassen- Ortsnamen. Dolgenbrodt. Im November '92 brüdern zu Hilfe geeilt zu sein – als Faschi- wurde hier ein leeres Kindercamp, das man sten beschimpften. Ungläubig guckten die Sandra Niermeyer lebt und schreibt in Bielefeld. Zuletzt er- zu einem Asylbewerberheim umgebaut hat- Moskauer und Minsker Jungs aus ihren Pan- schien im Freitag 07/2007 ihr Text Tarnkappe.
te, abgefackelt. Im ganzen Dorf sei für die zerluken. Sie verstanden die Welt nicht mehr.
Maik Kubusch, geboren 1970 in Magdeburg, lebt heute in Brandstifter gesammelt worden. Hieß es.
Wir nun stehen am Fenster unseres ehr- Bayern. Zuletzt erschien im Freitag 26/2006 sein Text Ge- Riesenbohau. Lichterketten quer durchs würdigen Hotels und sehen, ebenfalls Un- ganze Land. Na, von der Presse haben wir gläubige – ja, was? Worauf blicken wir da? seither die Schnauze voll. Wenn ich irgendwo Auf das Ergebnis einer Verwandlung? Oder Dirk Werner, 1961 in Gera geboren, leitet Fotoprojekte undlebt als Filmvorführer und Autor in Esslingen/Neckar.
ne Kamera seh, drehn mir die Räder durch.

Source: http://www.pinomasciari.it/wp-content/uploads/2011/06/07.04.10-freitag_pag9.pdf

Manual: quikchange® site-directed mutagenesis kit

QuikChange® Site-Directed Mutagenesis Kit INSTRUCTION MANUAL Catalog #200518 (30 reactions) and #200519 (10 reactions) For In Vitro Use Only 200518-12 LIMITED PRODUCT WARRANTY This warranty limits our liability to replacement of this product. No other warranties of any kind, express or implied, including without limitation, implied warranties of merchantability or fitness for a particular purpose, are provided by Stratagene. Stratagene shall have no liability for any direct, indirect, consequential, or incidental damages arising out of the use, the results of use, or the inability to use this product.

Chemistry and applications of nanocrystalline cellulose and its derivatives: a nanotechnology perspective

Chemistry and Applications of Nanocrystalline Cellulose and its Derivatives: a B. L. Peng,1,2 N. Dhar,1 H. L. Liu2 and K. C. Tam1* 1. Department of Chemical Engineering, Waterloo Institute for Nanotechnology, University of Waterloo, 200 University Avenue West, Waterloo, ON, Canada N2L 3G1 2. State Key Laboratory of Chemical Engineering and Department of Chemistry, East China University of Science and